Auszubildende verzweifelt gesucht:Lieber ein Studium

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Viele Unternehmen im Landkreis tun sich schwer, ihre Lehrstellen zu besetzen. Junge Leute ziehen einen akademischen Abschluss einem Ausbildungsplatz vor. IHK und Handwerk werben für die berufliche Bildung

Von Jana Rick, Dachau

Der Trend geht zum Studium. Immer weniger Schulabgänger entscheiden sich für eine Ausbildung. Das zeigt nun auch die Statistik der Industrie- und Handelskammer (IHK). Diese verzeichnete im Jahr 2017 insgesamt 258 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge im Landkreis, ein Minus von zehn Prozent gegenüber 2016. Auch wenn dies trotzdem der zweithöchste Wert seit dem Jahr 2000 ist, der in Dachau registriert wurde, liegt das Problem der mangelnden Ausbildungsverträge schon lange auf der Hand. 80 Lehrstellen blieben im Landkreis mangels Bewerber unbesetzt, das sind fast 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Auf bayerischer Ebene ist Dachau damit eine Ausnahme. Der Landkreis hat den größten Rückgang in Oberbayern, das insgesamt ein kleines Plus von 0,6 Prozent verzeichnete.

"Die Betriebe im Landkreis kämpfen weiterhin um jeden einzelnen Azubi", klagt auch Peter Fink, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Dachau. Ein Hauptgrund für den akuten Lehrlingsmangel ist für ihn der gesellschaftliche Wandel, der eine sogenannte Akademisierung mit sich bringt. Die Universitäten ziehen immer mehr junge Menschen an, die der Meinung sind, mit einem akademischen Abschluss eine bessere Zukunft vor sich zu haben. Eine große Rolle würden hier auch die Eltern spielen, die ihre Kinder auf das Gymnasium "zwingen" und eine Ausbildung als minderwertig sehen, so Fink.

Orathai Jainim (links) und Jessica Schuller lernen das Handwerk des Konditors. (Foto: Toni Heigl)

Ein weiteres Problem sei außerdem, dass junge Leute viele Berufsbilder gar nicht mehr kennen. Der Alltag eines Schreiners oder Glasers sei für viele unbekannt. Um dies zu ändern, appelliert Fink auch an die Schulen, bereits im Grundschulalter verschiedene Berufsbilder zu vermitteln, "nicht erst kurz vor Schluss".

Ein moderner Weg, die Jugendlichen direkt anzusprechen und ihnen die Vorteile einer Ausbildung nahezulegen, ist die App "Bildungsnavi", die vom Arbeitskreis Schule/Wirtschaft entwickelt wurde. Die regionale App bietet nicht nur einen Berufsfindungstest, sondern auch die Möglichkeit, im Umkreis des Wohnortes nach einem passenden Ausbildungsplatz zu suchen. Denn ein weiterer Grund für den Rückgang an Azubis im Landkreis ist laut Fink auch die schnelle Anbindung an München. Viele Jugendliche zieht es zu Ausbildungsbetrieben in die Stadt. Doch Fink betont, dass der Arbeitsplatz am Wohnort viele Vorteile mit sich bringe. Er wirbt für lokale Ausbildungsstellen, denn "Fahrzeit ist Freizeit, die fehlt".

Die IHK empfiehlt Schulabgängern, sich rechtzeitig über das Angebot im Landkreis zu informieren. Zum Beispiel bei der Jobmesse Dachau, die dieses Jahr am 21. April stattfinden wird. 372 Berufsbilder wurden 2017 im Landkreis angeboten, in insgesamt 256 Ausbildungsbetrieben. "Unser Azubimarkt ist groß. Und man wird in jedem Berufsbild gefördert", sagt Fink. Auch die Betriebe sollen attraktiver werden und für sich werben. "Zum Beispiel die Fahrkosten der Auszubildenden übernehmen", schlägt Fink vor.

Jonas Meir lässt sich zum Schreiner ausbilden. (Foto: Toni Heigl)

Auch Ulrich Dachs, Obermeister der Schreinerinnung Dachau, kennt das Problem, Bewerber für eine Ausbildung im Handwerk zu finden. Dabei hat diese für ihn einen besonders großen Wert: "Das Handwerk hat goldenen Boden. Man hat einen sicheren Arbeitsplatz", sagt der Obermeister. "Und man lernt stetig weiter." IHK-Vorsitzender Fink ergänzt: "Die Berufsbildung ist eine der wichtigsten Grundpfeiler unserer wirtschaftlichen Stärke." Um dem Trend der Akademisierung entgegenzuwirken, initiierten die IHK und die Schreinerinnung gemeinsam die Kampagne "Elternstolz". Diese klärt die Jugendlichen nicht nur über die Bandbreite der Berufsbilder auf, sondern hat auch das Ziel, die Eltern zu erreichen. Die Kampagne möchte zeigen, dass auch eine Ausbildung ein Sprungbrett für die Karriere sein kann. "Die Eltern sollten lernen, die Talente ihrer Kinder richtig einzuschätzen und sie bei ihrem Weg unterstützen. Auch wenn dieser Weg nicht zwingend ein Studium bedeutet. Sie sollten immer stolz auf ihre Kinder sein", erklärt Ulrich Dachs. Slogans auf Plakaten und im Radio wie "Meine Tochter verdient jetzt ihr eigenes Geld und meinen Respekt" sollen die Einstellung der Gesellschaft verändern.

Um die offenen Lehrstellen zu besetzen, wird schon seit mehreren Jahren auch um junge Flüchtlinge geworben. Zehn Prozent der 258 neuen Azubis im Jahr 2017 waren Jugendliche aus unsicheren Herkunftsländern. In speziellen Berufsschulklassen werden sie auf die Ausbildung vorbereitet und mit der deutschen Arbeitskultur vertraut gemacht. Natürlich hindert auch die Sprache viele Ausländer daran, in einem deutschen Betrieb arbeiten zu können. Doch für Fink gehört vor allem großes Engagement zur sogenannten Ausbildungsfähigkeit dazu. Und diese haben alle jungen Menschen. "Der Azubimarkt ist für alle da", betont er.

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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