Auszeichnung:Meisterin eines alten Kunsthandwerks

Lesezeit: 3 min

Die Dachauer Goldschmiedin Gesa Jörg hat mit einer Schmuckkette, die die Heilige Agnes ziert, den ersten Preis bei einer internationalen Ausstellung der Emailleure in den Niederlanden gewonnen

Von Julia Putzger, Dachau

Emailletöpfe, Emailletassen, Emailleschüsseln - im Haushalt erfreut sich der vielseitige Werkstoff großer Beliebtheit. Weniger bekannt ist seine Verarbeitung in wertvollen Kunstschmiedearbeiten. Gesa Jörg ist eine der wenigen, die sich der Technik des Emaillierens noch annimmt und dabei farbenfrohe Schmuckstücke kreiert. Für ihr jüngstes Werk, eine Halskette mit dem Motiv der Heiligen Agnes, gewann die Dachauer Künstlerin sogar den ersten Preis bei der internationalen Ausstellung der Emailleure in Elburg in den Niederlanden.

Egal ob auf Schmuckschatullen, Zigarettenetuis, Trinkgefäßen oder für ganze Wandbilder: die Verwendung von Emaille, hauptsächlich aufgrund der Farbenvielfalt, war bereits den alten Ägyptern vor 3500 Jahren bekannt. Auch im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war Emaille sehr beliebt wie die prachtvollen Sammlungen August des Starken im Grünen Gewölbe in Dresden zeigen. In der barocken Schatzkammer des sächsischen Kurfürsten entdeckte schließlich auch Gesa Jörg ihre Leidenschaft für das vielfältige Material: "Erst dort habe ich begriffen, was man alles machen kann", erzählt sie.

Bei circa 850 Grad Celsius wird Emaille im Ofen gebrannt. Das Granulat, das dafür verwendet wird, gibt es in allen erdenklichen Farben. Für die Darstellung der Heiligen Agnes, vor welcher der Legende nach die Flammen zurückwichen, verwendete Gesa Jörg deshalb besonders feurige Farbtöne. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Je nach Technik kann man mit Emaille einzelne durchsichtige Flächen füllen, kleine Malereien schaffen, mit verschiedenen Schichten ein Bild erzeugen und viele weitere erstaunliche Wirkungen erzielen. Grundsätzlich wird dafür Emaille-Granulat auf einen Untergrund wie Stahl, Kupfer, Silber oder Gold aufgetragen und im Anschluss bei etwa 850 Grad Celsius gebrannt. "Das dauert ungefähr zwei bis drei Minuten", erklärt Jörg. "Man muss immer danebenstehen und kontrollieren. Das ist nicht wie bei einem Kuchen." Trotzdem sei die Arbeit mit Emaille oftmals ein Experiment, da etwa die Farben je nach Untergrund verschieden wirkten. Darum gilt stets: Ein Probebrand gibt Aufschluss, im Notfall können die gebrannten Schichten einfach abgeschliffen werden.

Viel ausprobiert hat die gebürtige Münchnerin auch für ihre preisgekrönte Heilige Agnes. Knapp zwei Monate - zwar nicht ununterbrochen, da sie auch immer wieder individuelle Auftragsarbeiten annimmt - sei sie mit Entwürfen, Bränden und Schmiedearbeiten beschäftigt gewesen. "Es ist dann ehrlich gesagt egal, wie lange man daran arbeitet. Man bekommt einen Tunnelblick, arbeitet von früh bis spät, man ist gefangen", erzählt Gesa Jörg vom Prozess. Als alles fertiggestellt war, trennte sie sich zwar nur widerwillig von ihrer Agnes, schickte sie aber schließlich doch per Post zur internationalen Ausstellung der Emailleure in die Niederlande. 20 Werke wurden eingereicht, zehn schafften es nach der Vorentscheidung in die zweite Runde; die Arbeit der Dachauer Künstlerin wurde letztlich prämiert.

Gesa Jörg kennen viele Dachauer als Sopranistin. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Doch warum eigentlich die Heilige Agnes? "Die Ausstellung fand in einem kleinen, der Agnes geweihten Kloster statt. Es war also Vorgabe für den Bewerb, eine solche zu fertigen", erklärt Jörg. Die Heilige Agnes gilt als Märtyrerin, die um 250 nach Christus in Rom lebte. Das Christentum war damals noch verboten, doch das hielt das junge Mädchen Agnes nicht davon ab, von Jesus Christus als ihrem Verlobten zu sprechen. Der Legende nach schützten ihre langen Locken und ein Engel sie vor einer Vergewaltigung, anschließend wurde sie jedoch zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Doch die Flammen wichen vor ihr zurück, weshalb man ihr schließlich ein Schwert in die Kehle stieß. Weil sie also wie ein Lamm, das auch den Opfertod Christi symbolisiert, getötet wurde, wird sie häufig mit einem solchen dargestellt. Doch Jörg entschied sich gegen diese klassische Charakterisierung. Sie habe stattdessen versucht, etwas anderes zu machen und die ganze Geschichte abzubilden.

Neben den zahlreichen Schätzen im Grünen Gewölbe, die sie zu ihrer Arbeit inspirierten, war es auch ein Wunsch ihrer Mutter, der Gesa Jörg zur Arbeit mit Emaille gebracht hat. "Meine Mutter sagte, sie möchte eine Eule. Daraufhin hab ich in den verstaubten Schubladen nach den alten Emaillefarben gesucht und begonnen, das auszuprobieren." Wie bei so vielem im Bereich des Kunstschmiedens sei auch hier "learning by doing" das vorherrschende Motto gewesen. Denn viele der zu Hochzeiten der Emaille bekannten Techniken seien durch die beiden Weltkriege in Vergessenheit geraten, die Emaille generell aus der Mode gekommen. "Das verstehe ich nicht: Wie kann etwas so Schönes aus der Mode kommen?", wundert sich Jörg über die Arbeiten der Kollegen, die Emaille nur in seltenen Fällen oder gar nicht verwenden.

Vielen ist der Name Gesa Jörg aus einer anderen Branche bekannt - denn Jörg ist nicht nur anerkannte Künstlerin der Akademie der Bildenden Künste München, sie ist auch als Sopranistin immer wieder auf der Bühne des Lyrischen Opernensembles Dachau zu sehen. Zwischen diesen beiden Tätigkeitsfeldern gibt es für Jörg keine Konkurrenz: "Ich brauche beides: Es ist wunderbar, seinen Körper beim Singen zu benutzen. Aber es ist auch schön, sich an die Werkbank zu setzen und etwas zu schaffen, das noch lange nach dem Tod von mir übrig bleibt."

© SZ vom 30.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: