Bergkirchen:Selbstironie

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Heiter hintergründig: die Sportlerbühne Bergkirchen. (Foto: oh)

Die Sportlerbühne über menschliche Schwächen

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Tulpen können manchmal ein seltsames Eigenleben entwickeln, zumal wenn sie aus Amsterdam kommen. Nun war zu Zeiten, als Mieke Telkamp mit ihrem Hit über das Zwiebelgewächs die deutschen Schlagerparaden stürmte, die niederländische Szenestadt noch nicht die heimliche Hauptstadt der Coffeeshops. Die schenken bekanntlich nicht in erster Linie Kaffee aus, sondern haben ein ganz spezielles Gras im Angebot. Was passieren kann, wenn der vom Kampfhund verfolgte und entsprechend echauffierte Postbote Egon Eilmeier (Martin Stelzer) die Empfänger zweier Päckchen aus Holland verwechselt, zeigt die Sportlerbühne Bergkirchen gerade in "Tulpen aus Amsterdam", einer "unmoralischen Komödie". Im Gegensatz zu den zahlreichen Theaterbühnen mit bairisch-bäuerlichem Einschlag hat Martin Stelzer aus Bergkirchen auch dieses Stück eigens für seine Gemeinde geschrieben.

Nun liegt die Definition von Moral gelegentlich im Auge des Betrachters. Auf dem Schauplatz des Geschehens, in einem "ehrenwerten Haus", legen die Bewohner zweier, nur durch eine dünne Wand getrennter Wohnungen, sie sehr eigenwillig aus. In der Senioren-WG fügt sich die resolute, aber total tolerante Gitta Wimpflinger (umwerfend in Kittelschürze und wild geblümtem Kleid: Christl Zacherl) den militaristischen Macken von Major a.D. Feodor Finkenblitzt (ideal besetzt mit Franz Blatt, der zusammen mit Martin Stelzer auch Regie führt). Die mütterliche Gitta sorgt für Behaglichkeit im trauten Heim und lässt sich auch von der überkandidelten Wendelina Morales (mal Möchtegern-Lady, mal echte Bissgurkn, aber fast immer die Moralkeule schwingend: Brigitte Beisel) nicht aus der Ruhe bringen. Während die Best Ager also ihren bürgerlichen Lebensstil pflegen und den Balkon mit Tulpen verschönern wollen, gibt es beim flippigen Pärchen Gisbert Graser und Heidi Flegerl (super: Thomas Reischl und Therese Kolberg) zum Frühstück die eine oder andere Flasche Bier, reichlich Chips und Chaos allerorten. Auf dem Balkon des sehr unkonventionellen Duos soll es ebenfalls wachsen und gedeihen; geplant ist eine Haschplantage in Konservendosen.

Die Ereignisse nehmen ihren längst nicht immer vorhersehbaren Gang: Die spießige Rentner-WG mutiert nach dem Genuss eines seltsamen Tees, den Gitta aus dem merkwürdigen Gewächs auf ihrem Balkon gebraut hat, zum Trio infernale; wilde, jedoch nur zart angedeutete Orgien inklusive. Die Hasch-Freunde können ihre Tulpenpracht nicht wirklich genießen, sie lassen nichts unversucht, um an den Stoff ihrer Begierde zu gelangen. Da sind Turbulenzen jeglicher Art vorprogrammiert, in denen nur Gittas Enkel Basti (fast immer Herr des Geschehens: Tobi Hörmann), den Überblick bewahrt und der Zuschauer sich königlich amüsiert, weil er das Geschehen in beiden Wohnungen parallel verfolgen kann. Bis sich die Haschwolken verzogen haben, lernen auch Wachtmeister Heinrich Grünjack (Thommy Blatt) und der nach Almosen gierende Mönch Bonifaz (Roland Knauschner) die besondere Wirkung eines mit dem speziellen Kraut verfeinerten Tees und entsprechender Plätzchen kennen. Und die Moral von der Geschicht'? Es erleichtert das Zusammenleben ungemein, wenn man die eigenen Schwächen kennt, über sie und über die Eigenheiten seiner Mitmenschen lachen kann.

Weitere Vorstellungen: Samstag, 17. Oktober, Freitag, 23. Oktober, Samstag, 24. Oktober, in der Maisachhalle Bergkirchen. Beginn jeweils 20 Uhr.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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