Atelierausstellung:Das blühende Leben

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Seit Jahren arbeiten die Künstler Paul Havermann und Carla Lass Tür an Tür in der Alten Schreinerei Lachner. Ihre letzte gemeinsame Ausstellung ist aber schon dreieinhalb Jahre her. Nun zeigt Lass erstmals nicht nur Schmuck, sondern auch Bilder von sich. Havermann präsentiert Gemälde im neuen Stil

Von Christiane Bracht, Schwabhausen

Seit Tagen ist es draußen trüb und kalt. Das Novembergrau drückt auf die Stimmung. Doch wenn man das Atelier des Dachauer Künstlers Paul Havermann betritt, geht die Sonne auf. Strahlend bunte Farben empfangen den Besucher. Die Blütenpracht seines Gartens hat es Havermann angetan. In leicht abstrahierter Form hat der Hobbygärtner sie festgehalten: im Sommer, Herbst oder Winter, frühmorgens oder nachmittags. Wer genau hinsieht erkennt noch Wicken, Stiefmütterchen oder rot leuchtendes Weinlaub, einen zart angedeuteten Gartenstuhl oder auch eine Schneeschaufel. "Es ist mir bewusst, dass man mal mehr, mal weniger sieht", erklärt Havermann. Während anderswo für Klima und Umwelt gestreikt wird, zeigt der Maler das blühende Leben. Eine heile Welt, kritisieren seine Kollegen allzu oft. "Es ist ein Aufruf hinzuschauen", kontert der Dachauer. "Die Schönheit der Natur zu bewahren und achtsam mit ihr umzugehen." Im übrigen gehe er ebenfalls demonstrieren, wenn nicht gerade seine Atelierausstellung sei, darauf legt Havermann allergrößten Wert.

Mit opulenter Farbenpracht vertreibt Paul Havermann das Novembergrau in seinem Atelier. (Foto: Toni Heigl)

Zwölf neue Bilder hat er in diesem Jahr gemalt, einige davon präsentiert er dieses und nächstes Wochenende in Stetten. Ebenso seine Videoinstallation, die er zusammen mit Karl-Heinz Wenisch für den 100. Geburtstag der Künstlervereinigung Dachau (KVD) konzipiert hat. Nachbarin Carla Lass öffnet ihr Atelier auch. Sie bietet Schmuckdesign und zeigt erstmals ihre Bilder. Die beiden Künstler arbeiten schon seit Jahren Tür an Tür in der Alten Schreinerei Lachner. Vor dreieinhalb Jahren haben sie zuletzt ihre Ateliers geöffnet, um ihre Werke zu zeigen.

Während in Havermanns Reich ein opulenter Farbenrausch vorherrscht, ist bei Lass alles dezent, ja fast schon zurückhaltend. "Die Bilder habe ich eigentlich nur für mich gemalt", erklärt Lass. Es sind Zyklen zu Themen wie "lost places" ( verlassene Orte) oder dem Fenster in der Toilette, aber auch verschiedene Ausschnitte von Personen. Lass malt gegenständlich. Die Motive sind sehr reduziert, doch das macht sie interessant, vor allem weil die Malerin es schafft mit feinen Lichtreflexen bestimmte Stimmungen zu erzeugen und das Augenmerk auf kleine Details zu richten. So hat sie ein altes Krankenbett in Szene gesetzt. Die Achtlosigkeit, mit der es da steht und die bewegte Geschichte dahinter springt den Betrachter förmlich an, löst Emotionen aus. Auf einem anderen Bild ist nur der Hinterkopf einer Frau zu sehen, genauer gesagt ihr Zopf. Die Licht- und Schattenreflexe in ihrem Haar sind so lebendig, wie die Person selbst. Man hat das Gefühl sie dreht sich gleich um und ist voller Tatendrang. Die Farbpalette, die Lass für ihre Werke wählt, ist fast schon pastellig, auf jeden Fall fein aufeinander abgestimmt und harmonisch. Zum Schmunzeln regen die Schafsbilder von Lass an. Sie schafft es den Gesichtern der Tiere verschiedene Charaktere zu geben, von wahnsinnig blöd, über beherrschend bis hin zu treuherzig.

Es ist die Farbpalette seines Gartens, die Havermann inspiriert hat. (Foto: Toni Heigl)

Bekannt ist Lass jedoch hauptsächlich für ihren Schmuck. Sie liebt vor allem Ketten, lange Ketten - nicht aus Gold und Silber, sondern aus Draht, Gummiteilen von Türdichtungen, Röhrchen vom Modellbau, Kautschuk oder Edelstahl. Wichtig ist ihr, dass die Ketten ausgefallen und einzigartig sind. Die Inspiration holt sie sich an ihrem Tisch, wenn sie mit den Materialien spielt und ausprobiert. Mal strickt sie den Draht, dann schneidet sie kleine Gummiteile zurecht, komponiert mit Kugeln oder farbigen Akzenten. Die Stücke wirken filigran und doch sind sie am Hals ein Statement. Sie verwandeln schlichte Pullover oder Kleider im Handumdrehen in etwas Einzigartiges.

Wer die Videoinstallation von Paul Havermann, die im Sommer in der Neuen Galerie in Dachau zu sehen war, noch nicht betrachten konnte, hat nun erneut Gelegenheit dazu. Sie ist ein meditativer Farbenrausch auf sechs großen Bildschirmen begleitet von einem Klavierkonzert von Chopin. "Wir wollten den Prozess der Malerei zeigen, aber nicht als Diashow, sondern als Prozess der ständigen Veränderung", erklärt Wenisch. Gezeigt werden sieben Bilder von Havermann, deren Perspektive sich ändert zu verschiedenen Farbklängen, immer wieder neu kombiniert und schließlich auch ineinanderlaufend.

Carla Lass hat sich auf Details verlegt, die sie mit dezenten, aufeinander abgestimmten Farben in Szene setzt. (Foto: Toni Heigl)

"Das hat mich inspiriert zu neuen Werken", erklärt Havermann. Klar, wenn man sein Atelier betritt, weiß man sofort: Er hat seinen Stil gefunden. Doch auch wenn man ein gewissen Déjà-vu-Erlebnis hat, es gibt Veränderungen. So sind auf den neuen Werken größere Flächen als Kontrast in einer Komplementärfarbe zu finden, die die Harmonie der Farbflecken unterbricht, ja verdrängt. Ein großformatiges Bild, das hauptsächlich in Rot-, Gelb und Orangetönen gehalten ist, hat zum Beispiel eine hellgrüne Kontrastfläche - nicht eintönig, sondern changierend, aber eben anders als das fleckige Hauptmotiv, das an den Rand gedrängt wird. Dieses Überlagern und Beiseiteschieben, das im Film zu sehen ist, hat Havermann fasziniert.

Die Atelierausstellung ist am ersten und zweiten Adventswochenende, 30. November, sowie am 1.,7. und 8. Dezember, jeweils von 12 bis 18 Uhr in der Dorfstraße 1 in Stetten geöffnet.

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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