Obdachlosenunterkünfte:Einig im Ziel, uneins im Weg

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Die CSU-Fraktion im Dachauer Stadtrat schlägt vor, neue Obdachlosenunterkünfte zu bauen. Dabei waren alle Mitglieder bisher der Ansicht, dass eine dezentrale Unterbringung besser ist. Sie fördert die Integration

Von Petra Schafflik, Dachau

Wie soll die Stadt neue Kapazitäten schaffen, um obdachlose Bürger unterzubringen? An dieser Frage scheiden sich im Stadtrat die Geister. Dabei galt bisher das von allen Fraktionen getragene Konzept einer "teildezentralisierten Unterbringung". Gemeint ist, dass man vorhandene Sammelunterkünfte nutzt, zusätzlich aber vor allem Einzelwohnungen im Stadtgebiet angemietet oder gekauft werden. Doch diese Leitlinie, gerade keine zentralen Unterkünfte neu zu bauen, gerät ins Wanken. Zwar pocht Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) weiter darauf, "Obdachlosigkeit mit allen Kräften zu vermeiden und die Betroffenen lieber gleich in ordentliche Wohnungen zu bringen". Doch von der CSU kommen andere Vorschläge. "Auf die Dauer werden wir so nicht weiterkommen", sagte Liegenschaftsreferent und CSU-Stadtrat August Haas im Familien- und Sozialausschuss.

Mit einer größeren Unterkunft, auf einer städtischen Fläche errichtet, "wären wir besser aufgestellt", betonte Elisabeth Zimmermann (CSU). Konkrete Vorschläge, wo und in welchem Umfang solche Unterkünfte entstehen könnten, will die CSU in einem Antrag formulieren, kündigte Zimmermann an. Auch wenn die Zahlen nicht rasant steigen, ist die Tendenz klar: Immer mehr Dachauer geraten in Obdachlosigkeit. Aktuell müssen 119 Bürger, darunter auch viele Familien mit Kindern, ohne eigenes Dach über dem Kopf auskommen. Kein Problem, mit dem die Stadt alleine dasteht, sondern eine soziale Entwicklung, die sich überall im Großraum München abzeichnet. Weil ein eklatanter Mangel an preiswertem Wohnraum herrscht, verlieren Menschen ihr Heim, wenn sie teure Mieten nicht mehr zahlen können. Nun sollen die Kapazitäten der städtischen Notunterbringung erweitert werden.

Eine Mehrheit der Stadträte will Obdachlose nicht in gutbürgerlichen Wohnanlagen sehen

Um dezentrale Unterkünfte in kleinen Einheiten zu schaffen, hat die Stadt ein Vorkaufsrecht auf Wohnungen, die ihr schon einmal gehört haben. Sabine Geißler (Bündnis) mahnte, dieses auch zu nutzen. Damit wäre schon viel geholfen. Tatsächlich hat der Stadtrat bereits einige Kaufoptionen ausgeschlagen, weil eine Mehrheit nicht Menschen ohne Obdach in einer gutbürgerlichen Wohnanlage sehen wollte. Die Stadt solle nicht Wohnungen privaten Kaufinteressenten "vor der Nase wegschnappen", erklärte Haas erneut. Die ÜB-Fraktion möchte nun, dass nur Immobilien mit mehreren Wohneinheiten angekauft werden. Mehrfamilienhäuser ließen sich als Unterkunft für Menschen ohne Obdach leichter verwalten, die soziale Betreuung gestalte sich effektiver, so hat es die ÜB in einem Antrag formuliert.

Die CSU-Fraktion möchte angesichts steigender Bedarfszahlen noch einen Schritt weiter gehen. "Zweckmäßigen Wohnraum in Häusern mit vielleicht sechs Einheiten neu zu schaffen, das wäre das Sinnvollste", erklärte Stadtrat Haas. Dann wäre allen geholfen: Obdachlosen wie "Normalwohnern". Einen Standort für einen kleinen Einfachbau hat Haas mit der Otto-Wirsching-Straße schon im Auge. Gebäude in Holzbauweise nach dem Karlsfelder Vorbild kann sich Elisabeth Zimmermann vorstellen, "um mehr Leuten schnell ein Zuhause zu geben." Für naiv hält Jürgen Seidl (FDP) die Vorstellung, "dass wir mit dem bisherigen Klein-Klein, mit jährlich vielleicht fünf oder sechs neu angekauften Wohnungen wirklich weiter kommen."

Die SPD will Obdachlose nicht in Behelfsbauten unterbringen

Deutlicher Widerspruch kam von der SPD. "Wir möchten keine Behelfsbauten, weder Container noch Holzgebäude", erklärte Anke Drexler. Gerade die dezentrale Unterbringung fördere die soziale Integration. Der Oberbürgermeister zeigte sich erstaunt über den Sinneswandel einiger Fraktionen. "Bisher war die Haltung im Stadtrat klar: Neue Obdachlosenunterkünfte, das machen wir nicht." Nicht nur sozial, auch wirtschaftlich sei es viel effektiver, Sozialwohnungen zu bauen. Dafür gebe es staatliche Fördergelder und die Menschen hätten "richtige Wohnungen." Einen Beschluss, 200 zusätzliche Sozialwohnungen zu bauen, hat der Stadtrat 2015 gefasst. Schneller könne es gehen mit mehr Personal. In wenigen Jahren seien sowieso alle städtischen Grundstücke bebaut.

Letztlich stand nur mehr Antragstellerin Ingrid Sedlbauer (ÜB) hinter dem Vorschlag ihrer Fraktion. Eine Mehrheit der Stadträte votierte erneut für die teildezentrale Unterbringung.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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