Premiere in Altomünster:Auf der Suche nach dem Glück

Lesezeit: 2 min

Mit ihrem neuen Stück "Zu wenig und zu viel" zeigt sich die Theatergruppe Altomünster sehenswert hintergründig und komödiantisch. Erschöpft vor Lachen verfällt das Publikum am Ende in ernsthafte Diskussionen

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Eine großzügige Treppe schwingt sich elegant eine Uferpromenade hinab. An ihrem Geländer: eine Dame in extravaganter Abendrobe und ein Mannsbild, Typ ewiger Stenz. Sie lehnt sich an ihn. "Was, du bist verheiratet - ja, mein Junge, aber mein Herz ist noch frei" ist unter dem Bild mit dem Titel "Demaskierung" zu lesen. Es schmückt Programmheft und Plakat der jüngsten Produktion der Theatergruppe Altomünster. "Zu wenig und zu viel" heißt das Stück von Peter Landstorfer. Am Samstag war Premiere im nicht voll besetzten Saal des Kapplerbräu.

Drei Stunden gute Unterhaltung bieten die Laiendarsteller aus Altomünster im Kapplerbräu. (Foto: Niels P. Joergensen)

Dirndls und Lederhosen gehören zur Grundausstattung

Was aber haben nun Demaskierung und der zu Spekulationen verführende Titel dieser hintergründigen Komödie miteinander zu tun? Wie passt das halbseidene Pärchen zu einem Autor, dessen Stücke oft von Laienspiel-Gruppen aufgeführt werden? In denen Dirndl und Lederhosen zur Grundausstattung gehören? Gehören sie in dieser aufwendigen Inszenierung von Wolfgang Henkel auch, aber nur partiell. Es geht um die Suche nach Glück. Und die Frage, was den Einzelnen glücklich macht. Schwere Kost für eine "bayerische Komödie", wie Landstorfer sein Stück betitelt hat? Nicht für die Theatergruppe Altomünster. In knapp drei Stunden bereiten sie ein Thema, mit dem sich Philosophie-Vorlesungsreihen bestücken lassen, gekonnt und mit viel Witz so auf, dass ein vor Lachen erschöpftes Publikum am Ende in ernsthafte Diskussionen verfällt.

Wie die Theatergruppe das hinbekommt, ist sehens- und hörenswert. Drei abgebrannte Vagabunden mit den sinnigen Namen Werk (Markus Schury), Dünkel (Thomas Koppold) und Manndarine (Carolin Polster) wollen ihr Glück mit Hokuspokus herausfordern. "Fortunabel" soll ihr Leben fortan werden, ganz nach Dünkels Erkenntnis "Wie sagt Balthasar der Weise: Das Glück trifft dich oft als Taubenscheiße". Tut es aber nicht, sondern erscheint in Gestalt eines gemütlich aussehenden, aber doch etwas Mephistophelisches ausstrahlenden alten Mannes (Norbert Rogge). In vier Welten will er das Trio schicken, auf dass sich ihre Herzenswünsche erfüllen: "Ein junger, fescher reicher Mann" für Manndarine, "Ansehen, einen Titel" für Dünkel und "ein gutes Geschäft" für Werk.

Das Trio demaskiert sich selbst

Die Suche wird zur Odyssee durch die gesellschaftlichen Klassen mit überraschendem Ende, verpasste Chancen, Selbstüberschätzung, Gier und Egoismus inklusive. Das Trio demaskiert sich selbst: Manndarines Ansprüche steigen. Jung und fesch werden schnell aus dem Qualifikationsprofil des Künftigen gestrichen. Unter einem Grafentitel will es Dünkel nicht mehr machen. Werk, ein fleißiger Mann, findet "Arbeiten lassen" besser als selbst den Schmiedehammer zu schwingen.

Die Reisenden durchs (fast) wahre Leben begegnen unterwegs skurrilen Gestalten: einer gewitzten alten Bäuerin, die ihre Erben drangsaliert (Sonja Holzmüller), einem notgeilen reichen Bauern, dessen Joppe und Weste das Gewicht der Silberknöpfe fast nicht mehr tragen können (Michael Heine), einer Mesnerin, die mit Ratschkathl zu bezeichnen eine Untertreibung wäre (Eva Kitzberger) oder einem bayerisch-schwulen, servilen Schneider, der in puncto Geschmacksverirrung Moshammer selig locker Konkurrenz machen könnte (Matthias Spengler). Da wären zudem noch ein Hausdiener, der sich vom Diener Hansi zum Butler James wandelt, unerschütterlich Zognag (Cognac) ausschenkt und konsumiert (Alto Oswald) sowie eine Bürgermeistergattin, die nur zu gerne zur "Bavaria von Trudlhaching" mutiert (Annette Mayrhofer). Doch damit nicht genug. Buchstäblich dreimal so viele gestandene, tragisch-komische oder arrogant-eitle Gestalten bevölkern im Laufe der Handlung die Bühne. Regisseur Henkel hat sämtliche Rollen - mit Ausnahme der Hauptrollen - jeweils dreifach besetzt. Eine Herkulesaufgabe für alle Darsteller, die sie mit Bravour meistern. Henkel lässt sie zudem ihr komödiantisches Talent entfalten. Was ihnen womöglich in den umwerfend guten Kulissen besonders leicht fällt. Die reichen von der virtuos gemalten Dorfszenerie mit echtem Pumpbrunnen und echtem Wasser bis zum Möchtegern-noblen Salon mit überdimensionaler Protz-und-Prunk-Skulptur. Die 25 Kostüme - von der Gendarmenunform bis zu feinster Gesellschaftskleidung oder was sich Dünkel darunter vorstellt - stehen dem in nichts nach. "Zu wenig und zu viel" anzusehen macht glücklich.

Weitere Vorstellungen: Freitag, 15., Samstag, 16., jeweils um 20 Uhr, Sonntag, 17. April, 18.30 Uhr.

© SZ vom 11.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: