Autorin:Die Innenseiterin

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Wie vielseitig die Inspirationen der Dachauer Literaturpreisgewinnerin Heidi Lackner sind, kann man auch an ihrem Bücherschrank ablesen, wo sich Werke von T.C. Boyle ebenso finden wie J.R.R. Tolkiens Fantasy-Klassiker "Der Herr der Ringe". (Foto: Niels P. Jørgensen)

Schon früh hat Heidi Lackner die Literatur als Refugium für sich entdeckt. Ermutigt durch eine Gruppe für kreatives Schreiben verfasste sie eine Kurzgeschichte, die prompt mit einen Preis ausgezeichnet wurde. Nun arbeitet sie an ihrem ersten Roman

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Sie mag die mit Wörtern gefüllten Seiten, vor allem aber mag sie die leeren. Eine weiße Seite vor sich zu haben, das ist für Heidi Lackner die schönste Herausforderung. In ihrem Alltag als Übersetzerin einer Anwaltskanzlei entsteht aus einer beschriebenen Seite mechanisch die nächste, doch wenn sie ihre eigenen Geschichten schreibt, findet die 42-jährige Dachauerin die Kreativität, die sie so lange vermisst hat. Im vergangenen Oktober gewann sie mit einer Kurzgeschichte den Grassauer Deichelbohrer, einen Literaturpreis für bislang unveröffentlichte Texte.

Nun, ein paar Wochen nach der Preisverleihung, sitzt Heidi Lackner in ihrem Wohnzimmer, hinter ihr ein riesiges Bücherregal. Ein bisschen sei das natürlich schon so, sagt sie, dass sie besonders gerne in dem Stil lese, in dem sie selbst schreibe. Mit diesem Gedanken kann man sich an den Buchrücken hinter ihr entlanghangeln, man sieht den Namen T.C. Boyle, die Saga "Herr der Ringe", die sie eigentlich jedes Jahr einmal liest. Fantasy reize sie, Fanfiction habe sie früher viel geschrieben, heute bewegen sich ihre Geschichten nah an der Realität. "Doch ich mag es, wenn ein übernatürliches Element darin ist", sagt sie und lächelt. Eine kleine Besonderheit, bei der der Leser nicht ganz sicher ist, ob dies nun wahr sein kann oder nicht.

Für Heidi Lackner ist Literatur etwas Soziales, immer geht es um Interaktion. Als sie damals in ihrer Heimatstadt Karlsruhe zur Schule ging, gab es diese Gruppe; sie waren drei Mädchen der Oberstufe, alle ein wenig in der Außenseiterrolle, das fügt sie heute mit einem Lächeln an. Und während andere sich vielleicht mal ein paar Zettelchen im Unterricht zuschoben, waren es bei ihnen ganze Seiten: Kurzgeschichten, die sie wechselseitig lasen und rezensierten. Das war das erste Mal, dass das Schreiben zu einem Ort wurde, an den sich Heidi Lackner flüchten konnte, oder aber viel mehr zu einem, der sie stärkte und ihr neues Selbstbewusstsein gab.

Viele Jahre später sollte das Schreiben genau das erneut schaffen. Mit ihrem Beruf hatte sie das Schreiben aufgegeben, auch das ihres Tagebuchs. "Da war einfach viel anderes", blickt sie zurück. Vor rund sieben Jahren begann sie jedoch, das kreative Schreiben zunehmend zu vermissen. Ihr Freund war erkrankt, die beiden waren erst vor Kurzem nach Dachau gezogen. Sie brauchte einen Ausgleich und fand ihn in den Geschichten. "Am Anfang habe ich mit dem Schreiben sehr viel verarbeitet", sagt Heidi Lackner. Ob sie denn immer über Persönliches schreibe? Nicht immer, manchmal habe das Thema ganz wenig mit ihr zu tun, aber Persönliches steckt trotzdem immer in den Texten.

So auch in der Kurzgeschichte, mit der sie den Literaturpreis in Grassau gewinnen konnte. Diese handelt von einem Mann, der Bücher restauriert. Heidi Lackner hatte einen Zeitungsartikel über einen Restaurator alter Bücher gelesen, hatte ihn irgendwo abgelegt, obwohl sie sonst selten Dinge aufhebt, sondern lieber regelmäßig aussortiert. Diesen Artikel fand sie zufällig wieder, als sie nach einem Thema für den Schreibwettbewerb suchte, und strickte darum ihre Geschichte.

An einem Schreibwettbewerb teilzunehmen, auf den Gedanken wäre sie selbst gar nicht gekommen, sagt Lackner. Aber es ist ein bisschen so, wie es damals in der Schule war - wieder gab es eine Gruppe, in der wechselseitig Texte gelesen und rezensiert wurden. Als Heidi Lackner das Schreiben wieder aufnahm, besuchte sie mehrere Workshops, sie wollte alles lernen. Ein bisschen fehlte ihr alleine der Mut, so wurde sie Teil einer Schreibgruppe. Dass sie hier regelmäßig Texte vorbereiten und vorstellen sollte, war ein Antrieb, der ihr half, zurück zum Schreiben zu finden. Denn die Worte fließen für sie leichter, wenn sie sich an einem geregelten Ablauf orientiert, sich feste Zeiten zum Schreiben einplant.

Den Anstoß dazu, an dem Wettbewerb teilzunehmen, gab ihre Gruppenleiterin, und den Anstoß zu einem anderen Projekt auch. Es war immer Heidi Lackners Wunsch gewesen, einen eigenen Roman zu schreiben, also begann sie ein paar Mal, hörte wieder auf. Doch als sie vor rund drei Jahren eine Kurzgeschichte in der Schreibgruppe vorlas, motivierte man sie dort, daraus doch ein Buch zu machen. Seitdem schreibt Heidi Lackner an diesem Buch, oft am Abend, nach der Arbeit, am liebsten aber am Wochenende. "Ein Großteil ist bereits geschafft, ich hoffe, dass ich es 2020 fertigstellen kann."

Leichter fällt Heidi Lackner das Schreiben an ihrem Roman, seitdem sie weiß, wie die Geschichte enden soll. Ob ihr Buch verlegt wird, weiß sie nicht, noch will sie aber auch nicht bei Verlagen anklopfen, sondern es erst mal fertig schreiben. Das Schöne daran, Geschichten zu verfassen, seien vor allem auch die Gedanken und Anstöße der Leser, die zurückkommen, deswegen gefällt es ihr so gut in der Schreibgruppe, macht sie gerne Lesungen, deswegen wäre es ihr wichtig, dass ihr Buch auch von Menschen gelesen wird. Doch fragt man Heidi Lackner, ob es denn immer ein Happy End geben müsse, schüttelt sie den Kopf. Am liebsten mag sie es, wenn ein Ende offen bleibt. So weiß man, dass es weitergeht.

© SZ vom 04.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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