Altomünster:Der Körper wird zum Instrument

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Kammermusik in moderner Form: Das Meisterkonzert im Dachauer Schloss dürfte ein Höhepunkt des Europäischen Musikworkshops werden. (Foto: oh)

Improvisation spielt heuer beim Europäischen Musikworkshop eine wichtige Rolle - Dozenten setzen moderne Pädagogik um

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Junge Sänger und Instrumentalisten aus der Region und aller Welt machen von Karsamstag an die Marktgemeinde Altomünster eine Woche lang zum musikalischen Hotspot des Landkreises. Dann beginnt der zwölfte Europäische Musikworkshop Altomünster (EUMWA). "Wir machen das Dutzend voll", so der künstlerische Leiter Markus Kreul. Er und die organisatorische Leiterin Claudia Geisweid sorgen auch 2018 dafür, dass renommierte Dozenten und Musiker aus der Region, aus ganz Deutschland, Belgien, Spanien, Italien, China, Korea und Weißrussland neben kammermusikalischen Erfahrungen auch einen Platz zum Schlafen haben, sei es in Gastfamilien oder im Maierbräu, wo schnell die Bettenzahl aufgestockt wurde.

Alles, wie gehabt? Nein, denn der Musikworkshop wartet heuer mit zwei besonderen Highlights auf, die man nicht unbedingt bei einer kammermusikalisch dominierten Veranstaltung vermuten würde. Andrea Friedhofen, Professorin am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg und dessen Leiterin, bietet einen Kurs in elementarer Improvisation an. Dieser wird ergänzt durch einen Impro-Workshop mit Studierenden der Universität Eichstätt-Ingolstadt, der für alle - "von sieben bis 77" - offen ist, wie es im Programm heißt. Er findet am Freitag, 6. April, in der Schule Altomünster statt. Selbstverständlich sei auch die Generation 77plus willkommen, sagte Kreul auf Nachfrage. Warum Improvisation im EUMWA-Konzept eine so wichtige Rolle spielt, hat mehrere Gründe: Zum einen fördern Leiter und Dozenten aktuelle Strömungen in der Musikpädagogik und setzen sie mit allen Teilnehmern - von Kindern bis zu hochbegabten Studenten - um. Zum anderen will der EUMWA keine geschlossene Veranstaltung bleiben, sondern sich für alle Musikbegeisterten öffnen, will Begegnungen außerhalb der Konzerte ermöglichen und "die Schwellenängste im Kopf abbauen", so Kreul. Das ermöglicht die sogenannte Community Music. Sie will jedem Menschen den Zugang zu Musik ermöglichen - ganz ohne Zwang und jenseits tradierter Unterrichtsmethoden. Community Music kommt sogar ohne den klassischen Instrumenten-Kanon aus. Um Missverständnissen vorzubeugen: Trommel, Geige, Klavier, Flöte und Co. sind selbstredend "erlaubt und erwünscht, aber anders, als wir es für gewöhnlich kennen", wie Phil Mullens, der bekannteste Dozent in Sachen Community Music, im vergangenen Jahr beim ersten EUMWA-Workshop dieser Art sagte. Hände, Füße, die Stimme, ja der ganze Körper werden zum Instrument.

"Dieser körperorientierte Ansatz ist in den Themen Heterogenität und Inklusion wiederzufinden", sagte Andrea Friedhofen der Dachauer SZ. Sie lehrt am Leopold-Mozart-Zentrum Elementare Musikpädagogik. Inklusion sei daher nicht verkürzt auf die uneingeschränkte Teilhabe von Menschen mit Handicap am gesellschaftlichen Leben zu verstehen, wie dies in der aktuellen bildungspolitischen Diskussion der Fall sei. "Improvisation ist das spontane Erfinden von Musik, sie basiert auf den Spielern unmittelbar zur Verfügung stehenden Fähigkeiten. Und "Improvisation baut auf", sagte Andrea Friedhofen. "Sie ist das progressive Moment in der Musik. Jeder bringt seine Möglichkeiten, sein Potenzial und seinen kulturellen Hintergrund ein. Denn Musik ist eine universelle Kunst. So entwickeln sich in der Gruppenimprovisation durch Offenheit und die Lust am Spielen neue musikalische Ideen und ein ästhetisches Erlebnis." Davon ist Andrea Friedhofen überzeugt. Und noch etwas ist ihr wichtig: "Musik ist tief in uns verankert - sie ist Teil unseres Lebens. Wenn ich musikalisch improvisiere, spüre ich mich selbst durch diese spielerische Ausdrucksmöglichkeit. Das Ergebnis ist ein ungeheures Gefühl von Vitalität."

Wie die EUMWA-Teilnehmer diese Vitalität kammermusikalisch umsetzen, lässt sich fast allabendlich bei ihren Konzerten in Altomünster erleben. Ein Höhepunkt dürfte das Meisterkonzert im Schloss Dachau, am Mittwoch, 4. April, werden. Es beginnt um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen gibt es unter www.eumwa.de.

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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