Bauen in Dachau:Nachverdichtung mit Maß

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Dachau sucht nach verträglichen Möglichkeiten, die Bauentwicklung in der Stadt zu steuern. (Foto: Toni Heigl)

Innerstädtische Baulücken zu schließen, ist grundsätzlich eine gute Sache, weil mehr Wohnraum entsteht. Doch die Stadt Dachau will jetzt lenkend eingreifen, denn nicht jeder Garten soll unter Kies und Beton verschwinden

Von Petra Schafflik, Dachau

Wer mit offenen Augen durch die Stadt spaziert, hat es längst bemerkt: In vielen Wohngebieten stehen Kräne und Baugerüste, weil bisher leer stehende Grundstücke jetzt bebaut werden. Oder aber alte Einfamilienhäuser werden abgerissen, um einem Dreispänner oder einem Mehrfamilienhaus mit Etagenwohnungen Platz zu machen. Diese Nachverdichtung, die Schaffung von neuem Wohnraum auf innerstädtischen Flächen, lässt sich auch statistisch nachvollziehen. Allein in den vergangenen zehn Jahren, das hat eine aktualisierte Analyse der sogenannten Potenzialflächen ergeben, wurden 235 Baulücken in der Stadt bebaut. Und, das war bei der Präsentation der Daten im Bauausschuss des Stadtrats zu erfahren, auch 149 bisher gering bebaute Grundstücke werden inzwischen intensiver genutzt. Jetzt aber wollen die Stadträte bei dieser Entwicklung die Bremse anziehen. Denn mit dem Run auf den Dachauer Wohnungsmarkt steigt der Druck zur Nachverdichtung. Mehr und mehr ehedem großzügige Gärten verschwinden unter Mauerwerk, Kies und Beton. Um den Trend stärker zu steuern, sollen künftig auch Grünflächen auf Privatgrund besser geschützt werden. Nicht überall soll jeder nutzbare Quadratmeter überbaut werden. "Wir brauchen ein gesamtstädtisches Konzept", erklärte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) im Bauausschuss. Die Verwaltung wird den Stadträten Optionen zur Regulierung vorstellen, wie etwa eine Vorgartensatzung oder Milieuschutzgebiete. Ziel ist, das haben die Stadträte mehrheitlich entschieden, eine maßvolle Nachverdichtung, die öffentliche wie private Freiräume berücksichtigt.

Um die Bauentwicklung in der Stadt zu steuern, wurde schon 2009 ein Kataster von Baulücken und nur gering bebauten Arealen angelegt, das nun aktualisiert wurde. Ursprüngliches Ziel der Potenzialanalyse war ein Flächenmanagement, um Baulücken zu schließen, erinnerte Günter Heinritz (SPD). Doch eine Lenkung ist offenbar nur schwer möglich. Wegen strikter Vorschriften, steigender Baupreise und fehlender Handwerker, so hat es der OB in persönlichen Gesprächen erfahren, sagten sich Grundeigentümer, "das tue ich mir nicht mehr an." Die jetzt dokumentierte Entwicklung ist daher ungesteuert verlaufen, wie Bauamtsleiter Moritz Reinhold auf Nachfrage erklärte. Doch auch ohne lenkende Einwirkung sind seit 2009 in Dachau auf Flächen mit aktivierbarem Baurecht 1157 Wohnungen neu entstanden. Dabei sind Dachgeschossausbauten nicht berücksichtigt. Und angesichts des starken Zuzugs ist ein Ende nicht absehbar. "Dieser Trend geht weiter", so Bauamtsleiter Reinhold.

Grundsätzlich ist Nachverdichtung erfreulich, weil Wohnungen entstehen auf Flächen, die bereits erschlossen sind. Viel weniger Fläche wird versiegelt als bei einem Neubaugebiet auf der grünen Wiese. Doch es gibt auch negative Beispiele. Ein Anwesen in der Herzog-Albrecht-Straße wurde im Ausschuss angesprochen, wo auf einem ehemaligen Gartengrundstück nun zwei Doppelhäuser stehen, jegliches Grün fehlt. Daher, so Sabine Müller-Herbers vom beauftragten Fachbüro Baader-Konzept, gelte es, Schwerpunkte zu setzen für die innerstädtische Bauentwicklung und zur Sicherung von Grünflächen. Ziel sei eine "Balance zwischen Wohnungsdruck und gesunder Lebensqualität in der Stadt", erklärte CSU-Sprecherin Gertrud Schmidt-Podolsky. Nur wie? Wenn ein Grundstück noch Baureserven aufweist, muss ein Neu- oder Anbau im Rahmen des Baugesetzes gebilligt werden. Der relevante Paragraf 34 für gewachsene Wohngebiete ohne Bebauungsplan "lässt unheimlich viel zu und ist kein Hilfsmittel, eine Versiegelung zu verhindern", erklärte Bauamtsleiter Reinhold. Wie also steuern, ohne die Grundeigentümer für entgangenes Baurecht entschädigen zu müssen?, fragte Schmidt-Podolsky. Zumal es Überlegungen der Staatsregierung gibt, die Nachverdichtung eher noch zu erleichtern.

Rechtliche Möglichkeiten will die Verwaltung eruieren. Denkbar wären neben einer großflächigen Überplanung alter Wohnviertel eine Vorgartensatzung, Milieuschutzgebiete oder eine Vorgabe zur Dachbegrünung. Die Entwicklung eines gesamtstädtischen Konzepts billigten die Stadträte mehrheitlich, eine Gegenstimme kam von August Haas (CSU), dem Liegenschaftsreferenten des Stadtrats.

© SZ vom 22.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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