Hoftheater Bergkirchen:Der Preis der Gerechtigkeit

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Graf Almaviva, gespielt von Ansgar Wilk, versucht, die Braut seines Kammerdieners Figaro, Susanne, ins Bett zu bekommen. (Foto: Toni Heigl)

Das Hoftheater Bergkirchen inszeniert "Der tollste Tag" als bissiges und amüsantes Intrigenstück.

Von Bärbel Schäfer, Bergkirchen

Der Witz ist die letzte Waffe der Wehrlosen. Der Kern des jüdischen Humors trifft auch auf Peter Turrinis Komödie "Der tollste Tag" zu, bis zu dem Moment, als Figaro droht, alles zu verlieren. Als ihm vor Gericht seine Scharfzüngigkeit nicht mehr weiterhilft und er zum wehrlosen Spielball der Macht wird, bleibt ihm nur noch die rohe Gewalt. Aus Wortwitz wird bitterer Ernst. Bis zu dieser unerwarteten Wendung ist die Komödie, die Peter Turrini frei nach Beaumarchais' populärem Stoff schrieb, ein rasantes Liebesgewirr voller Verwechslungen und Überraschungen. Schon Mozart diente das komplizierte Ränkespiel als Libretto für seine Oper "Le Nozze di Figaro".

Das Hoftheater Bergkirchen inszeniert "Der tollste Tag" als bissiges und amüsantes Intrigenstück, das Justiz, Gerechtigkeit, Korruption und den Zufall, in welche gesellschaftliche Schicht man hineingeboren wird, aufs Korn nimmt. Unter der Regie von Herbert Müller spielt das Ensemble mitreißend und spritzig, aber nie klamaukig. In der ursprünglichen Version des Theaterstückes, das Beaumarchais 1778, elf Jahre vor der französischen Revolution, schrieb, geht es um den korrupten und despotischen Adel, der sein Volk knechtet. Die Handlung kreist um den Gipfel aristokratischer Willkür, das alte Recht "jus primae noctis" des Grundherren, bei der Heirat seiner Untertanen die erste Nacht mit der Braut zu verbringen oder stattdessen einen Geldersatz zu verlangen. Der österreichische Dramatiker Peter Turrini entwickelte daraus 1972 eine witzige und wortgewaltige Komödie, die im Unterschied zur Urfassung am Ende eine brutale und realistischere Wendung nimmt.

Bazillus schmiedet immer neue, hinterhältige Ränke

Vom Herrenrecht der ersten Nacht möchte auch Graf Almaviva Gebrauch machen. Seine Frau interessiert ihn nicht mehr, dafür belästigt er ihre Zofe Susanne und plant, diese vor ihrer Hochzeit mit seinem Diener Figaro in sein Bett zu zwingen. Regisseur Herbert Müller holt aus dem aus heutiger Sicht verstaubten Stoff alles heraus, was Satire und Humor hergeben. Die Darsteller konzentrieren sich auf den Sprachwitz des Stückes, auf Charme oder Abgründigkeit der unterschiedlichen Charaktere und die überdrehte Leichtigkeit des Verwechslungsspiels. Ansgar Wilk ist ein überzeugender und sehr präsenter Graf Almaviva. Ein Dummkopf, der sein ganzes Machtpotenzial und seine ihm angeborene Willkür ausspielt. "Was kann man von der Dienerschaft auch anderes erwarten als Falschheit?", bellt er seine Untergebenen an. Ohne seinen Intriganten Bazillus (Heiner Müller) würde seine Bosheit allerdings verpuffen. Bazillus schmiedet in seiner köstlich überheblichen Arroganz für den Grafen immer neue, hinterhältige Ränke.

Guido Drell und Lisa Wittemer sind als Figaro und Susanne das Idealpaar. Der scharfzüngige Diener, dem die Frauenherzen zufliegen, und die sanfte Kammerzofe, der die Männer wie Freiwild nachstellen. Das agile Spiel Guido Drells trägt wesentlich zum Tempo der Komödie bei. Lisa Wittemer findet für ihre Zofe die richtige Mischung aus Demut und Frechheit. Um heiraten zu können, bedürfen Figaro und Susanne nicht nur der Zustimmung ihres Herrn, sondern müssen sich auch noch gegen Marcelline erwehren. Mit herrischem Anspruch reklamiert sie aufgrund eines Schuldscheines die Ehe mit dem halb so alten Figaro. Die Rolle der angriffslustigen Marcelline ist wunderbar besetzt mit Anna Katharina Fleck. Selbstbewusst schwenkt sie ihre Hüften mit dem breiten Rock, dessen horizontales Panier wie eine Waffe in die Bühne ragt. Christina Schäfer mimt die vernachlässigte und dem Intrigenspiel hilflos ausgesetzte Gräfin Almaviva mit Eleganz und Würde. Sie verbündet sich mit ihrer Zofe Susanne und schlüpft in deren Dienstbotenkleid, um den treulosen Gatten zurückzuerobern.

Das Stück nimmt eine brutale Wendung

Zum Gelingen des temporeichen Spiels tragen Tobias Zeitz als naiver und willfähriger Page Cherubin und Jürgen Füser als Bartholo bei, der Marcelline mit allen Tricks beisteht. Der Höhepunkt des Spiels ist die spannungsvolle Gerichtsszene. Ulrike Beckers, auch zuständig für Bühnenbild und Kostüme, trägt als resoluter Schreiber Zettelkopf zum Schwung und Humor der Szene bei. Günter Sommermann aus dem Publikum des Hoftheaters macht als korrupter Richter eine gute Figur. Die Darsteller spielen in Hochform und es wird in den wunderbaren Dialogen klar, dass das Recht nicht für alle gilt, schon gar nicht für die Armen. Erstklassige Gerechtigkeit hat ihren Preis: Intrigantensteuer, Rechtsbeugungstaxe, Verdrehungs- und Verschleierungszulage plus anteiliger Gewissensschwund. Dem Grafen steht von Geburt an das Recht zu und Figaro ist trotz schlagender Argumente chancenlos.

Bei Beaumarchais geht das Stück gut aus, denn es stellt sich heraus, dass Figaro der lang vermisste Sohn Marcellines und Bartholos ist. Figaros Witz besiegt die Allmacht des Grafen und er kann Susanne doch noch heiraten. Dieses Happy End findet bei Turrini nicht statt. Das Theaterstück nimmt eine brutale Wendung, Figaro ermordet den Grafen, die Gräfin findet ihn tot im Garten und lamentiert langatmig. Bewusst kippt die bis dahin mitreißende, überdrehte Stimmung in die Realität. Figaro flieht mit Susanne. Ob er sie heiratet, bleibt offen.

© SZ vom 21.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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