Amperitiv Dachau:Ein ganz eigenes Lebensgefühl

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Das Zeltfestival Amperitiv stand nach dem Tod des Projektleiters auf der Kippe. Doch Karl-Michael Brand und Oliver Wick kämpften und stellten wieder ein buntes Programm zusammen.

M. Staudinger

Das Amperitiv, das Kulturfestival auf der Ludwig-Thoma-Wiese in Dachau, findet heuer zum achten Mal statt. Der Echo e.V. hat vom 30. September bis 3. Oktober ein buntes Programm organisiert. Die Organisatoren Karl-Michael Brand und Oliver Wick sprechen über die Vorbereitungen, die Macht des Wetters und finanzielle Engpässe.

Der Tiergottesdienst ist fester Bestandteil des Kulturfestivals Amperitiv. Heuer findet er am Sonntag, 3. Oktober, um zehn Uhr auf der Thoma-Wiese in Dachau statt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Was bedeutet das Amperitiv für Sie?

Oliver Wick: Ich bin nicht aus Dachau, das Amperitiv kenne ich bisher nur aus Erzählungen. Für mich geht es dabei auch ein Stück weit um alternative Kultur. Wir wollen etwas anderes bieten als die großen Häuser. Und vor allem geht es um ein Lebensgefühl: Die Kultur von einer anderen Seite kennenzulernen.

Karl-Michael Brand: Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Für mich hat das Amperitiv eine Vorgeschichte. Wir machen es heuer zum achten Mal. Es ist spannend zu sehen, wie sich die Basis über die Jahre hinweg verbreitert hat. Es sind immer wieder Leute dazugekommen, die mitmachen. Und auch das Publikum ist immer mehr geworden. Das ist auch der Grund, warum wir es trotz der Veränderungen des vergangenen Jahres weitermachen.

SZ: Im vergangenen Jahr ist der Tollhaus-Verein aus der Organisation ausgestiegen. Im Januar starb der Projektleiter Sepp Meißner. Haben Sie daran gedacht, das Festival heuer ausfallen zu lassen?

Brand: Natürlich haben wir nach dem Tod von Sepp Meißner mit diesem Gedanken gespielt. Wir sind erst einmal in ein Loch gefallen. Wir haben uns dann aber zusammengesetzt und beschlossen, dass wir es versuchen werden, wenn uns mehr als 50 Prozent der Helfer die Stange halten. Es waren schließlich etwa 110 Prozent, die weitermachen wollten oder neu dazukamen. Es ausfallen zu lassen wäre also fast nicht gegangen.

SZ: Einer der Kritikpunkte von Tollhaus war, dass die Auflagen immer strenger würden und es immer komplizierter werde, eine Veranstaltung wie das Amperitiv zu organisieren.

Brand: Das sind Probleme, die schleppen wir schon eine ganze Weile mit uns herum. Es ist fast schon lustig, dass es für die Thoma-Wiese keinen Plan gibt, wo die Stromleitungen verlaufen und das jedes Mal von den Stadtwerken neu vermessen werden muss. Die Auflagen für Zeltbauten werden immer schärfer, klar.

Wick: Wir wollen uns keinesfalls durch die Auflagen unser Event kaputtmachen lassen. Trotz aller Bedingungen ist es das Wert, und in aller Regel sind die Vorschriften ja berechtigt. Man ärgert sich zwar, aber letztlich dient es der Sicherheit.

SZ: Wie sieht es mit den Finanzen aus?

Brand: Unser Kritikpunkt richtet sich nach wie vor auf die Defizitfinanzierung der Veranstaltung.

SZ: Können Sie das kurz erklären?

Brand: Das heißt, dass wir von der Stadt die Zusage bekommen, dass sie ein Defizit in einer bestimmten Höhe übernimmt - aber wir bekommen eben nur so viel Zuschuss, wie wir Defizit machen. Das heißt, wenn es einmal besser läuft, können wir trotzdem keine Rücklagen bilden - weil wir dann von der Stadt weniger Geld bekommen.

Wick: In München ist das anders - und das bringt dort Planungssicherheit.

Brand: Wir haben beim Amperitiv ein großes Risiko. Es sind ja viele Veranstaltungen kostenlos und sollen es bleiben. Wir verdienen also mit der Gastronomie. Wenn kaum Besucher da sind, gibt es weniger Einnahmen - zum Beispiel 2005, als wir bis zu den Knien im Sumpf standen. Dann schrammen wir recht schnell am Abgrund entlang. Das müsste nicht sein. Außerdem würden wir gerne mehr experimentieren und im Außenbereich noch wesentlich mehr anbieten.

Wick: Wir wollen ja gar nicht mehr Zuschuss.

Brand: Nein, es wäre nur schön, wenn wir in den Jahren, in denen es gut läuft, Rücklagen bilden könnten. Wir wollen nicht mehr verdienen, sondern nur das Risiko minimieren.

SZ: Dafür müssten man aber die Kulturförderrichtlinien der Stadt ändern.

Brand: Ja, dafür müsste man tatsächlich die Richtlinien ändern. Generell fühlen wir uns aber von der Stadt gut unterstützt und in Dachau bestens aufgehoben. Der Oberbürgermeister und der Landrat übernehmen auch heuer wieder die Schirmherrschaft, das Kulturamt organisiert die Veranstaltungen mit Wolfgang Ambros, der Kulturreferent kümmert sich und wir haben Stadträte aus allen Fraktionen als Besucher. Das war ein hartes Stück Arbeit. Früher galten wir eher als Randgruppenveranstaltung.

SZ: Wie laufen die Vorbereitungen?

Wick: Das Programmheft wird in der kommenden Woche fertig sein. Die Webseite im Internet steht. Jetzt können wir an die Aufbauorganisation gehen.

Brand: Dafür suchen wir noch ehrenamtliche Helfer, die sich gerne über die Homepage bei uns melden können.

SZ: Brauchen die Helfer eine besondere Qualifikation?

Wick: Bei einem so vielfältigen Festival kann sich jeder irgendwo einbringen.

Brand: Bei uns haben Helfer schon Fähigkeiten an sich entdeckt, von denen sie nicht wussten, dass sie das können.

SZ: Was wird es dieses Jahr Neues geben?

Brand: Wir haben heuer eine Planungsgruppe von jungen Leuten, die einen Jugendfestivalteil selbst geplant haben. Im vergangenen Jahr haben sie in der Gastronomie geholfen und heuer betreiben sie ein eigenes Zelt. Das ist wirklich gut gelaufen. Sie waren sehr konstruktiv und kreativ. Es ist ein tolles Programm herausgekommen, das sehr gut zum Festival passt. Außerdem wollen wir ein wenig experimentieren mit der Idee von Mehrgenerationenveranstaltungen. Da haben wir jetzt zwei, drei kleinere Events, die wir einmal ausprobieren.

SZ: Beschreiben Sie doch einmal ihr Programm in einem Satz.

Brand: Bunte Inhalte - und wenn es regnet, wird man nass.

Wick: Vielfalt und generationenübergreifendes Programm.

Brand: Und unsere Zelte sind beheizt. Am Amperitiv muss niemand frieren.

SZ: Was ist ihr persönliches Highlight?

Brand: Das ist schwierig zu sagen, ohne die anderen zu diskreditieren.

Wick: Aber eigentlich sind wir einig.

Brand: Dann sag es.

Wick: Die Platzenden Hirsche.

Brand: Ja. Das ist eine witzige Geschichte. Auf der anderen Seite ist Ambros natürlich ein Highlight. Wir wollen aber keine Veranstaltungen haben, die so dominieren, dass alles andere nur Beiwerk ist.

Wick: Das Programm muss in sich stimmig sein.

© SZ vom 09.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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