Bilanz:Feuchtfröhliches Festival

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Friedo Niepmanns Transparent mit der Aufschrift "Biennale Karlsfeld" bei der Freiluftausstellung "Seh am See" lieferte viel Gesprächsstoff. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das nasse Wetter drückt die Zahl der Besucher beim ersten Karlsfelder Kulturwochenende, nicht aber die Stimmung

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Der Regen plätscherte manchmal sanft und leise, dann wieder kam er in Sturzbächen herunter. Doch der Stimmung auf dem ersten Karlsfelder Kulturfestival tat das keinen Abbruch. Künstler und Kulturschaffende sind begeistert. "Das war eine gute Idee von der Gemeinde", sagen sie unisono. Klar, bei Sonnenschein oder zumindest trockenem Wetter hätte die diesjährige Freiluftausstellung "Seh am See" des Kunstkreises deutlich mehr Besucher angelockt. Doch Vizebürgermeister Stefan Handl, der das Festival vorangetrieben hatte, ist sehr zufrieden: "Ich würde mir eine Wiederholung wünschen", sagt er. "Aber das kann die Gemeinde nicht alleine stemmen." Im Oktober soll am Runden Tisch Bilanz gezogen werden. Dann können Künstler und Kulturschaffende Kritik üben und ihr Votum abgeben. Der SZ Dachau haben sie schon jetzt mit einem klaren "Gerne wieder!" geantwortet.

Fast 100 Kunstinteressierte kamen mit Regenschirmen bewaffnet zur Vernissage der Freiluftausstellung des Karlsfelder Kunstkreises. 27 Künstler, darunter viele Gäste - zum Teil von weit her - präsentierten ihre Werke entweder am Ufer des Karlsfelder Sees oder auch im Wasser. Die knallbunten Arbeiten zogen sofort die Blicke auf sich, doch auch die anderen im Vergleich sehr dezenten Skulpturen konnte man kaum übersehen. Im Fokus stand diesmal der Klimawandel, aber auch Kritik an der Politik. Man wollte zum Nachdenken anregen. So ließ Carin Szostecki unter dem Titel "Plastic Ocean" einen knallbunten Fisch auf zahlreichen Plastikflaschen im Wasser schwimmen. Liz Schinzler hatte eine Hose in den See gestellt, aus der Farn und eine Rose wuchs, Titel "Klimawandel". "Selbstgemacht" hieß das Werk von Doris Leuschner: einige Rettungsringe, einer schwimmt auf dem Wasser direkt am Ufer, andere liegen versetzt dahinter unter Wasser. Eva Riedl thematisierte den Kreuzerlass.

Doch einer traf besonders den Nerv der Karlsfelder: Friedo Niepmann hatte die Worte "Biennale Karlsfeld - Kunst ist da wo die Künstlerinnen sind" auf ein großes Transparent geschrieben und im See verankert. Stefan Handl war hingerissen: "Der Künstler hat uns gesagt, dass das Tolle an Karlsfeld ist, dass keine Jury entscheidet, wer mitmachen darf. Die Kunst selbst darf überlegen, was sie macht. Genau das ist uns wichtig", sagt Handl. "Wir wollen nur den Rahmen um die Kunst bauen."

In den Regenpausen scharten sich immer wieder zahlreiche Betrachter um die Werke. Man kam ins Gespräch und diskutierte - zumindest bis zum nächsten Schauer. Natürlich hätte sich Dieter Kleiber Wurm, der Vorsitzende des Kunstkreises, etwas mehr Resonanz gewünscht, aber von dem örtlichen Wochenendfestival ist er trotzdem begeistert.

Ein Höhepunkt des Programms war die Serenade des Karlsfelder Sinfonieorchesters. "Vorher hat man sich immer gefragt, wie klassische Musik mit der Volkstanzgruppe D'Knödeldrahra zusammenpasst. Aber es war perfekt und hat mir sehr gut gefallen, auch mit den Bildern der Schulkinder", sagt Handl. Ingrid Reh, die Vorsitzende des Sinfonieorchesters, ist ebenfalls sehr angetan. "Der Impuls kam von der Gemeinde", sagt sie. "Es hat sich gelohnt aus der Routine herauszutreten, und es hat Spaß gemacht." Schade fand sie nur, dass heuer weniger Besucher zur Sommerserenade gekommen sind als sonst. Trotzdem würde sie ein zweites Festival begrüßen. Über mangelnde Zuhörer konnte sich der Dachauer Autor Alexander Paglialunga indes nicht beklagen. Seine musikalische Lesung über Emil, den "Schrecken vom Karlsfelder See" war so beliebt, dass die Leute dicht gedrängt in der Gaststätte standen.

Einzig die Muckerl-Bühne und der A-Cappella-Chor von der Karlsfelder Volkshochschule Chorange hatten das Nachsehen: Beide mussten ihre Auftritte absagen. "Schade, dass wir nicht spielen konnten", sagt Rudi Siegl von der Muckerl-Bühne. Zwei Szenen aus "Romeo und Julia" hatten die Schauspieler einstudiert, um sie im stimmungsvollen Ambiente vor der Kulisse des Karlsfelder Sees darzubieten. "Wir hätten schön Werbung für uns machen können", sagt der Vorsitzende des Theatervereins. Aber die Wiese war schon am Sonntagmittag so sumpfig, dass die Zuschauer knöcheltief im Matsch versunken wären. Siegl nimmt's sportlich: "Romeo hätte schwimmen müssen." Aber bei 'Seh am See' ist eigentlich immer schlechtes Wetter", sagt er, als wäre es ein Naturgesetz. Auch wenn Dieter Kleiber-Wurm vom Kunstkreis noch vor dem großen Spektakel die Wetterberichte der vergangenen Jahre studiert hatte und auf der Vorstellung des Kulturfestivals beteuert hatte, "an dem Wochenende ist immer schönes Wetter", sagt Siegl augenzwinkernd: "Man hätte es ahnen können." Ein Trost: Wer die moderne Inszenierung von "Romeo und Julia" von der Muckerl-Bühne sehen will, hat im Herbst immer noch Gelegenheit dazu.

Auch die Effner-Band hätte sich sicher mehr Zuhörer gewünscht. Aber der strömende Regen am Sonntagmorgen hielt manch einen vom gemütlichen Jazzfrühschoppen fern. Gerade Mal 20 Musikbegeisterte kamen in den Seegarten und applaudierten den jungen Musikern begeistert. "Sie hätten viel mehr Zuhörer verdient. Da hat mir schon das Herz geblutet", sagt Vizebürgermeister Handl. "Bei schönem Wetter hätten sie die Waldwirtschaft in Großhesselohe locker in den Schatten gestellt."

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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