Auf der Straße:Erste Hilfe für Obdachlose

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Die Caritas kritisiert, dass der Landkreis Dachau das Problem der Wohnungslosigkeit Richtung München oder in umliegende Landkreise verschiebt. Diese sind oft besser ausgestattet. Haben mehr Plätze oder eine bessere Beratung.

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Dem Landkreis Dachau fehlt es an Unterstützung für Wohnungslose und für von Obdachlosigkeit bedrohte Menschen. "In der Wohnungslosenhilfe liegt Dachau weit hinter anderen Landkreisen zurück", sagt Heidi Schaitl, Kreisgeschäftsführerin der Caritas. Im Landkreis gebe es nur wenige Unterkünfte für Obdachlose, vor allem mangele es jedoch an präventiven und unterstützenden Angeboten für Wohnungslose, um diesen den Weg aus der Armutsspirale heraus zu erleichtern.

Das geringe Angebot im Landkreis führe dazu, dass die meisten Wohnungslosen versuchen würden, in die Großstadt München abzuwandern. Schließlich findet sich in der Landeshauptstadt eine breite, karitative Infrastruktur für Wohnungslose. Mit dem 2012 eingeführten Kälteschutzprogramm reagierte die Stadt auf die steigende Anzahl Obdachloser.

Doch auch in München sind die Plätze begrenzt - und geht es um die Verteilung der Hilfen, spiele die letzte Meldeadresse der Wohnungslosen eine wichtige Rolle, erklärt Heidi Schaitl. Wer aus den umliegenden Landkreisen stammt, wird häufig zurückgeschickt oder abgewiesen, beobachtet die Kreisgeschäftsführerin. Die Situation im Landkreis sei ein klassischer Fall "vertreibender Hilfe". Stadt und Gemeinden sind gesetzlich dazu verpflichtet, Menschen, die in ihrem Einzugsgebiet obdachlos geworden sind, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Im Dachauer Stadtrat wurde der Bau von neuen Unterkünften beschlossen. "Doch das allein reicht nicht aus", sagt Schaitl. Sie fordert ein mehrstufiges System, um von Obdachlosigkeit bedrohten und wohnungslosen Menschen im gesamten Landkreis effektiv, am Ort und nachhaltig helfen zu können. Als Vorbild nennt sie den benachbarten Landkreis Fürstenfeldbruck.

"Gerade jetzt im Winter sind wir voll belegt"

Die dortige Notunterkunft mit dem Kurznamen KAP bietet kurzfristige Übernachtungsmöglichkeiten für Obdachlose, daneben eine Teestube und die Möglichkeiten zum Duschen und Waschen. Die Unterkunft verfügt über acht Schlafplätze, die Teestube ist am Nachmittag für alle geöffnet. Sieben Tage im Monat dürfen Wohnungslose den Schlafraum in Anspruch nehmen, in dieser Zeit können Helfer klären, in welcher Gemeinde die Personen einen Anspruch auf eine langfristige Bleibe erhalten. "Hat die zuständige Gemeinde nicht sofort etwas frei, bleiben die Wohnungslosen auch mal länger bei uns", erklärt Heinrich Baumann, Fachdienstleiter der Caritas in Fürstenfeldbruck. Das Angebot sei das einzige, das bislang in der Umgebung geboten werde. "Die nächsten dieser Art gibt es dann erst wieder in München", sagt Baumann.

In der Anlaufstelle für Wohnungslose in Fürstenfeldbruck öffnet Leiter Heinrich Baumann die Tür für Armin Pschorn und den Weihnachtsbaum. (Foto: Matthias Doering)

Besonders wichtig sei das ganztägige Beratungsangebot in der Notunterkunft, betont Baumann. In Fürstenfeldbruck stehen Sozialpädagogen rund um die Uhr für Gespräche zur Verfügung, es gibt auch einen Nachtdienst. So wird die Umgebung für ein niedrigschwelliges Angebot geschaffen, das in Not geratenen einen Zugangspunkt für schnelle Hilfe und Beratung bietet. Der Erfolg der Einrichtung in Fürstenfeldbruck gibt dem Konzept Recht: Bereits seit Anfang der Neunzigerjahre besteht die Notunterkunft KAP, fast immer seien alle Betten besetzt. "Gerade jetzt im Winter sind wir voll belegt, müssen sogar Notbetten dazu stellen", sagt Heinrich Baumann.

Das zeigt: Die Notwendigkeit für eine solche Einrichtung gibt es auch außerhalb der Großstädte. Heidi Schaitl ist überzeugt davon, dass eine Einrichtung nach dem Vorbild in Fürstenfeldbruck auch im Landkreis Dachau große Wirkung zeigen könnte. Für kurzfristig Wohnungslose ist eine Notunterkunft eine wichtige Übergangslösung. Ein hoher Prozentsatz der langfristig Wohnungslosen sind Menschen, die aufgrund von psychischen Erkrankungen und Suchtproblemen auf der Straße bleiben. Die Teestube stellt eine Möglichkeit dar, um genau diese Menschen zu erreichen und nachhaltige Hilfe anzubieten.

Finanziert wird KAP vom Landratsamt. Es ist eine freiwillige Maßnahme des Landkreises Fürstenfeldbruck. Eine gesetzliche Pflicht zur Präventionsarbeit durch das Landratsamt besteht nicht. Darauf beruft sich auch Wolfgang Reichelt, Pressesprecher des Landratsamtes in Dachau: Projekte wie diese müssten individuell geklärt werden, der Auftrag vom Kreistag erfolgen. Eine Teestube wäre mit Sicherheit ein "Leuchtturmprojekt", sagt Reichelt. Damit sich der Landkreis einem solchen Projekt annehmen könne, müssten sich laut Reichelt die Gemeinden selbst organisieren und dem Landkreis einen Auftrag erteilen.

© SZ vom 24.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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