Bauern diskutieren in Bergkirchen:Zwischen bio und billig

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Auf der Versammlung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft fällt die Kritik an Gesellschaft, Verband und Politik sehr deutlich aus

Von Renate Zauscher, Bergkirchen

In Deutschland wird demonstriert - und zwar mittlerweile nicht mehr nur von Verbrauchern, die sich eine andere Landwirtschaft wünschen, sondern von den Bauern selbst. Im Mittelpunkt der Demonstrationen steht die Frage, wie und unter welchen Rahmenbedingungen künftig auf deutschen Feldern Lebensmittel produziert werden sollen und welche Auswirkungen die jeweilige Produktionsweise auf die Umwelt, die menschliche Gesundheit und auch auf die Einkommenssituation der Bauern und ihr Ansehen in der Gesellschaft hat. Dieser Fragenkomplex stand auch im Mittelpunkt der Mitgliederversammlung, zu der die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) nach Oberbachern eingeladen hatte.

In Oberbachern wird über Produktionsweisen von Lebensmitteln auf deutschen Feldern, deren Auswirkungen auf Umwelt, Gesundheit und auf die Einkommenssituation der Bauern und ihr Ansehen diskutiert. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die rund sechzig Besucher, unter ihnen auch Vertreter von Verbänden und einzelner Parteien sowie der stellvertretende Landrat Helmut Zech, hatten sehr unterschiedliche Antworten auf die drängenden Fragen, die die Landwirte, wie die Gesellschaft insgesamt, derzeit mehr denn je bewegen.

Für Stephan Kreppold, Biobauer in Wilpersberg bei Aichach, der als Redner geladen war, ist die Sache klar: Die möglichst billige Produktion von Lebensmitteln sei ökologisch wie auch von ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz her "an ihre Grenzen gelangt". Ein "Bauern-Bashing", wie es die Organisatoren der großen Traktoren-Demos Mitte Januar, die neu gegründete Gruppierung "Land schafft Verbindung", postulieren, sehe er nicht, sagt Kreppold, wohl aber ein "System-Bashing": Dies gehe ganz deutlich aus Umfragen hervor, bei denen die Zustimmungswerte für den Bauern an sich gut seien, dort aber "steil nach unten gehen", wo nach Tierhaltung und Risiken der chemiebasierten Landnutzung gefragt werde. Die Schuld an dieser Entwicklung sieht Kreppold beim "Schweigen und Verharmlosen" der Politik, die den Bauern die agrarpolitischen Rahmenbedingungen vorgegeben habe - und nicht zuletzt bei ihrer Standesvertretung, dem Bauernverband, und seiner "in Personalunion funktionierenden Zusammenarbeit" mit CSU und CDU, die Veränderungen jahrzehntelang blockiert habe. Die Politik habe sich "im Schweigen und Verharmlosen der Risiken des agrarchemischen Einsatzes geübt", stehe jetzt aber dort, wo es etwa um die Frage massiver Überdüngung in manchen Regionen und der damit verbundenen Gefährdung von Grund- und Trinkwasser geht, unter massivem Druck. Mehr gesellschaftliche Akzeptanz der Landwirtschaft erwartet Kreppold nur dann, wenn die Landwirtschaft "Bereitschaft zu einer Systemkorrektur" zeige und tierverträgliche Aufstallungen sowie die Ungefährlichkeit ihrer Bewirtschaftungsmethoden nachweisen könne.

Bio-Bauer Stephan Kreppold. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Eine ähnliche Position wie Kreppold nimmt auch der bayerische AbL-Vorsitzende Josef Schmid ein, der zusammen mit Gertraut Angerpointner die Veranstaltung moderierte. Seiner Überzeugung nach finden Forderungen der Landwirte, die als Protest gegen Umweltauflagen verstanden werden, keine Unterstützung in der Gesellschaft. Erfolgversprechender sei es, "an die Ursachen zu gehen und eine weniger intensive Landwirtschaft zu fordern."

"Es geht nicht mehr so weiter wie bisher", sagt auch Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL, der ebenfalls nach Oberbachern gekommen war. Sorgen bereitet ihm nicht nur der Zustand des Planeten sondern auch das rasante Höfesterben in Deutschland: Im Jahr 2050 könnte es nur noch konventionelle und Bio-Fabriken mit gewaltigen Schweine- und Kuhbeständen geben - und der Verbraucher werde mehr und mehr zu "Kunstfleisch" greifen.

Während Bauern wie Stephan Kreppold veränderte politische Rahmenbedingungen, insbesondere ein geändertes Subventionssystem der EU fordern, das statt Flächenbesitz zusätzliche Leistung honoriert, sieht man die Dinge bei der Gruppierung "Land schafft Verbindung" etwas anders. "Wir sind nicht gegen Veränderung", erklärte deren Vertreter Andreas Bertele in Oberbachern, "wohl aber gegen Verbote". Für Bertele haben auch die riesigen Betriebe etwa im Osten Deutschlands ihre Berechtigung - im Gegensatz zur Haltung der AbL, die sich für den Erhalt bäuerlich geprägter Betriebe einsetzt.

Viele andere Redebeiträge zeigten, wie hoch das Maß an Frustration bei vielen Bauern ist. Über das Ausbleiben praktischer Ergebnisse des Volksbegehrens zum Artenschutz und des damit verbundenen Schwenks in der bayerischen Agrarpolitik klagte eine Bäuerin, eine andere über unüberwindbare bürokratische Hürden beim Versuch, anders zu wirtschaften und entsprechende Fördergelder zu erhalten.

In der Kritik standen auch der Bauernverband und dessen Festhalten an flächenbasierten Direktzahlungen an die Landwirte. Anton Kreitmair, der oberbayerische Bezirkspräsident des BBV, musste sich hierzu wütende Kommentare eines Bauern aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck anhören. Kritik aber wurde schließlich auch an der Gesellschaft insgesamt geübt, an deren geringer Bereitschaft, für nachhaltig, ökologisch erzeugte Lebensmittel angemessen zu bezahlen, an Ressourcenverschwendung und der Gier nach immer noch mehr Wachstum. Es gehe auch anders, erklärte ein junger Bauer: "Ich kann von meinen dreißig Kühen gut leben, 25 wären auch genug - ich muss nicht alles haben.

© SZ vom 01.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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