Angeklagter bedroht angeblich Familie:Anwältin will Mandat niederlegen

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Das Verfahren gegen einen 33-jährigen Dachauer wegen Geiselnahme beginnt mit einem Eklat

So einen Auftritt sieht man nicht alle Tage vor Gericht: Den Kragen seiner schwarzen Thermojacke hat der Angeklagte hochgezogen. So hoch, dass nur seine Augen zu sehen sind. Dann stellt er sich neben einen seiner beiden Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt Klaus-Peter Knauf, und lässt sich bereitwillig von den Fotoreportern, die am Mittwoch in den Sitzungssaal B 266 am Strafjustizzentrum München gekommen sind, fotografieren.

Der 33-jährige Industriemechaniker aus Dachau sitzt bereits seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Er soll eine junge Frau, mit der er eine Beziehung gehabt habe, am frühen Abend des 2. September 2015 in Dachau gekidnappt und sie vergewaltigt haben. Es ist inzwischen das vierte Mal, dass sich der Industriemechaniker wegen diesem und weiterer Vorwürfe, unter anderem Körperverletzung, vor der 2. Strafkammer am Landgericht München II verantworten muss. Das erste Verfahren war im Juli 2016 wegen Nachermittlungen ausgesetzt worden. Auch der zweite Prozess, der im November des selben Jahrs begann, wurde ausgesetzt. Grund war der plötzliche Tod einer Schöffin. Als das Verfahren im Oktober vorigen Jahres erneut aufgerufen wurde, forderte die Staatsanwaltschaft den Industriemechaniker psychiatrisch begutachten zu lassen. Nach nur einem Verhandlungstag war der Prozess wieder beendet.

Nun also der vierte Anlauf, bei dem es gleich zum Beginn zu einem Eklat kam. Rechtsanwältin Julia Weinmann, die den Industriemechaniker mit ihrem Kollegen Klaus-Peter Knauf verteidigt, wollte ihr Mandat niederlegen. Der Angeklagte soll ihre Familie bedroht haben. Da der Industriemechaniker versehentlich an die Telefonnummer der Verteidigerin gelangt war, hatte er sie am Montag aus der Haft unter Kontrolle eines Beamten angerufen. Worum es in dem Gespräch genau ging ist unklar. Die Verteidigerin wollte dem Gericht mit Verweis auf ihre Schweigepflicht keine Details nennen. Am Rande der Verhandlung ließ sie auf die Frage von Journalisten durchblicken, dass es um eine Bedrohung ihrer Familie gegangen sei. Wenn es so weit komme, sei Schluss, sagte sie. Das Gericht lehnte ihren Antrag auf Entbindung ab, da sie Pflichtverteidigerin ist. Anschließend kam es zu einer Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Für den Fall eines Geständnisses sicherten die Richter dem 33-Jährigen eine Verurteilung von nicht weniger als dreieinhalb und nicht mehr als vier Jahren zu. Statt Geiselnahme käme auch eine Verurteilung wegen Freiheitsberaubung in Frage. Der Vorwurf einer Vergewaltigung wurde zurückgezogen. Die junge Frau hatte sich bei ihrer Vernehmung während des zweiten Verfahrens in gravierende Widersprüche verstrickt und schließlich eingeräumt, das Gericht in wesentlichen Punkten belogen zu haben. Der Angeklagte stimmte der getroffenen Verständigung zu. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 01.03.2018 / sal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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