Bigband Dachau:"Die Bigband ist ein Lotto-Sechser"

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Coronabedingt kann die große Jubiläumssause zum zehnjährigen Bestehen der Bigband Dachau nicht stattfinden, doch Pläne hat Band-Leader Tom Jahn viele - zum Beispiel ein Winterkonzert im Wald

Von Interview von Gregor Schiegl

Die Tanks sind voll, alle Systeme laufen, die Crew ist bereit durchzustarten: Nach fast zehnmonatiger Zwangspause will die mit dem Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung ausgezeichnete Big Band Dachau am Sonntag, 4. Oktober, erstmals wieder richtig durchstarten. Die große Jubiläumssause zum zehnjährigen Bestehen wird es zwar nicht, beim Frühschoppen im Biergarten vom Wirtshaus Oberbachern gibt das glitzernde Ensemble von 11 Uhr an zu bayerischen Schmankerln vom Wirt Matthias Rohleder aber wieder druckvolle Tanzmucke auf die Ohren. Die Band präsentiert auch einige neue Stücke mit neuen Musikern. Was bisher geschah und wie es weitergeht in der Big Band-Saga, berichtet der Band-Leader, Captain Tom "Tornado" Jahn.

SZ: Herr Jahn, wie ist die Stimmung bei der Big Band Dachau im Jubiläumsjahr?

Thomas Jahn: Gut, trotz der schwierigen Umstände. Die lange Abstinenz macht die Probenarbeit, die inzwischen ja auch die Blasorchester wieder aufnehmen durften, umso kostbarer. Ich habe sogar das Gefühl, dass in den Proben jetzt oft magische Momente entstehen, die sonst im Tagesgeschäft untergehen. Die Corona-Zeit hat die musikalischen Ereignisse intensiviert.

Wenn jeder Bläser beim Proben zwei Meter Abstand zum Nebenmann halten muss, brauchen Sie doch eine Turnhalle?

Die haben wir im Grunde genommen ja auch. Der Saal im Vereinsheim der Knabenkapelle Dachau ist sehr groß, da kommen wir mit dem Platz gut hin.

So viel Platz haben Sie auf einer Konzertbühne nicht. Haben Sie nie überlegt, die Bigband etwas zu verkleinern?

Nein, das macht auch keinen Sinn bei einem mittlerweile so großen Kader. Wir haben ja auch keinen klassischen Bigband-Sound, wir haben einen Band-Sound: Jeder Spieler ist ein Mosaikstein darin; wenn einer von der angestammten Besetzung nicht dabei ist, hört man das. In einer kleineren Besetzung wäre das eine ganz andere Band. Die Band lebt vom Spirit jedes Einzelnen, da kommt es auch darauf an, wie die Chemie zwischen den Leuten ist. Die Bigband Dachau ist ein Lotto-Sechser der tollen Menschen: Jeder bringt seine Persönlichkeit mit ein und seine ganze Energie. Wir haben jetzt auch ein paar neue Musiker dabei, einen neuen Bassisten und einen neuen Gitarristen, was ganz essenziell ist, weil es die Gruppe vom Sound her noch mal verändert hat.

Hat die Zwangspause durch Corona Sie gar nicht aus dem Tritt gebracht?

Natürlich, jeder Musiker hat darunter mehr oder weniger gelitten. Aber man konnte die Zeit auch für sich nutzen. Ich konnte endlich mal ein Solo-Klavieralbum aufnehmen und die Bigband Dachau konnte sich in aller Ruhe um die Kunst kümmern. Wir haben ein paar neue Stücke im Programm, wir haben uns auf Detailarbeit konzentriert und nach der Natur unserer Band geforscht. Eigentlich hat Corona uns geholfen, einmal richtig zu uns zu kommen. Das Durchatmen und Sich-Sammeln hat die Bigband eher gestärkt.

Worauf darf sich das Publikum jetzt freuen bei den neuen Stücken?

Auf repetitive Tanzmusik bei 145 bpm (Beats per Minute; Anm. d. Red.) mit brachialem Big-Band-Sound. Aber die neuen Stücke gehen in dem Beat schon viel weiter.

Bekommt man die neuen Nummern beim Frühschoppen schon zu hören?

Es wird zwei, drei neue Lieder geben, nie gehörte Musik - eine Techno-Abfahrt, in der der improvisierte Moment zelebriert wird. Die aufgestaute Spielfreude von einem Dreivierteljahr wird sich dann entladen: Endlich kann man mal wieder miteinander feiern. Aber die große Sause, auf der wir die letzten zehn Jahre Revue passieren lassen, wird es sicher nicht werden; die wird sich wohl erst im nächsten Sommer anbahnen.

Solange Corona wütet, wird man die Big Band Dachau bis auf weiteres wohl sowieso eher als Sommer-Band erleben, oder?

Schauen wir mal. Es gibt ja schon einige innovative Konzepte. Ich habe neulich im Festspielhaus in Allgäu gespielt mit einer anderen Band, die hatten die Bläser oben auf dem Balkon stehen und unten ihre Rhythmusgruppe. Da kann man sich definitiv auch irgendwelche Dolby-Surround-Systeme überlegen, wie man mit den entsprechenden Abstandsregeln in einem großen Innenraum spielen kann, der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt. Und es ist immer so in der Menschheitsgeschichte: Not macht erfinderisch. Sobald der Mensch mit einem Problem zurechtkommen muss, erwachen seine kreativen Geister. Überall, in allen Branchen muss man sich neu erfinden, und so werden auch wir das tun von der Big Band Dachau. Vielleicht machen wir ja auch mal ein Winterkonzert im Wald, wo man den Sound des Waldes an sich herankommen lässt, da gibt es mannigfaltige Möglichkeiten. Man kommt da auf viele tolle Ideen: Corona als Chance.

Wann kommt denn das nächste Album der Big Band Dachau heraus?

Der Plan sieht vor, dass unser Live-Album mit Jimi Tenor bei Südpol erscheint; das wird wahrscheinlich so um den März herum passieren. Und wenn es so läuft, wie wir es uns vorstellen, haben wir nächstes Jahr auch wieder ein paar Konzerte mit Jimi Tenor Ende April, Anfang Mai - das wird eine kleine Tour mit Jimi Tenor. Und währenddessen wollen wir die Vorzüge unseres Saals bei der Knabenkapelle nutzen, um einmal im Monat eine Aufnahme-Session zu machen, um am Ende des Jahres, gegen September, noch einmal ein Album zu haben, bei der wir dann unsere eigene Musik in den Vordergrund stellen.

Bei schlechtem Wetter (Regen oder Kälte) findet der als "Groove Open Air" geplante Frühschoppen am Sonntag, 4. Oktober, um 11 Uhr im Saal des Wirtshauses Oberbachern statt. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Eine vorherige Anmeldung ist beim Wirt erforderlich: telefonisch unter 08131/33 31 91 oder per E-Mail unter willkommen@wirtshaus-oberbachern.de.

© SZ vom 01.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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