Medikamente für die Ukraine:"Das sind gruselige Sachen"

Lesezeit: 3 min

Dachaus Apotheker Maximilian Lernbecher engagiert sich in der Ukrainehilfe. (Foto: Toni Heigl)

Der Dachauer Apotheker Maximilian Lernbecher erklärt, warum er von Geldspenden auch blutungsstillende Medikamente und Mittel gegen Verbrennungen durch Phosphorbomben in die Ukraine schickt - und wie die Logistik der Hilfe klappt

Interview von Thomas Altvater, Dachau

Der Verein "Apotheker Helfen e.V." unterstützt seit vielen Jahren weltweit Menschen in Krisenregionen. Schatzmeister Maximilian Lernbecher, 48, Inhaber der Oberen Apotheke in Dachau, erklärt im Gespräch, wie der Verein in der Ukraine hilft und was vor Ort fehlt.

SZ: Herr Lernbecher, Ihrem Vereinsprofil ist zu entnehmen, dass Sie in der Vergangenheit immer wieder Hilfsgüter in Krisengebiete, nicht aber in Kriegsgebiete wie die Ukraine geliefert haben. Warum haben Sie sich dazu entschlossen, in der Ukraine zu helfen?

Maximilian Lernbecher: Das ist wirklich einmalig in unserer Vereinshistorie, dass wir Hilfsgüter in so eine heiße Kriegsphase liefern. Am Anfang waren wir natürlich furchtbar geschockt von dem, was in der Ukraine passiert. Aber nachdem relativ schnell Anfragen aus den betroffenen Regionen kamen nach Medikamenten und anderen medizinischen Hilfsgütern, haben wir Kontakt mit den Verantwortlichen vor Ort aufgenommen. Und dann haben wir eingekauft. Das ging alles relativ schnell.

Wer unterstützt Sie bei den Hilfslieferungen?

Dass wir überhaupt helfen können, liegt vor allem an unseren Kooperationspartnern wie der Hilfsorganisation LandsAid, die uns mit ins Boot geholt haben. Die wissen, dass wir einen gewissen Geldstamm und Beschaffungsmöglichkeiten für Arzneimittel haben. Wir arbeiten seit vielem Jahren zusammen und entsenden Einsatzteams bei Katastrophen, die wir mit Medikamenten, Antibiotika und Wasseraufbereitungstabletten ausstatten. Wir zählen auch auf unsere langjährigen Netzwerke und sind deshalb froh, wenn unsere Partner vor Ort etwas aufbauen und wir nur den Transport übernehmen müssen, so wie in diesem Fall. Wir liefern in ein eigenes Lager an der die Grenze mit einer externen Spedition. Dort werden die Hilfsgüter umgeladen und sofort zum Zielkrankenhaus weitertransportiert.

Wie ist die Lage derzeit vor Ort in der Ukraine, aber auch an der Grenze?

In den Westen der Ukraine, nach Lwiw, den Hauptumschlagplatz, kriegen wir noch relativ leicht Medikamente und andere Hilfsgüter geliefert. Innerhalb des Landes verteilen die Ukrainer das dann selbst weiter. Das wäre für uns einfach zu gefährlich. Und das funktioniert zum Glück immer noch gut. Aber gerade bei den belagerten Großstädten haben wir mittlerweile keine Chance mehr, etwas hineinzubekommen. Ganz zu Beginn konnte wohl noch bis Kiew geliefert werden. Das wird schwieriger. Im Vordergrund stehen Antibiotika, Verbandsmittel und schmerzstillende Medikamente. Aber das ist schon zwei Wochen her. Das ging über einen ukrainischen Arzt, der das organisiert hat. Davon zu unterscheiden ist die Hilfe an der ukrainischen Grenze: Die Hilfe vor Ort in den europäischen Mitgliedsländern, die Erstversorgung der Flüchtlinge funktioniert mittlerweile sehr gut. Dort habe ich von keinen größeren Problemen gehört.

Wie können Sie als Apotheker in einem Krieg wie diesem helfen?

Unsere Kollegen kümmern sich ehrenamtlich um die Abgabe von Arzneimitteln und darum, dass die Medikamente sachgerecht gelagert werden und zuverlässigen Quellen zugeführt werden. Die Medikamente gehen immer zu Gesundheitseinrichtungen, zu Krankenhäusern, zu Ärzten oder in Lazarette. Wir lassen unsere Lieferungen auch lückenlos nachverfolgen. Das ist unsere logistische Aufgabe. Und der Hebel ist bei uns ein anderer. Unsere Partner bekommen Ware, die wir direkt beziehen können und die von spezialisierten Großhändlern sind. Es spenden auch befreundete Arzneimittelhersteller und Großhändler Medikamente an uns. Da können wir unsere Netzwerke einfach gezielt nutzen, um die Anfragen aus der Ukraine abzuarbeiten.

Was steht in diesen Anfragen?

Das sind hauptsächlich Krankenhäuser aus der Ukraine, die bei uns Bedarfsanfragen stellen. In Lwiw haben wir zum Beispiel ein Kinderkrankenhaus beliefert, sowie eine Einrichtung für Kinder mit neurologischen Erkrankungen wie Epilepsie. Es ist ja auch eine Katastrophe, wenn die Kinder auf eine Dauermedikation angewiesen sind und die dann aufgrund des Kriegs ins Leere läuft. Wir haben auch eine Liste aus Odessa bekommen. Das funktioniert recht gut und so wollen wir das auch, dass wir spezifische Listen und einen genauen Bedarf mitgeteilt bekommen. Nur so können wir sicherstellen, dass wir die Spenden auch bedarfsgerecht verwenden. Aber ich muss sagen: Das sind teilweise wirklich gruselige Sachen, die da abgefragt werden, die uns die Haare sträuben. Beispielsweise blutungsstillende Medikamente, starke Schmerzmittel, Medikamente gegen Verbrennungen durch Phosphorbomben. Das sind Sachen, die wir in Deutschland zum Glück selten brauchen. Aber das sind auch Mengen, bei denen man denkt, um Gottes willen, was passiert dort. Man merkt auch hier bei uns schon, dass bestimmte Schmerzsäfte für Kinder oder Verbandskästen nicht mehr erhältlich sind, die sind eben alle in die Ukraine geliefert worden.

Wie viel haben Sie bisher in die Ukraine geliefert?

Wir haben bis jetzt drei Lastwagen vollgeladen. Der vierte soll kommende Woche fahren, da warten noch wir auf die Arzneimittelbestellung von den ukrainischen Krankenhäusern.

Das heißt, die Spendenbereitschaft ist nach wie vor sehr groß?

Ja, die Spendenbereitschaft finde ich bemerkenswert. Ich möchte mich auch ganz herzlich bedanken bei allen bedanken, die bisher gespendet haben. Denn wir sind auf Geldspenden angewiesen. Damit kann man wirklich helfen, das rettet Leben. Und ich sage immer: Wir sind froh, dass wir nur helfen müssen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusGeflüchtete aus der Ukraine
:"Was haben sie gesagt?"

Gastgeber für Geflüchtete zu sein bedeutet große Verantwortung. Michaela Fottner aus Röhrmoos bietet zwei Frauen und deren Kindern ihre Wohnung an - doch nun ist sie für viel mehr als die Unterkunft zuständig. Und das, ohne überhaupt mit ihnen sprechen zu können.

Von Jessica Schober

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: