Angst vor Überflutungen:Bürgerproteste zeigen Wirkung

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Hausbesitzer Jakob Stärk nahm Kontakt mit einem Anwalt auf. Er glaubt zu wissen, wie man gegen den Bescheid der Stadt München vorgehen kann. (Foto: Toni Heigl)

Karlsfelder Hausbesitzer befürchten, dass ihnen die Grundwassernutzung des Unternehmens MAN überschwemmte Keller beschert. Die Gemeinde klagt nun gegen die Genehmigung der Landeshauptstadt

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Der Aufstand der Bürger, die sich seit einigen Wochen vehement gegen die Grundwassernutzung der Firma MAN Truck & Bus AG wehren, zeigt Wirkung: Die Gemeinde Karlsfeld hat nun Klage erhoben. "Erst einmal formell zur Wahrung der Frist", erklärt Bürgermeister Stefan Kolbe auf Anfrage der Dachauer SZ. Die Begründung muss noch ausgearbeitet werden. Dafür haben die Juristen noch ein wenig Zeit. In der kommenden Woche sollen auch Gespräche mit der Stadt München, dem Wasserwirtschaftsamt und MAN stattfinden. Die Gemeinde will nun alles tun, um die von vielen Bürgern befürchtete Erhöhung des Grundwasserspiegels zu verhindern.

Die Klage überrascht, denn in der jüngsten Gemeinderatssitzung hatte der Anwalt der Gemeinde, Mathias Reitberger, noch erklärt, Karlsfeld könne als Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht gegen die Genehmigung der Stadt München klagen, da sie kein Eigentumsrecht habe. Nur Privatpersonen könnten Rechtsmittel einlegen. Nun scheint der Jurist doch einen Dreh gefunden zu haben. Der Druck auf die Gemeinde erhöht sich auch täglich. Es hat sich inzwischen eine Bürgerinitiative zusammengefunden, die bereits mehrere hundert Unterschriften gegen die Erlaubnis der Stadt München gesammelt hat.

Anfang Juni hatte die Landeshauptstadt MAN zur Kühlung von Produktion und Gebäuden gestattet, im großen Stil Grundwasser zu entnehmen und später erwärmt wieder in die Erde einzuleiten. Stein des Anstoßes ist ein Passus in dem 25-seitigen Bescheid, in dem es heißt, "das Vorhaben wirkt sich durch Anhebung des Grundwasserspiegels im Worst-Case-Szenario (Modellmonat Juni) im Bereich Karlsfeld in der Größenordnung von 0,5 bis 0,1 Meter aus."

Dieser Satz ließ vor allem den Ingenieur Jakob Stärk aufhorchen. Der Karlsfelder kam nur per Zufall überhaupt an den Bescheid. Zugegangen ist er nämlich nur sehr wenigen Hausbesitzern. Stärk schlug Alarm. Nun haben viele Karlsfelder Angst bei jedem größeren Regenguss Wasser im Keller zu haben. Stärk erkundigte sich sofort bei einem Anwalt. Mit diesem hat der Verwaltungsjurist der Gemeinde nun offenbar Rücksprache gehalten. Denn laut Stärk hatte sein Anwalt sofort eine Idee, wie der Bescheid der Stadt München angreifbar sei.

Unterdessen hat sich auch im Gemeinderat Ärger breit gemacht. Die Gemeinde, die ebenfalls über die Genehmigung informiert wurde, hat laut Bernd Rath (Bündnis für Karlsfeld) auch die Kommunalpolitiker nicht benachrichtigt. "Das ist eine Unverschämtheit", erzürnt sich Rath. Auch dass er trotz Anfrage nach drei Wochen immer noch keine Antwort von der Verwaltung bekommen habe, erbost ihn sehr. "Nur weil wir eine kleine Fraktion sind, werden wir nicht ernst genommen." Deshalb hat er jetzt einen Eilantrag gestellt, in der Hoffnung, dass er die nötigen Informationen in der nächsten Sitzung am Donnerstag, 26. Juli, um 19 Uhr bekommen kann - auch über die Verhandlungen der Gemeinde Karlsfeld mit der Stadt München.

"Wir wollen uns über die Rahmenbedingungen aufklären lassen und sehen, ob es Änderungspotenzial gibt", erklärt Bürgermeister Kolbe. In dem Bescheid der Stadt München ist ein Widerrufsrecht enthalten. "Die Erlaubnis wird bis zum 31. Dezember 2031 erteilt. Ein vorzeitiger Widerruf der Erlaubnis ist jederzeit möglich", heißt es in dem Schreiben der Stadt München. Auf diesen Passus gründen die Karlsfelder Bürger ihre Hoffnung, die Genehmigung wieder rückgängig machen zu können. Das Prekäre an der Sache ist allerdings, dass die Gemeinde dem Vorhaben bereits zugestimmt hatte. Laut Bürgermeister Kolbe aber nur unter dem Vorbehalt, dass die Einleitung von fast zehn Millionen Kubikmetern Grundwasser keine Auswirkung auf den Grundwasserspiegel habe.

Rath hat inzwischen herausgefunden, dass MAN nicht die erste Firma ist, die Grundwasser zur Kühlung von Produktion und Gebäuden nutzt. "MTU hat seit 2012 die Genehmigung 12,5 Millionen Kubikmeter zu entnehmen. MAN hat nur nachgezogen." Bislang durfte der Bushersteller 5,5 Millionen Kubikmeter nutzen. Diese wurden in den Würmkanal eingeleitet, dafür habe sich MAN zum Unterhalt des Kanals verpflichtet, sagt der Architekt. Doch bei der doppelten Menge würde die Wassertemperatur zu sehr erhöht, die Lebewesen im Kanal müssten sterben. Deshalb soll MAN nun das erwärmte Wasser an der Gemeindegrenze einleiten. Laut Bescheid soll das Unternehmen an drei Messstellen auf Karlsfelder Gebiet prüfen, wie stark der Grundwasserspiegel dort steigt. Falls der Pegel deutlich höher wird, sollen die Einleitungen gedrosselt werden. "Das wird nicht funktionieren", prophezeit Rath. Die Kälteanlagen funktionierten nur mit einer bestimmten Menge an Wasser.

© SZ vom 18.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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