Bauchredner Sebastian Reich:Glücksschwein und Rampensau

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Sebastian Reich flirtet mit der selbstbewussten Nilpferddame Amanda. (Foto: Toni Heigl)

Sebastian Reich und Amanda sind auf der Suche nach Erfüllung

Von Gregor Schiegl, Dachau

Jahrtausende haben sich Philosophen mit dem Glück beschäftigt und mit der Frage, wie man glücklich wird. Ohne durchschlagenden Erfolg: Jedes Jahr kommen Tonnen neuer Ratgeberliteratur zum Thema Glück auf den Markt. Es scheint, als wäre der sicherste Weg ins Unglück der, sich zu viel mit dem Glück zu beschäftigen. Das Glücksschwein Nic Pig ist das marzipangewordene Beispiel dafür: "Ich habe niemals jemandem Glück gebracht", singt Nic Pig mit nasaler Stimme in seinem zerrissenen Kokon aus Zellophanfolie: erst im Supermarktregal vergessen worden, bis das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen war, dann gestohlen worden (der Dieb wurde überfahren); schließlich als Verlegenheitsgeschenk von der VW-Dieselabteilung weitergereicht zum HSV und am Ende bei der Bayern-SPD gelandet. Nic Pig ist der tragikomische "Stargast" im Programm "Glückskeks" des gelernten Bäckers und Konditors und begnadeten Bauchredners Sebastian Reich. Aber es ist nur einer von mehreren Sidekicks.

Die Hauptrolle beim Auftritt in der rappelvollen Dachauer ASV-Halle hat Amanda. Die pausbäckige Nilpferddame im prolligen Jogginganzug ist der anarchische Gegenpol zum grundsoliden bürgerlichen Sebastian Reich. Sie sorgt für die Doppelbödigkeit der Show, indem sie die Illusion auf der Bühne mal torpediert ("Ich würde doch nie jemanden heiraten, der mit Puppen spielt."), mal unbotmäßig ausdehnt bis zur Toilette, wo sie sich nilpferddamenhaft erleichtert. Amanda ist ein großes Mädchen, selbstbewusst, kindisch und verspielt, sie flirtet gerne, vor allem mit Klaus aus der zweiten Reihe, auch wenn sie heimlich für Horst Seehofer schwärmt; ihr Lieblingswort ist "Spezifisch", geboren aus der Paarung von Colafisch und Fantafisch, und wenn Sebastian Reich ihr blöd kommt, sagt sie schon mal "Vorsicht, Schätzchen!"

Was Glück ist, lässt Sebastian Reich das Publikum selbst beantworten, indem er es Karten ausfüllen lässt, die er auf der Bühne vorliest: Für eine sind es ihre Pferde, für eine andere ihre beste Freundin, für den dritten, "wenn jemand die drei Punkte, die ich heute Morgen aus Flensburg bekommen habe, übernehmen würde". Und Glück ist es natürlich auch, wenn Reich einem Achtjährigen seinen Wunsch erfüllt, ein Selfie mit Amanda machen zu dürfen. Das ist herzerwärmende Unterhaltung für die ganze Familie, birgt aber auch die Gefahr, dass man im flachen Gewässer der Rührseligkeit strandet.

Doch das verhindert schon allein Amanda, die Glückskekssprüche doof findet ("Hat die Blume einen Knick, war der Schmetterling zu dick.") und die sich lieber hemmungslos im materialistischen Morast suhlt. Sie wünscht sich ein "Häändy", damit sie "Tippi-Tippi" machen kann auf "Fatzebook", so wie alle anderen. Später hätte sie auch noch gerne das passende Zubehör zum Handy, eine Freisprechanlage, mit Auto daran. Eltern heranwachsender Kinder dürften diese Vorstellungen vom Glück sehr bekannt vorkommen.

In der zweiten Hälfte wird die Vorstellung durch den Absturz eines spärlich bekleideten Greisen auf der Bühne unterbrochen. Ihm ist nichts passiert, beteuerte er, "allet jut". Er hat schon viele Paare glücklich gemacht. Dick und Doof zum Beispiel, die er zusammengeführt hat, oder Thomas Anders und Dieter Bohlen von "Modern Talking". Geplant war das nicht, aber das ist vielleicht das wahre Geheimnis des Glücks: Es tritt oft ganz anders in Erscheinung, als man es sich immer vorgestellt hat. Und so stellt auch Nic Pig zu guter Letzt fest, dass es seine Erfüllung wohl niemals als Glücksschwein finden wird, dafür umso mehr als singende Rampensau.

© SZ vom 08.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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