Ausstellung in der Neuen Galerie Dachau:Das Tackling von San Romano

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Die Neue Galerie Dachau zeigt Werke von vier zeitgenössischen Künstlern, die sich auf unterschiedlichste Weise mit dem Thema Landschaft beschäftigen. Viele Ansätze sind originell und überraschend - aber nicht alle erschließen sich sofort

Von Gregor Schiegl, Dachau

Und noch 'ne Ausstellung. Derzeit folgt in Dachau eine Vernissage der anderen, wenn nicht gerade mehrere gleichzeitig stattfinden. Doch nun ist erst einmal Schluss mit dem bunten Reigen: Mit "Zeitgenössische Positionen III" ist am Donnerstag die wohl letzte größere Ausstellung in diesem Jahr in und um Dachau eröffnet worden. Die Motive sind bestens geeignet, nach Wochen galoppierenden Advents- und Vernissagenwahnsinns mal wieder ein bisschen runterzukommen. Der Ort ist dafür wie prädestiniert. Die Neue Galerie ist ein Ruhepunkt in der Altstadt, das ehemaligen Tanzcafé Flori mit seinem knarzenden Parkett liegt versteckt in einem Innenhof. Die Räume sind groß, die Kunst hat Platz, nichts ist zu spüren von Gedränge und Bedrängnis. Dafür erlebt man hier Weite und Tiefe: "Positionen III" versammelt Landschaftsgemälde, allerdings nicht im Stile der alten Freilichtmalerei in Öl, wie man sie in der Gemäldegalerie, hundert Meter weiter, studieren kann. Es sind zeitgenössische Arbeiten, die Kuratorin Elisabeth Boser zeigt. Sujet ist auch hier die Landschaft. Die Ideen, die Techniken und die Bildsprache sind freilich ganz andere, und bisweilen so anders, dass man die Landschaft ad hoc gar nicht mehr als solche erkennt.

Die Münchner Künstlerin Susanne betreibt das besonders radikal. Ihre "Abstrakte Landschaft" erstreckt sich über raumgreifende 3,62 Meter auf 1,10 Meter. Zu sehen sind drei horizontal übereinandergeschichtete Farbbände, unten transparentes Nachtblau, oben flimmerndes Dunkelrot und in der Mitte ein massives Indigo. Die Übergänge verfließen und verwischen wie in einer Nachtlandschaft, wenn das Auge die Details der Umgebung nicht mehr klar fassen kann. Kochs Ausgangspunkt sind reale Natureindrücke, die sie so lange überarbeitet, verwischt und reduziert, bis nur noch eine Art Grundordnung erkennbar ist: oben ein Himmel, unten eine Erde, dazwischen der Horizont. Die Farbtöne geben ein Gefühl, wie die Bilder im Kreislauf der Monate und Stunden zu verorten sind.

Reduktion ist auch der Schlüssel in den Arbeiten von Doris Maximiliane Würgert, die als Dozentin für grafische Gestaltung an der Akademie der Bildenden Künste in München arbeitet. Auf den ersten Blick sehen ihre Bilder aus wie klassische Ton-in-Ton-Malerei, Grau in Grau. Tatsächlich sind es digital bearbeitete Fotos, die sie mit einem altmodischen Gummidruckverfahren auf die Leinwand bringt. Durch Auswaschen werden die Pigmente reduziert, bis sich Formen und Strukturen bis zur Schattenhaftigkeit ausgedünnt haben. Luftaufnahmen eines Ortes lösen sich so auf, die Straßen sind nur noch Linien, die Häuser ein Muster wässriger Flecken. Würgert zeigt auch unscharfe Landschaftsszenen mit Bäumen und Hainen wie durch eine schmutzige Scheibe bei Nebel in der Dämmerung. Alles wirkt seltsam entrückt, ungreifbar, eine Traumsequenz, irreal.

In direktem Gegensatz dazu stehen die Bilder von Danaé Xynias, die im zweiten Raum hängen. Aus mittlerer Distanz meint man, Fotografien vor sich zu haben. Die Motive sind von Schneeflecken bedeckte Wiesen einer Hügellandschaft; schwarze Wolkengebirge, die von Blitzen dramatisch erleuchtet werden, darunter der Wald, dessen schwarze Silhouette wie ein Scherenschnitt in den dampfenden Gewitterhimmel ragt. Tatsächlich sind es Gemälde. Die besondere Wirkung der Bilder rührt aber weniger von der formidablen handwerklichen Kunstfertigkeit her als von der Inszenierung ihrer Bilder mit Licht, mit Raum - und auch mit archaischer Dunkelheit. Spuren der Zivilisation sieht man hier nirgendwo: kein Mensch, kein Dorf, kein Mast, nicht mal ein Feldweg. In ihren Nebellandschaften erkennt man am besten, wie sie arbeitet: Sorgsam legt sie Schicht für Schicht Farbe übereinanderander. Die so behutsam aufgebauten Bilder strahlen eine geradezu hypnotische Ruhe aus, in die sich der Betrachter gerne hinein(tag)träumt.

„Gewitter mit vielen Wolken“ von Danaé Xynias. (Foto: Niels P. Joergensen)

Und dann ist da noch Daniel Schüßler, der auch als Kunstlehrer am Gymnasium Trudering arbeitet. Er ist mit zwei komplett verschiedenen Stilen vertreten. Seine gemalten Bilder bewegen sich nahe an den Traditionslinien der Freilichtmalerei, sogar eine Szene des Dachauer Mooses findet sich in der Ausstellung. Historistisch wirkt das trotzdem nicht, weil Schüßler auch moderne Stilelemente einfließen lässt, etwa die Optik einer Handy-Aufnahme, indem er ein Gemälde hochformatig mit schwarzen Randbalken präsentiert.

Die monochromatischen Werke von Doris M. Würgert. (Foto: Niels P. Joergensen)

Ganz anders sind seine digitalen Landschaften, in denen er sich mit der perspektivischen Darstellung von Naturräumen beschäftigt. Inspirationsquelle war der Renaissance-Maler Paolo Uccello (1397 - 1475), insbesondere sein Triptychon "Die Schlacht von San Romano". Für seine Adaption fertigte Schüßler ein Modell aus Holz, Styrodur und Gips, von dem er mehrere Fotoserien machte, wobei er bewusst Verzerrungen und Bildfehler provozierte. Zu sehen ist eine Pappmaché-Landschaft mit hineinmontierten Zypressen, Schemen rangelnder Football-Spieler und verzerrten Linien und Formen. Ein collagenartiges Werk, das zunächst vor allem irritiert, und das ist das einzige Manko dieser Ausstellung. Die Idee und der Witz der künstlerischen Umsetzung, insbesondere der Wald aus bunten Lanzen, der einem bei Schüßler als krakelige Farblinien begegnet, würden sich leichter erschließen, hätte man Uccello Bild als informative Ergänzung mit angebracht. So kann man dem mit Smartphone ausgestatteten Besucher nur dringend empfehlen, sich diese Darstellung abzurufen, eventuell auch mit Bilderklärung. Es lohnt sich. Dann erfährt man nämlich auch, wer die beiden Teams sind, die die behelmten Köpfe aneinanderschlagen - die Florentiner und die Milanesen.

Zeitgenössische Positionen III, Neue Galerie Dachau, Konrad-Adenauer-Straße 20. Zu sehen bis 24. März 2019. Öffnungszeiten Dienstag bis Sonntag und feiertags 13 bis 17 Uhr, außer an Weihnachten, 24./25. Dezember, an Silvester, 31. Dezember, sowie am 2. und 5. März 2019. Kombiführungen durch die Ausstellungen "Künstlerkolonie Ahrenshoop" in der Gemäldegalerie und "Zeitgenössische Landschaftsmalerei" in der Neuen Galerie am Nachmittag 6. Januar und 3. Februar 2019, 14 bis 15.30 Uhr, für fünf Euro zuzüglich Eintritt.

© SZ vom 08.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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