Auszeichnung für Dirlenbach:"Es gibt noch sehr, sehr viel zu tun"

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Gerhard Dirlenbach engagiert sich seit mehr als 25 Jahren für die Belange von Behinderten und Senioren. Dafür wird er sogar ausgezeichnet. Im Landkreis sieht er im Bereich Barrierefreiheit noch großen Nachholbedarf

Interview von Tom Hackbarth, Vierkirchen

Seit mehr als 25 Jahren engagiert sich Gerhard Dirlenbach in verschiedenen Ehrenamtsbereichen des VdK-Kreisverbands Dachau. Darüber hinaus ist er stellvertretender Vorsitzender im Landkreisseniorenbeirat, als Senioren- und Behindertenbeauftragter der Gemeinde Vierkirchen und Berater für Barrierefreiheit aktiv. Aus diesen Gründen wurde er von Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer (CSU) nun mit dem "Ehrenamtsnachweis Bayern" ausgezeichnet. Wie Barrierefreiheit in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird und wie es im Landkreis Dachau voran geht, darüber spricht er im Interview.

SZ: Herr Dirlenbach, in der Laudatio zu Ihrer Preisverleihung hieß es, dass Sie sich dafür einsetzen, den Zusammenhang zwischen Barrierefreiheit und Inklusion deutlich zu machen. Worin genau besteht denn dieser Zusammenhang?

Gerhard Dirlenbach: Inklusion bedeutet, dass man bei den Bürgern bekannt macht, was Barrierefreiheit überhaupt bedeutet. Da geht es nicht nur darum, dass Menschen mit Behinderung über die Straße gehen können. Dazu gehören auch die selbständige Teilnahme und der barrierefreie Zugang zu Geschäften, Veranstaltungen oder zum Beispiel ohne Hindernisse eine Behörde zu erreichen. Mir ist sehr wichtig, dass man diese Probleme an die Öffentlichkeit trägt, sodass Leute, die durch die Stadt gehen, diese Probleme auch wahrnehmen und darauf Rücksicht nehmen.

Die Bayerische Sozialministerin Kerstin Schreyer hat Gerhard Dirlenbach für sein großes Engagement im VdK-Kreisverband ausgezeichnet. (Foto: OH)

Wie sieht es denn heute mit der Barrierefreiheit im Landkreis aus?

Da gibt es noch sehr, sehr viel zu tun. Wenn sie wie ich durch eine Gemeinde gehen, dann sehen sie überall Probleme.

Wo genau befinden sich diese Probleme denn?

Es gibt zum Beispiel Bürgersteige, die nicht barrierefrei zu begehen sind. Oder auch Treppengeländer die weiterführend ausgebaut werden müssten. Ein ganz großes Problem ist auch der öffentliche Personenverkehr. Es fehlt noch sehr oft eine erhöhte Einstiegsmöglichkeit bei den Bussen. Und weil die Bahn alle Toiletten geschlossen hat, gibt es kaum noch öffentliche Toiletten im Landkreis. Und noch weniger barrierefreie. Deswegen wollen wir auf die Probleme aufmerksam machen und vernetzen uns sehr breit. Wir wollen die Problematik auf breite Schultern legen. Mittlerweile wird auch sehr viel getan, einige Gemeinden kommen sogar für eine Beratung auf mich direkt zu. Genau das war auch das große Ziel.

Also werden Ihre Angebote als Seniorenbeauftragter und Berater für Barrierefreiheit auch wahrgenommen?

Ja, doch kommen zu den Sprechzeiten in der Gemeinde Vierkirchen leider zu selten Senioren vorbei, auch aus Scheu davor, hilfsbedürftig zu wirken. Ich biete daher auch Telefonsprechstunden und Hausbesuche an. Diese werden auch häufig wahrgenommen. Man braucht aber viel Geduld, denn das Angebot muss sich erst herum sprechen. Doch oft verschließen sich Menschen höheren Alters auch komplett. Da heißt es dann: "Ja ich bin ja noch nicht so weit. Bin ja noch gesund. Davon möchte ich nichts wissen." Junge Leute sind da viel aufgeschlossener. Viel mehr als früher.

Dirlenbach kämpft seit Jahren für die Barrierefreiheit, damit Menschen mit Behinderung im Alltag besser allein zurecht kommen und nicht überall auf Hilfe angewiesen sind. (Foto: Angelika Bardehle)

Woran liegt das, dass Jugendliche zu diesem Thema viel zugänglicher sind als Senioren?

Das liegt vielleicht an der Erziehung. Früher, in den Nachkriegsjahren war eine Behinderung ja noch eine Minderung. Heute wachsen Jugendliche damit auf und gehen auf Menschen mit Behinderung zu, ohne Scheu. Das Thema wird auch immer mehr in den Fokus rücken, und sollte vielleicht auch noch mehr in der Schule behandelt werden. Wenn Jugendliche heute schon richtig damit umgehen können, wird es auch in Zukunft kein großes Problem mehr darstellen.

Denken Sie denn, dass das Thema in Zukunft mehr in der Öffentlichkeit aufgenommen wird?

Mittlerweile erkennen beispielsweise auch die Architekten beim Wohnbau den Wert der Barrierefreiheit. In der Gesellschaft allgemein ist das aber noch nicht ganz angekommen. Da regen sich die Leute auch mal auf, wenn der elektrische Rollstuhl im Mehrfamilienhaus an den allgemeinen Steckdosen aufgeladen wird. Dafür habe ich kein Verständnis. Deutlich mehr Toleranz und Verständnis in der Allgemeinheit ist immer noch notwendig.

© SZ vom 28.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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