Amtsgericht Dachau:Ein Eimer voll Urin

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Vater und Sohn spielten auf der Straße. Weil das einem Nachbarn zu laut war, griff dieser zur Selbstjustiz - und zwar zu einem Eimer mit "einer Flüssigkeit". In Dachau ist nun das Urteil gefallen.

Petra Schafflik

Amtsrichterin Petra Nolte glaubt dem Angeklagten kein Wort. "Das passt doch alles nicht", hält sie dem 62-jährigen vor. Dieser hat an einem Sommerabend einen 46-jährigen Familienvater mit einem Eimer Urin übergossen.

Weil sich der Rentner am Lärm störte, überschüttete er einen Familienvater mit einem Eimer voll Urin. (Foto: dapd)

Aus Notwehr, wie er ausführlich zu erläutern versucht. Aber seine Erklärungen überzeugen das Gericht nicht. Der Rentner wird deshalb zu einer Haftstrafe von vier Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wird.

Zu der ekelhaften Attacke ist es an einem Abend im Juli diesen Jahres gekommen. Mit seinem sechsjährigen Sohn habe er auf der Straße gespielt, schildert der geschädigte Familienvater dem Gericht.

Der Junge fuhr mit dem Rad, der Vater sollte ihn fangen. Da habe der Angeklagte aus dem Fenster seiner Erdgeschoss-Wohnung geschaut, lauthals geschimpft, sich über den Lärm beklagt und ihn beleidigt. Als er ans Fenster herantrat, um mit dem Rentner zu sprechen, habe der "ohne Vorwarnung" einen mit Urin gefüllten Eimer ausgegossen.

Und zwar gezielt auf seinen Kopf, erinnert sich der Familienvater. "Mein Sohn war auch voll damit." Das Kind habe plötzlich laut geschrieen, berichtet die Mutter, die daraufhin herbeigeeilt ist. Der Eimer soll danach noch hinterhergeworfen worden sein.

Eine Platzwunde an der Stirn hat sich der 46-Jährige zugezogen, Sanitäter eines herbeigerufenen Rettungswagens haben die Verletzung später versorgt. Eine Narbe sei noch zu sehen, erklärt der Geschädigte vor Gericht.

"Der Bursche lügt von vorne bis hinten", schimpft der Angeklagte bei dieser Schilderung des Tathergangs. Der 62-Jährige verteidigt sich selbst, einen Anwalt könne er sich nicht leisten, sagt er. "Alles wird hier spiegelbildlich verdreht", wehrt er sich vehement gegen die Anschuldigungen.

Tatsächlich habe der 46-Jährige ihn bedroht, in sein Fenster einsteigen wollen, als er sich über den Krach auf der Straße beschwert hatte. "Der wollte mich vermöbeln." Immer wieder beteuert der 62-Jährige, "ich bin der Geschädigte, der hat mich verletzt."

Wie der 46-Jährige in sein Fenster hätte eindringen sollen, dessen Brüstung fast mannshoch über dem Boden liegt? Wie er sich hätte den Eimer greifen sollen, um ihn zu verletzen? Überzeugende Antworten beleibt der Angeklagte schuldig, verheddert sich mehr und mehr in Ungereimtheiten.

Als in Richterin Nolte zum Inhalt des Eimer fragt, gibt der Rentner ausweichend Auskunft. "Eine Flüssigkeit", erklärt er. Erst nach mehrmaligem Nachhaken räumt er ein, dass sich Urin in dem Kübel befunden hat.

Richterin Nolte ist schließlich überzeugt, dass der 62-Jährige den Eimer mit erheblicher Wucht auf den Familienvater geschleudert hat. Mit ihrem Urteil von vier Monaten Haft, die zur Bewährung ausgesetzt werden, bleibt die Richterin unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die für eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten plädiert hat.

Was Bewährung bedeute, "wissen Sie ja, es darf überhaupt nichts mehr vorfallen", erklärt Richterin Nolte dem Angeklagten nachdrücklich. Bewährungsauflagen erhält er nicht. Eine Geldauflage mache keinen Sinn, "sie haben kein Geld". Auch Sozialstunden muss der Angeklagte nicht leisten. "Ich will keinem zumuten, mit Ihnen zusammen zu arbeiten", erläutert die Richterin.

© SZ vom 13.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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