Afrikanische Kunst in Niederroth:Die Stimme der Stummen

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Gideon Gomos Plastiken, die von Sonntag an in Niederroth zu sehen sind, spiegeln eindrücklich die Erfahrungen mit Krieg und Entwurzelung wider

Von Renate Zauscher, Markt Indersdorf

Dank Kristin Diehl und ihrer Galerie ConArtz gibt es im Dachauer Hinterland Kunst aus Afrika: In einem ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäude eines großen Hofs an der Münchner Straße in Niederroth zeigt sie jeden Herbst Arbeiten afrikanischer Künstler aus Simbabwe und lädt wechselnde Vertreter der dortigen Kunstszene dazu ein.

In diesem Jahr ist Gideon Gomo zu Gast. In Dachau ist der 35-Jährige längst kein Unbekannter mehr: Seine Arbeiten waren bei der Jubiläumsausstellung der KVD 2014 zu sehen, auch bei der Sommerakademie gab er mehrfach Workshops in Bildhauerei. Auch an anderen Orten in Afrika und Europa hat Gomo seine Werke schon vielfach präsentiert. Bekannt ist er vor allem in seiner Heimat: Er hat in Harare, der Hauptstadt Simbabwes, studiert, war zwei Jahre lang "Artist in Residence" der dortigen Nationalgalerie und hat sich an zahlreichen Ausstellungen im Land beteiligt. 2004 gewann Gomo den ersten Preis in der Kristin-Diehl-Competition", ein von der deutschen Sammlerin und Galeristin initiierter Wettbewerb in Simbabwe, der jungen Künstlern ein Forum bietet.

In der Kunsthalle ConARTz kann man sich einen Überblick über Gideon Gomos Werk verschaffen. Hier: "Jemanevadya". (Foto: Toni Heigl)

Die Schau in Niederroth, wo Gideon Gomos Arbeiten von Sonntag, 9. September, bis zum 30. September zu sehen sind, bietet einen großen Überblick über das Werk des Künstlers. Dabei wird deutlich, dass es in seinen Arbeiten zwar durchaus Bezüge zum Werk anderer Bildhauer und einer entsprechend reichen Tradition des plastischen Gestaltens im Land gibt, dass Gomo aber eine ganz eigene, stark mit Symbolen arbeitende Bildsprache entwickelt hat. Ihm ist nicht in erster Linie die Ästhetik der Arbeiten wichtig sondern das, was er mit ihnen mitteilen will: Seine Plastiken sprechen eindringlich von den Erfahrungen, die er in seinem Land, einem der ärmsten der Welt, und auch in seiner eigenen Familie gemacht hat.

In der Kunsthalle ConARTz kann man sich einen Überblick über Gideon Gomos Werk verschaffen: oben "Jemanevadya", links "Aftermath", rechts "Livingon." (Foto: Toni Heigl)

So hat er sich bereits als 19-Jähriger in seiner allerersten bildhauerischen Arbeit, die den Titel "Aftermath" trägt, mit den Folgen von Hass und Krieg beschäftigt: Die vier menschlichen Gesichter, die er aus einem Holzstamm herausgearbeitet und ihnen ein eisernes Rüstungsschild zur Seite gestellt hat, blicken in verschiedene Richtungen - Sinnbild für den Menschen, der, vom Krieg gezeichnet und verändert, neue Orientierung suchen muss. Als Anklage all derer, die sich heuchlerisch auf die Seiten der armen, leidenden Bevölkerung schlagen, ohne wirklich dazuzugehören, ist die großformatige Skulptur "Jemanevadya" - eine kaum übersetzbares Wort aus der Shona-Sprache - gedacht, die den Besucher vor der Tür des Ausstellungsraums empfängt.

Aber auch viel ganz Persönliches, Privates, fließt in das Werk von Gomo ein. So hat der Büffelkopf mit dem Titel "Livingon" mit dem Bewusstsein des Künstlers zu tun, dass seine früh verstorbenen Eltern dennoch immer in seinem Leben präsent sind und dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine Einheit bilden. Auch Bezüge zu animistischen Glaubensvorstellungen habe er mit dieser Arbeit herstellen wollen, sagt Gomo.

In manchen seiner weiblichen Figuren, oft mit offenem Mund oder mit dem langen, wellenartig gefächerten Schwanz einer Meerjungfrau, stellt Gomo den Bezug zum Wasser her, einem Element, das ihm sehr wichtig ist. Aber auch die Sehnsucht nach der Mutter, die er bereits als Zehnjähriger verloren hat, und mit ihr nach einer kompletten Familie, habe er darin verarbeiten wollen. Die offenen Münder sind bei Gomo mehr als nur formales Element: "Wir müssen reden, rufen, singen von unserem Leid, von unseren Erfahrungen", sagt er - er sehe sich selbst als Stimme für die vielen anderen, ungehörten, zu oft nicht wahrgenommenen Stimmen in seinem Land und seiner Gesellschaft.

Das Material, mit dem Gideon Gomo arbeitet, ist in erster Linie Stein, fast immer Serpentin in verschiedenen Färbungen, wobei die rotbraune, rindenartige Oberfläche des Serpentins häufig als Kontrast zum grünlichen, gelegentlich auch hell wasserfarbigen Stein eingesetzt wird. Zusätzliche Akzente setzt Gomo mit der Verwendung von Kupfer- und Messingblech, Aluminiumnieten oder auch, wie etwa bei "Livingon", von Horn. Oft kehrt er über Jahre hinweg zu ein und derselben Arbeit zurück, bis er für das, was er ausdrücken will, die endgültige Form gefunden hat. Damit unterscheidet er sich fundamental von manch anderen Künstlern seines Landes, die - um finanziell überleben zu können - einen globalisierten Kunstmarkt mit schnell erzeugten Objekten bedienen.

Die Arbeiten von Gideon Gomo und anderen Künstlern aus Simbabwe sind in der Galerie ConARTz in Niederroth, Münchner Straße 17, vom 9. bis 30. September zu sehen, jeweils am Freitag von 16 bis 19 Uhr, samstags von 15 bis 19 Uhr und sonntags von 11 bis 19 Uhr. Besuchstermine können auch telefonisch unter 0163 /256 82 46 oder per E-Mail (kristin.diehl@t-online.de) vereinbar werden. Nähere Infos unter www.conartz.de. Von der S-Bahn-Station Niederroth (S 2) ist die Galerie in fünf Minuten zu Fuß erreichbar. Gideon Gomo bietet parallel zur Ausstellung vom 18. bis 22. September einen Workshop an; zwei Plätze sind noch frei.

© SZ vom 08.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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