Bedarfsermittlung:Nur eine Momentaufnahme

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Karlsfelder SPD findet mit ihrer Fragebogenaktion zum Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen keine Mehrheit. Die Skepsis der Gemeinderäte überwiegt

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Für die Gemeinde Karlsfeld ist die Kinderbetreuung jedes Jahr wieder eine Herausforderung. Meist gelingt es nur mit Müh und Not, die wachsende Schar an Kleinkindern in den Einrichtungen unterzubringen. Im vergangenen Jahr klagten die Eltern in der Bürgerversammlung laut, denn die Warteliste vor allem für den Hort war ziemlich lang. "Soll mein sechsjähriges Kind von September an etwa ohne Mittagessen nachmittags auf der Straße stehen?", fragte eine Mutter vorwurfsvoll. Bürgermeister Stefan Kolbe blieb nur übrig, die Eltern zu beschwichtigen und um Verständnis zu bitten. Die Gemeinde mache, was sie könne.

Langfristige Bedarfserhebungen fordert die SPD nun, um besser planen zu können und vor allem, um gegen derartige Zitterpartien oder gar Löchern in der Versorgung gefeit zu sein. "Die Eltern wissen doch schon sehr lange vorher, wann ihr Kind in die Schule gehen wird", erklärt Venera Sansone (SPD) im Finanzausschuss. Auch wie lange die Betreuungszeiten sein müssten, damit sie ihren Beruf ausüben können, ist für die meisten lange vorher klar. Mit einem Fragebogen könne man diese Daten erheben und so besser kalkulieren, so Sansone. "Das Ziel ist richtig", stimmt Vizebürgermeister Stefan Handl (CSU) zu. "Der Antrag sehr gut", loben auch Holger Linde (CSU) und Adrian Heim (Bündnis). "Die Infos wären Gold wert", meint Christian Bieberle (CSU). Ein solides Zahlenwerk, danach sehnen sich viele im Rat, das wird im Laufe der mehr als einstündigen Diskussion deutlich. Aber die Skepsis, ob der SPD-Antrag die Lösung dafür ist, überwiegt. Das Aber wird immer größer und die Hilflosigkeit der Entscheidungsträger tritt immer stärker zutage.

"Es heißt immer, Planung schafft Sicherheit", sagt Stefan Theil (CSU). "Aber das Leben ist zu dynamisch." Es klingt fast schon ein wenig resigniert. Ein Fragebogen wäre kein Problem, erklärt der Geschäftsleiter Francesco Cartaldo. "Es gibt Muster." Doch ein solcher könne nur eine "Momentaufnahme" abbilden, fürchten die Gemeinderäte. "Was ist, wenn die Eltern ihre Meinung ändern", will etwa Grundschulrektorin Ursula Weber (CSU) wissen. Sie habe es oft erlebt, dass Eltern sich für etwas aussprechen - und wenn die Sache ernst wird, einen Rückzieher machen. Ihrer Erfahrung nach wären die Informationen deshalb nicht verlässlich. Im übrigen bezweifelt sie, dass die Eltern schon bei der Geburt die Betreuungszeiten für die Beaufsichtigung ihrer Kinder in Krippe, Kindergarten und Hort angeben können.

Handl fürchtet, dass die Gemeinde durch eine derartige Abfrage womöglich Begehrlichkeiten bei den Eltern wecken könne. "Dann heißt es, wir haben schon vor Jahren gesagt, unser Kind braucht die und die Betreuung, warum geht das jetzt nicht? Das fällt uns am Ende wieder auf die Füße", gibt er zu bedenken. Im übrigen sei die Fluktuation in Karlsfeld so hoch, dass man nie ein "scharfes Ergebnis" wird bekommen können. Und wenn einige Eltern dann auch noch Maximalforderungen stellen, statt den tatsächlichen Bedarf anzugeben, womit zu rechnen sei, wäre die Fragebogenaktion am Ende ein "buntes Wünsch-Dir-was".

Adrian Heim hat Zweifel daran, ob Karlsfeld überhaupt diese Daten erheben dürfe, schließlich gebe es ja den Datenschutz. Im übrigen gibt er zu bedenken, dass das Ausfüllen der Fragebögen freiwillig sei, das werde sich auf den Rücklauf auswirken. 30 bis maximal 60 Prozent der Eltern werden die Fragen beantworten, schätzt Geschäftsleiter Cartaldo. Das mache das Ergebnis freilich sehr vage.

Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) hat Sorge, dass seine Verwaltung die Auswertung der Fragebögen nicht stemmen könne. Im vergangenen Jahr lebten 2300 Kinder im Alter von null bis zehn Jahren in Karlsfeld. Entsprechend viele Umfragen müssen verschickt und womöglich abgeglichen werden. Da wäre eine Mitarbeiterin drei oder gar vier Monate beschäftigt, so viel Kapazität habe das Rathaus aber nicht. Im übrigen mache es keinen Sinn, die gewünschten Öffnungszeiten abzufragen, ohne genügend Personal zu haben, mit dem man darauf reagieren könne. "Wir können lediglich eine Grundversorgung von 7 bis 17 Uhr anbieten", so Kolbe. Cataldo gibt zudem zu bedenken, dass die Gemeinde nicht schnell genug auf anderweitige Sonderwünsche reagieren könne. "Vielleicht können wir ja einen Förderanstoß machen", schlägt Holger Linde vor. In München gebe es schließlich auch private Einrichtungen, die von Elterninitiativen betrieben werden. "Wenn wir so eine bezuschussen, macht das die Öffnungszeiten vielleicht flexibler."

Angesichts der Befürchtung, dass eine Fragebogenaktion relativ oft gemacht werden müsse und doch kein besseres Ergebnis bringen werde, nur mehr Arbeit, was die Gemeinde Geld koste, lehnt die Mehrheit im Rat den SPD-Antrag ab. Sansone wünscht sich, das komplexe Thema öfter zu diskutieren.

© SZ vom 26.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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