Das Thema Asyl bei der CSU:Helfer und Hardliner

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Altomünsters Bürgermeister Anton Kerle (Zweiter von rechts) und sein Kreis bei der Betreuung der Flüchtlinge. (Foto: Toni Heigl)

Bürgermeister und Kommunalpolitiker der CSU engagieren sich für die Integration der Flüchtlinge, aber die Landespolitik setzt auf eine Strategie der Abschreckung. Ein Stimmungsbild der Partei im Landkreis Dachau.

Von Wolfgang Eitler, Altomünster

Allein die Frage nach dem persönlichen Befinden erhöht die Müdigkeit. Brigitte Burger-Schröder lehnt sich an eine Kommode im Aufenthaltsraum der neu aufgestellten Wohncontainer und sagt: "Mehr als fünf, sechs Stunden Schlaf sind nicht möglich." 76 Asylbewerber von der Tennishalle in Markt Indersdorf sind nach Altomünster umgezogen. Die Tennishalle ist eine Art Drehscheibe; Flüchtlinge kommen dort unter, bevor sie an andere Standorte weitergereicht werden.

Bei der Besichtigung der Zimmer ist auch der Altomünsterer Bürgermeister Anton Kerle (CSU) dabei. Er ist ziemlich froh, dass er solche Ehrenamtliche wie Burger-Schröder hat. Deshalb nutzt er den Besuch in den neuen, grauen, terrassenförmig angeordneten Unterkünften für einige grundsätzliche Anmerkungen, die mitten hineinführen in die Diskussion der CSU über die Flüchtlingspolitik und die Folgen.

Das Gespräch dreht sich zunächst um die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde, die beim Steueraufkommen und der Steuerkraft auf dem letzten Platz innerhalb der 17 Kommunen des Landkreises liegt. Anton Kerle weist darauf hin, dass die Gemeinde ihr Möglichstes tue, auch in der Frage der Asylpolitik, und dass nicht alles von der Finanzkraft, sondern auch vom Engagement der Menschen abhänge. Hier empfindet er seine Gemeinde als vorbildlich, wie sich nicht nur am Asylhelferkreis aufzeigen lasse, aber wegen der aktuellen Herausforderungen an ihm eben besonders eindrucksvoll.

In diesem Zusammenhang erwähnt Kerle Vorfälle im Nachbarlandkreis Fürstenfeldbruck, wo die Aufnahme von Flüchtlingen sehr umstritten ist. Kerle sagte: "Genau das wollen wir nicht." Auf die Frage, warum solche Proteste im Landkreis bis auf den Stadtteil Mitterndorf in Dachau ausgeblieben seien, sagte er: "Solche Kritiker gibt es auch bei uns. Aber sie erheben ihre Stimme nicht, weil sie merken, dass die Mehrheit anders denkt und handelt." Er fügte hinzu: "Und ich will für meine Gemeinde erreichen, dass es so bleibt."

So deutlich und auch dezidiert hat sich bisher keiner der CSU-Mandatsträger im Landkreis positioniert. Die Einlassungen des CSU-Landtagsabgeordneten Bernhard Seidenath beispielsweise auf der Podiumsdiskussion des Landkreises zur Asylpolitik in Karlsfeld hörten sich wie Dissonanzen zu Kerles Meinung an. Seidenath warnte davor, eine Asylpolitik zu betreiben, die den Exodus beispielsweise aus Afrika noch befördere. Und sein CSU-Kollege Anton Kreitmair aus Kleinberghofen, der auch Präsident des oberbayerischen Bauernverbands ist, berichtete von verärgerten Stimmen aus der Bevölkerung gegen Flüchtlinge. Kreitmair läuft mit seiner Warnung Gefahr, eben diesen Kritikern eine Stimme zu verleihen, denen Bürgermeister Kerle kein Forum geben möchte. Und die Antwort des Innenministeriums auf einen Brandbrief der bayerischen Asylhelfer, auch der Dachauer, war eine harsche Zurechtweisung.

Im Landkreis muss sich die CSU zurzeit im Spagat zwischen der offiziellen Landespolitik und den Anforderungen der Kommunalpolitik in der Asylfrage üben. Die Innenansicht der CSU im Landkreis ergibt ein eher diffuses Bild. Auf der einen Seite propagiert die Landespartei gemeinsam mit der Staatsregierung eine Strategie der Abschreckung, damit Flüchtlinge nicht mehr nach Europa drängen. Auf der anderen Seite wünscht sich der Dachauer Landrat Stefan Löwl von seiner Partei den Einstieg in eine Diskussion darüber, wie parallel zur Asylpolitik Regeln für eine Einwanderung geschaffen werden können. Diese Forderung wiederum lehnen die beiden Dachauer Landespolitiker ab. Seidenath kann sich nur Ausnahmegenehmigungen vom Arbeitsverbot für Flüchtlinge vorstellen, wie es das Bayerische Innenministerium im Januar angeordnet hatte. In einem längeren Beitrag auf der Facebookseite der SZ zeigte sich CSU-Gemeinderat Andreas Schaller aus Hebertshausen über die restriktive Haltung der Parteioberen verärgert und forderte die CSU auf, sich Löwl anzuschließen.

Nun hat der CSU-Kreisverband kürzlich zehn Thesen zur Flüchtlingspolitik veröffentlicht. Die meisten davon zielen auf die Europa- und Bundespolitik ab und orientieren sich an den gängigen Forderungen der bayerischen CSU, die Schleuser zu bekämpfen, die Länder des Balkans als sichere Herkunftsstaaten zu deklarieren oder auch die Visapflicht teilweise wieder einzuführen. Kommunalpolitisch interessant ist der Wunsch nach "einer nachhaltigen Unterstützung der caritativen und ehrenamtlichen Helferkreise". Außerdem müsse der Staat Lösungen finden, um zügig Wohnraum auch für anerkannte Asylbewerber schaffen zu können. Mit der Forderung auf "einen einfachen und unkomplizierten Zugang zu Deutschkursen" trifft die CSU sicherlich die Gefühlslage vieler Ehrenamtlicher, die solche Kurse teilweise auf eigene Kosten organisieren müssen.

Überraschenderweise fehlt in dem CSU-Thesenpapier die Forderung des Dachauer Landrats nach einer Diskussion zur Einwanderung. "Ganz bewusst", sagt Stefan Löwl der SZ. Denn er wolle dieses Thema von den aus seiner Sicht notwendigen Änderungen in der Asylpolitik scharf trennen und nicht miteinander vermischen. Die Reaktion des Bayerischen Sozialministeriums auf das Thesenpapier kommentiert er mit einem erstaunten Lachen. Die dortige Pressestelle teilte der SZ mit, dass das Ministerium, soweit es dafür zuständig ist, den Vorschlägen keine neue Anregungen entnehmen könne. Sprecher Maximilian Greibl sagt: "Da sind wir gut unterwegs."

Der Dachauer Landrat indes kontert: "Allein der tägliche bürokratische Aufwand für das Landratsamt" ist seiner Ansicht nach kaum noch zu leisten. "Wenn die Asylhelferkreise darüber klagen, wie viele Formulare sie bei der Arbeitssuche für Flüchtlinge ausfüllen müssen, dann ist das wenig zu dem, was meine Mitarbeiter leisten müssen." Vom Innenministerium als der zweiten für die Asylpolitik maßgeblichen Behörde in Bayern fordert er eine zügige Änderung der Genehmigungspraxis für zeitlich befristete Unterkünfte. "Noch unterliegen wir den Vorgaben des staatlichen Hochbauamts." Deren Verfahren seien so langwierig, "dass sie den Bau von Unterkünften für Asylbewerber verhindern".

Der Altomünsterer Bürgermeister Kerle hätte keine Flüchtlinge im Altomünster aufgenommen, wenn das Innenministerium nicht wenigstens Wohncontainer in Gewerbegebiet gestatten würde. Anders hätte Altomünster die Aufnahme von 75 Flüchtlingen nicht stemmen können, sagt er bei der Besichtigung. Auch nicht in einer Form, welche deren Integration in die Gemeinde ermöglicht. Neben Kerle steht der linke Sozialdemokrat und Vorsitzende des Kulturförderkreises von Altomünster, Uli Schneider, in den drei grauen Wohncontainern. Er sagt lapidar: "Das stimmt." Der augenscheinliche Beweis ist für Kerle, Schneider und Burger-Schröder die Spendenbereitschaft der Bevölkerung: "Wir mussten eine ganze Halle anmieten."

Für Landrat Stefan Löwl (CSU) wird es an diesem Dienstag, 14. Juli, spannend, wenn er im Dachauer Stadtteil Mitterndorf auf die Kritiker einer Wohnanlage in der dortigen ehemaligen griechischen Schule trifft. Der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) erlebte vor einigen Wochen die Stimmung unter dortigen Anwohnern als eine Mischung kritisch-sachlicher Fragen und massiven Vorbehalten gegen Flüchtlinge. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr im Pfarrheim in Mitterndorf.

© SZ vom 14.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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