Bergkirchen:Pädagogischer Wahnsinn

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Kabarettistin Christine Eixenberger über ihren Beruf einer Grundschullehrerin, Helikoptereltern und Lehrpläne

Von Sonja Siegmund, Bergkirchen

Die Doppelstunde mit Christine Eixenberger ist ein starkes Plädoyer für Kabarettkunde an Schulen. Dann könnten Schüler wie Lehrer schlagartig Abstand gewinnen zu weltfremden Ministerialbeamten und Helikoptereltern im Überwachungsmodus, weil Lachen bekanntlich enorm heilsam ist. Und mancher Burn-out-Fall unter Pädagogen wäre hinfällig. Christine Eixenberger wäre auf jeden Fall für dieses Fach eine ausgezeichnete Lehrerin. Mit ihrem zweiten Soloprogramm "Lernbelästigung" nahm sich die junge, temperamentvolle Kabarettistin in der vollbesetzten Aula der Grundschule Bergkirchen das Thema Schule vor; zur Freude der zahlreich anwesenden Lehrer und Rektoren aus dem Landkreis.

Als Einstieg in die Doppelstunde durfte der Harald aus der zweiten Reihe ein "Heimatgedicht" vortragen, wofür er von Frau Lehrerin Eixenberger mit einem Fleiß-Sticker belohnt wurde. Die gebürtige Miesbacherin kann im Wortsinn "aus der Schule plaudern": Nach drei Semestern Jurastudium stieg sie auf Grundschullehrerin um. Ihre Zulassungsarbeit schrieb sie über "Dialekt im Unterricht" - nun punktet sie mit viel Bairisch und ihrem trockenem Humor.

Das Staatsexamen war geschafft, dafür musste die junge Referendarin nun "als Teamchefin vor 23 Rotzlöffeln bestehen, die mit einem Bein noch im Sandkasten, mit dem anderen schon in der Pubertät stecken". Sie muss sich durch den Bildungsdschungel aus Bologneser "Reform-Spaghetti" und "Pisa-Studien-Baatz" kämpfen und mit "Headhunters" streiten, die in der Grundschule nach Humankapital forschen. Und in der vierten Klasse fordern Eltern den Übertritt ans Gymnasium, das Ministerium aber plädiert für entspannte Gruppendynamik.

Überhaupt sei früher zumindest einfacher gewesen, stellt die Kabarettistin augenzwinkernd fest: Wenn zum Beispiel ein Drittklässler "mit offenen Schuahbandeln" über den Pausenhof gestolpert ist, hat man gleich gewusst: "Aha, a Depp". Heute sei der Bua womöglich hochbegabt, könne fließend Mandarin sprechen und virtuos Geige spielen - nur die Augen-Hand-Koordination sei halt noch nicht voll entwickelt. Lehrkräfte könnten neuerdings Genie und Verhaltensauffälligkeiten kaum noch unterscheiden.

Neben dem Lehren und Lernen wird bei Frau Eixenberger auch gerne gesungen: In ihren Liedern unterhält sie ihre Gäste mit dem Lehrer-Einmaleins. Aus der Nationalhymne wird ein kindgerechter Bayern-Rap. Von dem früher beliebten Pausenspiel "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann" sei man indes aus sozialpädagogischen Gründen abgerückt. Insbesondere im Sexualkundeunterricht sei Einfallsreichtum gefragt, gingen doch die Brunftrituale schon auf dem Schulhof los.

Eixenberger hat ihre Bühnenfiguren genau differenziert - ob das der ewig grantelnde Schulbusfahrer Sepp ist, der stramme Soldat, der bereits in der Grundschule um Nachwuchs für die Truppe wirbt oder ein gestresster Vater, der nur kurz vor dem Abendessen seine Erziehungsverantwortung wahrnimmt. Die Kinder spielt die Kabarettistin mit Nachsicht - mit all ihren sozialen Besonderheiten. Schließlich können die Schrazen ja nichts dafür, wenn sich ihre Erzeuger für ihren Nachwuchs mehr erhoffen, als sie selbst in ihrem Leben je zustande gebracht haben. Ihre Lieblingsfiguren sind der kleine Basti aus der dritten Klasse, der in seine Lehrerin verliebt ist, und dessen Schulfreunde Marinus und Melissa. Bastis Eltern haben einen Biobauernhof und seine Pausenbrote könnten "jeden Vegetarier zum Speim bringen". So lustig verständnisvoll sie die lieben Kleinen zeichnet, so treffsicher nimmt sie ihren Berufsstand auf die Schippe.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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