Alternative Lernkonzepte:Lernen unter freiem Himmel

Lesezeit: 3 min

Eine Woche lang verlegte die Aktive Schule Petershausen den Unterricht für alle Kinder von der ersten bis zur achten Klasse ins Freie. Die klassischen Lerninhalte vermitteln die Lehrer beim Feuermachen, Kochen, Werken und Wettervorhersagen nebenbei

Von Petra Schafflik, Petershausen

Sorgfältig schichtet Henri frische Holzscheite in ein tiefes Erdloch. Unten in der Glut, die am frühen Morgen noch ein loderndes Feuer war, lagern auf Tonscherben unscheinbare Erdklumpen. "Wir machen uns Huhn im Feuer", erklärt der Elfjährige, wedelt dann den langsam wieder emporzüngelnden Flammen Luft zu. Schließlich sollen die sorgfältig im Lehmmantel eingepackten Hähnchen bis Mittag durchgebraten sein. Dann versammeln sich alle 70 Mädchen und Buben der Aktiven Schule Petershausen zum gemeinsamen Essen unter freiem Himmel.

Kochen über offenem Feuer, das Wetter beobachten, pflanzen und ernten auf dem Acker - all das ist in Petershausen geboten. (Foto: Toni Heigl)

Arbeiten, lernen, spielen, entdecken, forschen und sich auch selbst verpflegen - alles in der Natur: Unter dem Motto "Draußen daheim" haben alle Schüler und Pädagogen der privaten Grund- und Mittelschule eine Woche lang ihre Unterrichtstage rund um den eigenen Schulacker, in angrenzenden Wiesen und Wäldern verbracht. Eine so ungewöhnliche wie wertvolle Erfahrung, betont Dominik Schuck, Lehrer und Mitglied der Schulleitung, der das Projekt organisiert hat. Nicht nur, dass trotz des kühlen Maiwetters alle Kinder und Jugendlichen fünf Tage lang mit Begeisterung, Engagement aber auch ruhiger Aufmerksamkeit bei der Sache waren. Das Vorhaben biete auch die besondere Chance, Umwelterziehung und Nachhaltigkeit einmal konkret zu leben. Und Wissen und Kenntnisse in klassischen Schulfächern von Deutsch über Kunst bis zu Naturwissenschaften im praktischen Tun zu erwerben. "Eine tolle Erfahrung für uns alle."

Nach dem Ausflug geht es mit dem Traktor zurück zum Schulgelände. (Foto: Toni Heigl)

Am späten Vormittag liegt eine Atmosphäre konzentrierter Betriebsamkeit über dem Gelände. Rund um das Feld, das von den Schülern seit einigen Jahren schon im Lauf der Jahreszeiten bewirtschaftet wird, werkeln die Mädchen und Jungen jetzt engagiert an den Projekten, die sie sich in dieser besonderen Schulwoche vorgenommen haben. Am Wegrand hämmern Pascal und Elias noch ein paar Nägel ins widerspenstige Holz, dann ist wieder ein Brett befestigt im Insektenhotel, das sie gemeinsam mit einigen Mitschülern selbst geplant und eigenhändig gebaut haben. "Die leere Dose ist mit Stroh gefüllt, da fühlen sich Schmetterlinge wohl", erklären die Jungen. Damit noch mehr Insekten einziehen in die neue Unterkunft, haben die Buben auch Löcher in Holzscheite gebohrt, Ziegelsteine, Papprollen und Eierkartons eingebaut. Gleich werden sie mit vereinten Kräften das Bauwerk an den geplanten Standort schleppen.

Die Aktive Schule bietet naturnahen, praktischen Unterricht. (Foto: Toni Heigl)

Von den Aktivitäten rundherum darf sich Velda nicht ablenken lassen. Die Zehnjährige steht neben dem zentralen Lagerfeuer an einem Holztisch, zerkleinert gemeinsam mit anderen Schülern der Gruppe "Leibliches Wohl" Berge von Möhren, Zwiebeln und Tomaten. Schließlich sollen alle satt werden, da muss sich das Team ranhalten. "Kochen macht mir richtig Spaß", sagt das Mädchen und berichtet vom vielfältigen Speiseplan der vergangenen Tage. Nicht weit weg sitzt Leandra vor dem großen Tipi gemeinsam mit anderen im Kreis und bespricht das nächste Experiment. Diese Schüler beschäftigen sich die ganze Woche mit Wetterphänomenen und machen praktische Versuche. "Am meisten beeindruckt hat mich die Regenwolke im Glas", erklärt die Neunjährige.

Auch kochen in einem Erdloch ist möglich. (Foto: Toni Heigl)

Für die Schulwoche in der Natur konnten die Kinder unter sechs Themen wählen. So werkelten die einen auf dem Acker, brachten Kompost aus, sammelten Bruchholz im Wald und überwachten das Feuer, während andere fürs Mittagessen sorgten, das Insektenhotel bauten oder in der Survival-Gruppe im umliegenden Wald das autarke Überleben in der Natur lernten. Dokumentiert wurde alles von jungen Reportern wie Lea und Milina, die Fotos schossen, Interviews machten und eine Projektzeitung zusammenstellten.

Am Nachmittag gab es dann thematische Angebote, es wurde musiziert oder zum selbst gedichteten "Acker-Song" noch eine Strophe hinzugereimt.

Eine gesamte, wenn auch kleine Schule für eine Woche ins Freie zu verlegen, das erfordert eine gewisse Infrastruktur. Und so loderte neben dem Schulacker nicht nur ein Lagerfeuer, auf dem in Pfannen und Kesseln die Speisen zubereitet wurden. Es gab dort auch ein Zelt als Rückzugsort für Regenschauer und Komposttoiletten. Anfangs vielleicht noch ein wenig ungewohnt auch für die Mädchen und Buben der Aktiven Schule, die mit ihrem wöchentlichen Draußentag schon sehr erprobt sind, was lange Aufenthalte in der Natur angeht. Doch zur Freude von Organisator Dominik Schuck funktionierte das Schulleben unter freiem Himmel reibungslos. "Jeder hat Verantwortung übernommen, die Schüler von der ersten bis zur achten Klasse haben sich wunderbar untereinander abgestimmt. Alle haben sich wirklich draußen daheim gefühlt."

Das Lernen kam dabei nicht zu kurz, viele Inhalte seien im praktischen Tun vermittelt worden, von Deutsch über Musik, Kunst, Sport, Geografie und Biologie. Mit ein wenig Wehmut verabschiedeten sich Pädagogen und Schüler am letzten Tag vom Schulacker. Nun werde es nach der erfolgreichen Woche darauf ankommen, das Leben in der Natur und den Aspekt von Nachhaltigkeit wie auch ökologischem Bewusstsein noch stärker als schon bisher in das Schulleben der Aktiven Schule Peterhausen einzubauen, erklärt Lehrer Schuck. Denn diese Aufenthalte in der Natur im Jahresverlauf böten Gelegenheiten zur Ruhe zu kommen, zur Erdung und natürlich zur praktischen Umwelterziehung. Das Projekt "Draußen daheim" könnte es daher künftig wieder geben, oder auch regelmäßig in kleinerem Rahmen übers ganze Jahr verteilt. Die Aktive Schule Petershausen, so das Ziel, soll auch eine nachhaltige Schule werden.

© SZ vom 15.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: