Bezirkstag:Das unbekannte Gremium

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Der Bezirkstag ist kein Parlament, sondern ein ausführendes Organ, dessen Aufgaben vor allem im sozialen Bereich liegen. Kranke und Menschen mit Handicap erhalten schnelle und direkte Hilfe

Von Robert Stocker, Dachau

Die Bundes- und Landespolitik ist häufig in den Medien präsent. Auch was Stadt- und Gemeinderäte beschließen, bekommen die Bürger in der Regel mit. Doch wozu, bitte, ist ein Bezirkstag da? Viele Menschen müssen bei der Frage passen, welche Aufgaben dieses Gremium hat. Doch an diesem Sonntag sollen die Wähler nicht nur über den neuen bayerischen Landtag abstimmen, sondern auch über die Zusammensetzung der sieben Bezirkstage. Wie der Landtag werden diese kommunalen Gremien alle fünf Jahre gewählt, es gibt Direkt- und Zweitstimmenkandidaten. Eine Fünf-Prozent-Hürde gibt es allerdings nicht. Bezirkstage sind keine Parlamente, die Gesetze beschließen, sondern ausführende Organe, die für bestimmte Bereiche zuständig sind. Dazu gehören das Gesundheitswesen mit Psychiatrie und Suchtkrankheiten, die Hilfe für behinderte Menschen, die Kultur- und Heimatpflege, Schulen für hör- und sprachgeschädigte Kinder sowie der Natur- und Gewässerschutz.

Obwohl diese Aufgaben immer wichtiger werden, wird die Arbeit der Bezirkstage öffentlich nicht so stark wahrgenommen. "Die Bezirke sind weitgehend unbekannt, weil Menschen mit Behinderungen eher eine stille Hilfe wollen und nicht so gern in der Öffentlichkeit stehen", sagt einer, der es wissen muss. Josef Mederer gehört seit 20 Jahren dem oberbayerischen Bezirkstag an, war acht Jahre lang Vizepräsident des Gremiums, ist seit zehn Jahren dessen Präsident und seit fünf Jahren auch Präsident des bayerischen Bezirketags. Dabei könne man in diesem Gremium viel bewirken, sagt der 69-jährige CSU-Politiker aus Altomünster. "Wir leisten Hilfe, die bei den Menschen direkt ankommt. Deshalb trete ich auch wieder für den Bezirkstag an."

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(Foto: Toni Heigl)

Die Werkstätten des Franziskuswerks in Schönbrunn fördern Menschen mit Handicap. Der Bezirk unterstützt die Einrichtung.

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(Foto: Toni Heigl)

Eine Einrichtung des Bezirks: In der psychiatrischen Tagesklinik in Dachau erhalten Patienten eine wohnortnahe Versorgung.

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(Foto: Simulation: oh)

Auf dem ehemaligen MD-Gelände ist ein Museumsforum geplant. Der Bezirk will ein Drittel der Kosten finanzieren.

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(Foto: Manfred Neubauer)

Das Eingangsgebäude des Freilichtmuseums Glentleiten ist erneuert worden. Für sehbehinderte Besucher gibt es Hörstationen.

Der amtierende Bezirkstagspräsident ist erneut Direktkandidat der CSU im Stimmkreis Dachau. Unter seiner Führung habe der Bezirk in den vergangenen fünf Jahren viel für die Menschen erreicht. Mederer nennt die Einrichtung des Krisendienstes Psychiatrie, für den der Bezirk Vorreiter in Bayern gewesen sei. Wer in einer akuten seelischen Notlage schnelle Hilfe braucht, kann über eine zentrale Rufnummer mit dem Krisendienst für München und Oberbayern Kontakt aufnehmen. Der Notruf ist rund um die Uhr besetzt. Seit zwei Jahren gibt es in Dachau eine Tagesklinik mit Institutsambulanz. Die Patienten kommen morgens in die Tagesklinik und kehren nach ihrer Behandlung abends nach Hause zurück. Tagesklinik und Ambulanz sind mittlerweile intensiv ausgelastet. Am Gesetz für die Psychisch-Kranken-Hilfe hat der Bezirk laut Mederer intensiv mitgewirkt. Er habe den Entwurf der Staatsregierung kritisiert; letztendlich sei der Entwurf des Bezirks umgesetzt worden. Auch das Teilhabegesetz für Behinderte habe der Bezirk mitgestaltet und Pflegestützpunkte initiiert. "Das waren fünf gute Jahre für den Bezirk Oberbayern", so Mederer.

Auch auf dem Feld der Kultur- und Heimatpflege ist das kommunale Gremium aktiv. Das Freilichtmuseum Glentleiten zwischen Murnau und dem Kochelsee, das das ländliche Leben vergangener Jahrhunderte zeigt, erhielt ein neues Eingangsgebäude mit einem inklusiven Angebot. Für blinde und sehbehinderte Menschen sind Hörstationen aufgebaut. Auch in Dachau beteiligt sich der Bezirk an einem großen Museumsprojekt. Auf dem ehemaligen Gelände der Papierfabrik im Herzen der Stadt soll ein Industrie- und Arbeitermuseum entstehen, das die Industriekultur vergangener Jahrhunderte nachvollzieht. Auch Bezirksmuseum, Gemäldegalerie und Druckwerkstatt sollen auf dieses Gelände ziehen und zusammen mit dem Industriemuseum das "Museumsforum" bilden. Mederer: "Das ist uns ein großes Anliegen." Bezirk, Landkreis und Stadt würden sich die Kosten für die Museen teilen. Jetzt würden die Bausubstanz der alten Gemäuer und die Altlasten untersucht. Mitte nächsten Jahres sei die Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs geplant.

1,9 Milliarden Euro betrug der Etat des Bezirks Oberbayern im vergangenen Jahr. Ein Großteil des Geldes wurde für die sozialen Aufgaben ausgegeben, etwa Eingliederungshilfen für Menschen mit Handicap oder für die Hilfe zur Pflege. Die Landkreise müssen einen großen Teil ihres Steueraufkommens als Umlage an den Bezirk abgeben. Dazu legt der Bezirk einen Hebesatz fest, der sich an den Ausgaben orientiert. Früher, so Josef Mederer, habe die Abgabe an den Bezirk bei Landräten und Bürgermeistern oft Unmut ausgelöst. Mederer war selbst lange Gemeindechef von Schwabhausen und kannte viele Landräte und Bürgermeister. "Die wenigsten wussten, wie viel Geld vom Bezirk in ihren Landkreis zurückfließt", erinnert er sich. Heute habe sich das völlig verändert. Selbst wenn die Bezirksumlage erhöht werden muss, gebe es keine scharfe Kritik. "Die Zeit, in der man aufeinander eingeschlagen hat, ist schon lange vorbei."

Gerade einmal 35 Prozent prophezeien Umfragen für die CSU bei der Landtagswahl. Im Vergleich zu 2013 wäre das ein erdrutschartiger Verlust von 13 Prozent. Mederer befürchtet, dass das Stimmungstief auch auf die Bezirkstagswahl durchschlagen wird. 2013 erzielten die Christsozialen 44,3 Prozent in Oberbayern und eroberten alle 30 Direktmandate. Mederer konnte mehr als 285 000 Stimmen auf sich vereinen. Mit einem ähnlichen Erfolg rechnet der amtierende Bezirkstagspräsident diesmal nicht. Die Erfahrung zeige, dass die Bandbreite der Parteien so groß wie bei der Landtagswahl sei. Mederer sagt: "Aber noch ist nicht aller Tage Abend."

© SZ vom 11.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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