Benefizkonzert mit  A-cappella-Band:Die gemeinsame Freude

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Viva Voce und die Wiege feiern auf einem gemeinsamen Konzert in Odelzhausen den 50. Geburtstag der Einrichtung. Das Publikum singt und klatscht mit den Künstlern - und alle setzen ein Zeichen für ein selbstverständliches Miteinander

Von Katharina Machmer, Odelzhausen

Die Fotos, die in der geräumigen Mehrzweckhalle an der Dietenhausener Straße ausgestellt sind, zeigen Kinder. Mal lachen sie, mal sehen sie nachdenklich oder etwas entrückt aus, aber eine Gemeinsamkeit erkennt man deutlich: Sie sind alle zufrieden. Diese Kinder leben in der "Wiege", einem heilpädagogischen Heim in Odelzhausen für derzeit 38 Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung vom Säuglingsalter bis zum 20. Lebensjahr, dem Ende der Schulpflicht. Sie brauchen genau wie die älteren Bewohner der Wiege intensive Betreuung, um sich entwickeln zu können, sowohl in medizinischer als auch in pädagogischer Hinsicht. Vor allem aber setzt die Einrichtung ihren Schwerpunkt "auf die Entfaltung eines jeden jungen Menschen und auf liebevolle Versorgung", wie Regina Burkhardt sagt, die seit 15 Jahren als Heilpädagogin und Erziehungsleitung in der Wiege arbeitet. "Jedes Kind ist anders, aber immer ist ein Fortschritt und ein stetiger Prozess in der Entwicklung zu beobachten."

Regina Burkhardt ist am Freitagabend wie viele andere in die zu einem Konzertsaal umfunktionierte Turnhalle der Grund-,Mittel-und Realschule Odelzhausen gekommen, um den Klängen der A-cappella-Band Viva Voce mit gecoverten und selbstgeschriebenen Songs ihres Programms "Ego" zum 50. Jubiläum der Wiege zuzuhören. Es sind Eltern und Großeltern anwesend, Kinder und auch Mitarbeiter der freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde, die die Einrichtung bereits finanziell unterstützt haben. Von den Eintrittsgebühren für das Benefizkonzert geht ein Teil an die Band, der Rest als Spende an das Heim; die Organisation muss nicht bezahlt werden, sondern wird ehrenamtlich von Mitarbeitern der Wiege erledigt. Allerdings sind solche Spenden für die Einrichtung nicht lebensnotwendig, sagt Burkhardt, sondern "Luxus".

Mit dem Geld können Kinder homöopathisch behandelt werden und beispielsweise eine Reit- oder Musiktherapie wahrnehmen; "auch in unsere Gartengestaltung fließen Spendengelder ein", so Burkhardt. All das bedeutet Lebensqualität für die Kinder, und sie ist wichtig. Deshalb sind auch Bewohner der Wiege an diesem Abend Teil des Publikums, sie haben eigene Rollstuhlplätze und sitzen neben ihren Betreuern, ganz nah. Wenn ein Lied zu Ende geht, klatschen sie zusammen mit ihnen in die Hände. Obwohl die Behinderten manchmal plötzliche Schreie von sich geben, freuen sie sich, lachen hin und wieder begeistert auf. Dass sie mit nichtbehinderten Menschen ein Konzert besuchen, dient für Burkhardt dem Ziel, "auf unbeschwerte Weise Berührungsängste abzubauen". Außerdem soll das Konzert Außenstehende mit der Arbeit der Wiege vertraut machen.

Und das gelingt: Durch die zugleich erfrischend originelle, beeindruckende wie witzige und rührende Darbietung der Band, die auch Lieder über Gemeinschaft singt, fühlt man sich dem gesamten Publikum verbunden - man teilt sich denselben Raum, klatscht zusammen für die beliebten Sänger, johlt bei deren Tanzeinlagen und lacht, wenn die Musiker, die beeindruckende Unterhaltungskünste an den Tag legen, einen Witz zwischendurch reißen oder völlig unprofessionelle Dirigenten mimen. "Ich bin überwältigt, dass so viele Leute da sind und Interesse zeigen", freut sich Regina Burkhardt. Mit der Band, die sie persönlich kennt und deshalb eingeladen hat, teilt sie die Auffassung, "dass das Wichtigste an diesem Abend die gemeinsame Freude ist", dass es den Kindern der Wiege und allen anderen gefällt und man sich noch später an die Veranstaltung erinnern wird. Deshalb glaubt die Heilpädagogin, dass weitere Spenden die Wiege eher im Nachhinein erreichen werden, sofern das Konzert und die anderen Aktionen, die zum Jubiläum des Heims dieses Jahr bereits unternommen wurden, noch lange bei den Besuchern in Erinnerung bleiben - so wie es auch nach dem 40. Geburtstag gewesen ist. Bei diesem Abend gehe es ganz klar um die Symbolik, und nicht um die Summe des eingenommenen Geldes.

Auch im Hinblick auf die Zukunft zeigt sich Regina Burkhardt optimistisch. "Mit Sicherheit hat die Wiege Nachhaltigkeit", sagt sie. "Wir bauen gerade um, das heißt, es gibt in jedem Fall eine Zukunftsperspektive, und dann braucht der Bezirk Oberbayern uns auch als Einrichtung." Der Bezirk ist für Behinderte gesetzlich zuständig. Die Möglichkeit, dass behinderte Kinder später in einem inklusiven Schulneubau, der aus der jetzigen Grund- und Mittelschulen an der Dietenhausener Straße entstehen soll, unterrichtet werden können, hält sie ebenfalls für wahrscheinlich: "Wenn man das bei einem Schulneubau nicht anpackt, dann wüsste ich nicht, wann sonst die richtige Gelegenheit dazu wäre."

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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