Ampertauschring:Organisierte Nachbarschaftshilfe

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Im Ampertauschring Karlsfeld-Dachau werden seit 15 Jahren Dienstleistungen feil geboten. Was der eine nicht kann, erledigt ein anderer - und umgekehrt. So entsteht eine rege Tauschkultur

Von Thomas Altvater, Dachau

Dachau

Ungefähr 50 Mitglieder zählt der Tauschring derzeit, viele davon sehen in dem Verein eine soziale Plattform. Es geht um den Kontakt zu Menschen, um den Austausch untereinander. Gerade ältere Mitglieder würden so immer wieder neuen Anschluss finden, weiß Rogge, die Mitglied im Organisationsteam ist. "Es ist wichtig, dass man einmal aus seinen eigenen vier Wänden raus kommt." Der Tauschring ist auch ein generationenübergreifendes Projekt, jung und alt treffen sich dort, reden miteinander und helfen sich gegenseitig. Das sei sehr erfrischen, sagt Rogge. Im Vordergrund steht die gegenseitige Hilfe, denn getauscht werden - anders als man es vermuten könnte - keine Gebrauchsgegenstände.

"Man bietet den anderen Teilnehmern das an, was man gut kann und gerne macht und holt sich Unterstützung bei Arbeiten, die man nicht gut alleine bewerkstelligen kann", schreibt der Verein in seiner Satzung. Es sind kleine Dienstleistungen, wie eine Fahrradreparatur, Babysitten oder die Hilfe bei einem Einkauf, die man sich sozusagen "ertauschen" kann. Die Mitglieder sehen sich selbst als eine Art der "organisierten Nachbarschaftshilfe." Das Prinzip dahinter hat sich in den vergangenen 15 Jahren bewährt, und ist vor allem eingängig.

Bezahlt werden die Tauschdienste mit einer eigenen Währung, dem sogenannten Ampertaler. Für jede Stunde Arbeit erhält man 20 solcher Taler, Neumitglieder bekommen 100 davon gutgeschrieben. Wer genug Taler verdient hat, kann diese wieder einlösen. In der Praxis sieht das dann so aus: "Ich lasse mir einmal im Jahr die Hecke schneiden", erzählt Rogge, und im Gegenzug flickt sie Löcher in Hosen und Pullovern oder näht aus alten Kleidungsstücken etwas Neues.

Ihre Leidenschaft zum Nähen und Tauschen führte sie sogar einmal bis nach Freiburg und Leipzig. In Leipzig nähte sie für einen Tauschringpartner neue Vorhänge und tauschte so einen mehrtägigen Aufenthalt in einem Appartement ein. Der Tauschring Dachau-Karlsfeld pflegt regelmäßige Kontakte zu ähnlichen Vereinen, vor allem im Münchner Umland. Der Vorteil liegt auf der Hand: "Wenn jemand Hilfe bei etwas braucht, das es hier nicht gibt, dann wird er vielleicht woanders fündig", sagt Rogge.

Jedes Mitglied erhält einen Katalog, in dem alle Dienstleistungen zu finden sind. Ein bisschen zeichnen sich dort auch gesellschaftliche Trends ab, denn gefragt sind vor allem handwerkliche Tätigkeiten. Fehlen würde vor allem Menschen, die Haare schneiden oder massieren können, erzählt Rogge. Sie nutzt den Verein, um selbst immer wieder etwas dazuzulernen. "Zum Beispiel bei meinem Computer oder dem Internet lasse ich mir oft helfen", sagt sie. Am Ende bilden sich so oft Bekanntschaften, wenn nicht sogar Freundschaften. Es sei ein junger Mann, der immer ihre Hecke schneide, erzählt sie, "und den lade ich dann bei mir immer zum Essen ein."

Gegründet wurde der Tauschring von fünf Begeisterten im Jahr 2003. Schnell wuchsen die Mitgliederzahlen, am Anfang habe der Tauschring mehr als 80 Mitglieder gehabt, erzählt Rogge. Sie kam zwei Jahre später dazu. "Mittlerweile haben sich die Zahlen eingependelt, aber solange die Mitglieder aktiv sind, macht es Spaß." Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder im Bürgertreff Dachau-Ost sowie im Bürgertreff in Karlsfeld.

Bekannt wurde das System, als im Jahr 1983 ein kleiner Ort in Kanada den Tauschhandel infolge der hohen Arbeitslosigkeit und Inflation einführte. Die Regeln, die damals aufgestellt wurden, gelten vielen Tauschringen - auch in Karlsfeld und Dachau - noch heute als Richtlinie. Verändert hat sich hingegen der Trend weg von materiellen Gütern und hin zu Dienstleistungen. Gerade durch die Entwicklung des Internets entstand in den vergangenen Jahren weltweit eine regelrechte Tauschkultur. Aufsehen erregte ein Mann, der den Wert seiner Tauschgegenstände immer weiter steigern konnte und sich so von einer Büroklammer zu einem Haus hoch tauschte.

Das Fest zum 15-jährigen Bestehen findet statt am Mittwoch, 19. September, um 20 Uhr im Bürgertreff Dachau-Ost, Ernst-Reuter-Platz 1. Mit dabei ist das Improvisationstheater GEH5. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 15.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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