Bergkirchen:Immer erreichbar

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Unternehmer diskutieren über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Als die Diskussion fürs Publikum eröffnet wird, hält es Johann Willibald nicht mehr auf seinem Stuhl. "Wir reden über tolle Arbeitszeitmodelle, aber die dauernde Verfügbarkeit per Handy und Laptop belastet die Mitarbeiter", schimpft der langjährige Betriebsrat und Karlsfelder CSU-Gemeinderat. Zeitarbeit verdränge Festanstellung, Mindestlohn führe in Altersarmut, Sonntagsarbeit nehme zu: Eine ganze Liste aktueller Missstände benennt Willibald, die ihm gefehlt haben in der Gesprächsrunde zu Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zu der die Kreisverbände Dachau und Fürstenfeldbruck der Christliche Sozialen Arbeitnehmerunion (CSA) in den Gasthof Groß nach Bergkirchen eingeladen hatten. Kind und Karriere? "Wenn beide einen stressigen Job haben, geht das nicht", zog der stellvertretende Fürstenfeldbrucker CSA-Vorstand Wilfried Strotmann eine ernüchternde Bilanz.

Das Stichwort "permanente Verfügbarkeit" brannte vielen Teilnehmern auf den Nägeln. Wie handhaben es die Gäste auf dem Podium? Beim Dachauer Unternehmen Thorlabs, das weltweit Zubehör für die Laserindustrie liefert, "müssen die Mitarbeiter nicht erreichbar sein", sagt Geschäftsführerin Dorothee Jennrich. Und Karl-Heinz Jansen, Geschäftsführer des Gröbenzeller Messtechnik-Herstellers Sykam sagt, in Fertigung wie Büro seines Unternehmens gebe es ein Handyverbot. Wenn ständig das Smartphone gecheckt werde, komme dafür die Bereitschaft "von den Leuten selbst." Die permanente Verfügbarkeit nennt Jansen ein "Statussymbol einer Führungsebene."

Dem CSA-Landesvorsitzenden Joachim Unterländer, der im Landtag dem Arbeitskreis Arbeit und Soziales vorsteht, fielen die vielen U-Bahn-Fahrgäste ein, die während der Fahrt ihr Mobilgerät nutzten. Einschätzungen, die hitzige Zwischenrufe der CSA-Mitglieder im Publikum provozierten. Aus dem beruflichen Alltag wurde berichtet, wie Chefs selbst bei Krankheit mit Anrufen nervten, wie Vorgesetzte auch nachts Rückmeldung erwarteten. "Mit Rahmenvereinbarungen müssen wir diese psychische Belastung in den Griff bekommen", fordert Franz-Josef Karchhammer, CSU-Ortsvorsitzender in Hilgertshausen.

Vor der engagierten Debatte hatte Moderator Nikolaus Lisson seine Gesprächspartner zu unterschiedlichsten Aspekten und auch persönlichen Erfahrungen befragt. Einen roten Faden vermissten viele Zuhörer. So erläuterte Dorothee Jennrich, deren Unternehmen Thorlabs von Frauen-, Arbeitnehmer- und Mittelstandsunion für besondere Familienfreundlichkeit ausgezeichnet wurde, die Arbeitszeitmodelle ihres Unternehmens. Karl-Heinz Jansen hingegen lobte aus seiner Erfahrung als Chef den traditionellen Familienverbund, der oft eine verlässliche Kinderbetreuung leiste - praktisch für Unternehmen.

Joachim Unterländer betonte, politische Rahmenbedingungen könnten im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nur bedingt helfen. "Es kommt auf das Klima in den Unternehmen an." Wo es aber gerade beim Thema Kind und Karriere schon gute Ansätze gebe, müsse sich angesichts des demografischen Wandels der Blick noch stärker auf die Belastungen von Familien durch die Pflege von Angehörigen richten, meint Unterländer. "Da müssen wir dieselben Instrumenten schaffen, wie bei den Kindern." Die CSA will dranbleiben. Die nächste Gesprächsrunde soll sich mit "Rente und Pflege" befassen.

© SZ vom 15.06.2016 / Pes - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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