Prozess vor dem Amtsgericht:Die Mutter bekennt sich schuldig

Lesezeit: 2 min

Bei einem Verkehrsunfall im Oktober 2016 stirbt ein dreijähriges Mädchen. Es lag nicht angeschnallt auf der Rückbank

Von Benjamin Emonts, Dachau

Der Hauptverantwortliche am tragischen Tod eines dreijährigen Mädchens blieb der Verhandlung am Dachauer Amtsgericht unentschuldigt fern. Dabei war er es gewesen, der am 20. Oktober vergangenen Jahres gegen 4.40 Uhr am Steuer seines Wagens eingeschlafen war. Sein Auto prallte gegen die Leitplanke auf der Bundesstraße 471 zwischen Bergkirchen und Dachau und schlug gegen einen Baum. Ein dreijähriges Mädchen, das auf dem Rücksitz nicht angeschnallt auf dem Schoß der Mutter lag, wurde aus dem Fenster in einen Bach geschleudert und trieb ab. Es war sofort tot. Der 33-jährige Heidenheimer hatte gegen den Strafbefehl in Höhe von 7200 Euro Einspruch eingelegt und ließ den Prozess nun verstreichen. Die Mutter des Mädchens hingegen stellt sich ihrer Verantwortung. Sie bekennt sich der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen schuldig und wird ihren Strafbefehl über 2400 Euro in vier Raten abbezahlen.

Ein Fernsehteam filmt die Mutter im Gerichtssaal

Über den schrecklichen Unfall war im vergangenen Oktober deutschlandweit berichtet worden. Zu der Verhandlung am Dienstag, das kommt selten vor, fand ein Fernsehteam den Weg ins Dachauer Amtsgericht. Der Kameramann richtet sein Objektiv auf die Mutter, die in Leggings und T-Shirt den Gerichtssaal betritt. Sie wirkt unsicher, aber äußerlich gefasst. Vor der Kamera versteckt sie sich nicht.

Die 30-jährige Frau spricht kein Deutsch. Den Namen ihres Wohnorts kennt sie nicht. Erst der Bekannte, bei dem sie derzeit wohnt, klärt das Gericht auf, dass sie im Landkreis Rosenheim lebt. Den Einspruch gegen den Strafbefehl, den die Frau gemeinsam mit dem Unfallverursacher eingelegt hat, will sie zunächst nicht unterschrieben haben. Dann lenkt sie aber ein. Der Mann aus Heidenheim war nicht der Vater des Mädchens. Anders als von dem Mann bei der Polizei behauptet, sei er nie ihr Verlobter gewesen und sie seien inzwischen getrennt. Zum Unfallzeitpunkt sei sie nicht schwanger gewesen, anders als es aus den Akten hervorging.

Zu der Verhandlung am Amtsgericht wurden weder Zeugen, noch Polizeibeamte, noch Gutachter geladen. Amtsrichter Christian Calame will zunächst herausfinden, welches Motiv hinter dem Einspruch gegen den Strafbefehl steckt. Seine Vermutung, dass es der Frau lediglich um die Vereinbarung einer Ratenzahlung geht, erweist sich als richtig. Die Aufarbeitung des schrecklichen Unfalls, der zum Tod ihrer Tochter führte, bleibt der Frau dadurch erspart.

Das Mädchen flog in den schnell fließenden Gröbenbach

Das Paar befand sich in jener Nacht mit dem kleinen Mädchen auf der Heimreise von Ungarn nach Heidenheim. Mutter und Tochter legten sich nachts auf die Rückbank, ohne sich anzuschnallen. Der 33-Jährige verließ die Autobahn an der Anschlussstelle Dachau-Fürstenfeldbruck. Bei der Polizei sagte er später, er sei zu müde zum Weiterfahren gewesen sei und habe vorgehabt, einen Parkplatz anzusteuern. In einer lang gezogenen Linkskurve kam er mit 80 bis 90 Kilometern pro Stunde nach rechts von der Fahrbahn ab. Sein Wagen prallte gegen die Leitplanke und schleuderte durch die Luft gegen einen Baum. Mutter und Tochter wurden aus dem hinteren rechten Seitenfenster katapultiert. Das Mädchen flog in den schnell fließenden Gröbenbach und trieb ab. Eine Obduktion ergab, dass die Dreijährige durch den Unfall schwere Kopf- und Thoraxverletzungen erlitten hatte, die zum sofortigen Tod führten. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sagt: "Angeschnallt hätte sie den Unfall überlebt."

Tragisch war der Verkehrsunfall auch für die mehr als 50 Rettungskräfte von THW, Polizei, Feuerwehr und Rotem Kreuz. Sie suchten mit Tauchern, Schlauchbooten und einem Helikopter mit Wärmebildkamera fast eine Stunde nach dem Mädchen. Schließlich fanden sie den leblosen Körper fast zwei Kilometer entfernt von der Unfallstelle. Sie versuchten vergeblich, das Kind zu reanimieren.

Der Einspruch gegen den Strafbefehl durch den Unfallverursacher wird von Amtsrichter Christian Calame am Dienstag kostenpflichtig verworfen. Die Staatsanwaltschaft München II wird sich die 7200 Euro von dem Heidenheimer nun holen oder alternativ einen Haftbefehl verhängen.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: