"Accordion Arts Projekt":Dudelsack und Echolot

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Den Klangraum der alten romanischen Basilika am Petersberg weiß Christian Zagler mit seinen Akkordeon-Stücken eindrucksvoll auszufüllen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Christian Zagler zeigt die Klangfülle des Akkordeons

Von SONJA SIEGMUND, Erdweg

Mit dem Akkordeon verbindet man hierzulande vor allem traditionelle Volksmusik und nostalgische Seemannsromantik. Wie kongenial sich dieses Instrument auch für klassische Werke und zeitgenössische Kompositionen eignet, konnten die Besucher am Samstagabend in der alten Basilika auf dem Petersberg erleben. Dem Akkordeonisten Christian Zagler ist dieses Konzerterlebnis in einer der wenigen Kirchen Bayerns zu verdanken, die in ihrer romanischen Architektur nahezu unverfälscht erhalten ist. Auf dem Programm seines ersten Solokonzerts in der Reihe "Accordion Arts Projekt" standen Werke von Astor Piazzolla, berühmte Filmmusik und Traditionals in neuem Gewand.

Bei seiner kurzen Begrüßung wies "Hausherr" Pfarrer Josef Mayer auf die Besonderheit des Veranstaltungsorts hin und empfahl den Besuchern, diesen akustischen Raum auf sich wirken zu lassen. In diesem Kontext ging er auch auf die Folgen der Klimaerwärmung ein, die in diesem Jahr "überdeutlich spürbar" seien, "denn so warm war es in der Basilika noch nie".

Mit der Komposition "Tanti anni prima", zunächst als "Ave Maria" von Astor Piazzolla komponiert, gelang Christian Zagler ein gefühlvoller Einstieg in das Konzert. Piazzolla (1921 bis 1992), Komponist und Bandoneon-Spieler, gilt als Begründer des "Tango Nuevo", der sowohl vom Jazz als auch von der Klassik beeinflusst wird. Bei seinen Kompositionen hat sich der Argentinier gerne an Johann Sebastian Bach, Maurice Ravel, Béla Bartók und Igor Strawinsky orientiert. Dennoch verliert Piazzolas "Tango Nuevo" nie das Romantische, die Leidenschaft und Dramatik des traditionellen Tango.

Ein Feuerwerk der Emotionen von tiefer Trauer bis hin zu höchsten Glücksgefühlen entfachte auch Christian Zagler mit Piazollas musikalischer Ballade "Chiquilin de Bachin". Wie Moderator Peter Natterer erklärte, wird die wahre, anrührende Geschichte von einem armen Jungen in Buenos Aires erzählt, der einem wohlhabenden, aber unglücklichen Herren immer wieder Rosen verkauft und dafür dessen ganzes Vermögen erbt. Christian Zagler ist ein Meister der leisen, subtilen Töne mit universellen Fähigkeiten: Er kann sein Instrument singen, schluchzen, trauern und triumphieren lassen. Zagler entlockt seinem Akkordeon die ganze Bandbreite an Emotionen, die dieses einzigartige Instrument hervorzurufen vermag.

Das Nebeneinander von Trauer und Lebenslust, von leidenschaftlichen Tanzweisen mit Anklängen an Orgelspiel und Klezmermusik war immer schon charakteristisch für den traditionellen Tango. Das meist ältere Publikum war fasziniert von Zaglers individueller und virtuoser Spielart mit dem typischen "Schmelz" des Akkordeons, der berührt und inspiriert. Der in Unterweikertshofen ansässige Akkordeonist tritt seit vielen Jahren als Unterhaltungs- und Konzertmusiker auf. Seit rund 20 Jahren gibt er auch Unterricht auf der Steirischen Ziehharmonika sowie im klassischen und modernen Klavierspiel. Darüber hinaus absolviert er derzeit ein Studium am Hohner-Konservatorium zum staatlich geprüften Musikpädagogen.

Wie vielfältig Akkordeonmusik sein kann und zugleich einzigartig, wurde einmal mehr bei Neuinterpretationen von oscarprämierter Filmmusik deutlich. Nicht nur passionierten Cineasten dürfte die Titelmusik zum Film "Das Boot" nach den Kriegserlebnissen von Lothar-Günther Buchheim aus den 1980er Jahren in Erinnerung geblieben sein. Zagler hat die von Klaus Doldinger komponierte Filmmusik, mit der die Sinnlosigkeit und Grausamkeit von Kriegen thematisiert wird, für Soloakkordeon kongenial neu bearbeitet, so dass die Zuhörer die Unterwassergeräusche des Dieselmotors der U96 förmlich miterleben konnten. Nicht weniger Dramatik, Trauer, ohnmächtige Wut und Schmerz war in der für Akkordeon arrangierten Titelmelodie zu dem Film "Schindlers Liste" von Steven Spielberg zu erspüren. Als Uraufführung kündigte der Moderator das Traditional "Amazing Grace" an, ursprünglich als Kirchenlied komponiert, das zum weltweit bekannten Protestlied gegen Sklaverei und zur Hymne für Menschenrechte avanciert ist. Ein Klangerlebnis der besonderen Art war die von Zagler arrangierte Dudelsack-Version, die einmal mehr die Vielseitigkeit und Klangfülle des Akkordeons aufzeigte. Dass er sein Publikum damit überzeugt hat, bewies der lang anhaltende Applaus, der mit zwei Zugaben belohnt wurde. Einer Fortsetzung dieser wunderbaren Konzertreihe dürfte somit hoffentlich nichts im Wege stehen.

© SZ vom 07.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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