Behörden widersprechen sich:Unklarheiten über "Reichsbürger"

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Landratsamt gibt Entwarnung. Dachaus Polizei indes ist besorgt

Von Wolfgang Eitler, Dachau

"Dann können wir beruhigt sein." Kreisrat Edgar Forster von den Freien Wählern Dachau hat wissen wollen, wie stark die so genannten Reichsbürger im Landkreis vertreten sind. Das Ergebnis des im Landratsamt dafür zuständigen Referenten Michael Holland lautet: "Zusammenfassend kann man sagen, dass es in der Verwaltungspraxis des Landratsamts bisher einen relevanten Fall gegeben hat, in welchem das Jugendamt involviert war." Insgesamt seien zehn Personen aktenkundig, bei denen der Verdacht bestehe, dass sie dieser politisch extremen Gruppierung angehören. Die spricht der Bundesrepublik Deutschland die völkerrechtliche Legitimität ab. Deswegen akzeptiert sie keine Entscheidungen der staatlichen Verwaltung und des Gesetzgebers und lehnt sie als irrelevant ab. Seit dem tödlichen Angriff auf einen Polizeibeamten ist sie in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Der Nimbus der harmlosen Sektierer hat sich als Trugschluss erwiesen.

Die Polizeiinspektion Dachau und auch der Bayerische Verfassungsschutz verfügen über Ermittlungsergebnisse über den Landkreis Dachau, die mit den Erkenntnissen des Landratsamts zumindest nicht übereinstimmen. Insofern gibt es begründete Zweifel, ob Edgar Forster sich tatsächlich so beruhigt fühlen darf, wie er vermutet. So hatte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) dem Bayerischen Landtag im Februar mitgeteilt, dass Dachau einer von vier regionalen Schwerpunkten der "Reichsbürger" in Bayern sei. Der Dachauer Polizeichef Thomas Rauscher sprach öffentlich von 24 sogenannten Reichsbürgern im ganzen Landkreis - plus "einer kleinen Dunkelziffer": "Wir finden, das sind zu viele." Alle 24 Reichsbürger wurden demnach als solche eindeutig identifiziert. Mindestens zwei der Personen hält der Polizeichef für gefährlich. Zwar sei von ihnen noch keine körperliche Gewalt ausgegangen, massive verbale Angriffe aber schon. Richter des Dachauer Amtsgerichts sind mit dem Tod oder schwerer Körperverletzung bedroht worden. Verfassungsschutzpräsident Burkhard Körner schätzt das Dachauer Land als "ein Zentrum der Bewegung" ein, die auch über Kontakte zur rechtsextremen Szene verfügen soll.

Auf diese in der SZ bereits veröffentlichten Informationen geht das Landratsamt in seiner schriftlich vorliegenden Stellungnahme für den Dachauer Kreistag nicht ausdrücklich ein. Insofern stellt sich die Frage, ob und wie die Landkreisverwaltung die Informationen von Polizei und Verfassungsschutz berücksichtigt hat. Michael Holland, Abteilungsleiter für Sicherheit und Ordnung, erklärt den Unterschied: "Ich habe nur den Kontakt von so genannten Reichsbürgern mit dem Landratsamt und den Gemeinden geklärt." Der Antrag der SPD habe sich ausschließlich auf die Erkenntnis der Verwaltung bezogen, nicht aber auf Ermittlungen von Polizei und Verfassungsschutz. Auf die Frage, ob er die Einschätzung von Kreisrat Forster teile, dass die Bürger beruhigt sein könnten, sagte Holland: "Ich denke schon."

Auf der Kreistagssitzung am vergangenen Freitag hatten einige Kreisräte Michael Hollands Bericht mit Zwischenrufen kommentiert und bezweifelten die Informationen von Polizei und Verfassungsschutz. "Dann stimmen die vielleicht nicht", hieß es.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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