Abschlussveranstaltung des "Poetischen Herbsts":Deftiges Dessert mit pikanter Note

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Bei der vogelwuiden Volksmusik der Kapelle "Kaiserschmarrn" bleibt im Freudenhaus Kleinberghofen kein Auge trocken. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Blaskapelle "Kaiserschmarrn" schließt den diesjährigen "Poetischen Herbst" im Freudenhaus Kleinberghofen würdig ab

Von Dorothea Friedrich, Erdweg

Süß und gehaltvoll. So begann und so endete der diesjährige "Poetische Herbst" im Landkreis Dachau mit seinem Motto "An Guadn!" Das war eine runde Sache, nicht nur kulinarisch betrachtet: Die leicht verdauliche Komödie "Ein Herz aus Schokolade" im Hoftheater Bergkirchen gab den Kochlöffel- und musikalischen Takt vor. Elf junge Leute servierten zum krönenden Abschluss am Sonntagabend im Kleinberghofener Freudenhaus einen "Kaiserschmarrn" der anderen Art, nämlich einen gehaltvollen, deftig-bayerischen.

Kaiserschmarrn ist eine Blaskapelle modernen Zuschnitts, fällt also unter die vom Bayerischen Rundfunk liebevoll gepflegte Spezies Heimatsound. In diesem speziellen Fall ist der Heimatsound nicht auf eine Region begrenzt. Ihren Ursprung hat die Kapelle in Wörth an der Donau, doch mittlerweile servieren die Musikerinnen und Musiker aus fast allen bayerischen Landesteilen einen vogelwuiden Klangmix mit "Oberpfälzer-waidlerischem Schpirit". Der Spirit schlägt schnell voll aufs Publikum im ausverkauften Freudenhaus-Festsaal durch.

Der Eigentümlichkeiten des Dialekts Unkundige rätseln über einige Liedtexte, stellen waghalsige Vermutungen an, ob die Madln und Burschen auf der Bühne - alle in Dirndl und Lederhose - möglicherweise das Liedgut unbekannter tschuktschischer Vorfahren aus dem östlichen Sibirien eingeschmuggelt haben. (Haben sie nicht.) Sie diskutieren mit gebürtigen Bayerwäldlern über die korrekte Schreibweise von "Woid" und "Waidler". Sie bestellen Schweinsbraten und selbstredend Kaiserschmarrn, dessen Namensgeber der Fama zufolge Kaiser Franz Josef I. war, der stocksteife Gatte der vom Schönheitswahn besessenen Sisi. Das wiederum wissen etliche auf den "Poetischen Herbst" abonnierte Freudenhaus-Gäste, weil sie bereits in der Lauterbacher Schlossküche Aufklärung über "Ludwigs Lust und Sisis Sünd" erhalten hatten, eines der vielen Poetischer-Herbst-Schmankerln. Demnach soll der Kaiserin die vom Hof-Pâtissier eigens kreierte Eierspeise zu fett gewesen sein und Seine Majestät soll ausgerufen haben: "Na geb' er mir halt den Schmarrn her."

Eher Handfestes serviert dagegen die Kapelle mit dem zu Wortspielereien animierenden Namen. Diverse "Zwiefache mit saublödem Text" spielt sie mit nicht zu bremsender Begeisterung und so wunderbar schräg, dass es einem altväterlichen Blaskapellen-Dirigenten nur so gegraust hätte. Kaiserschmarrn dagegen kennt keine Berührungsängste, setzt auf Tradi-Mix, wie die Musiker das hübsch neudeutsch nennen. So übersetzen sie auch schon mal ein Oberpfälzer Lautgemälde à la "Des is a Säissa, des is a Gouder" "für die Münchner auf Hochdeutsch", spitzbübisches Grinsen und schräge Töne inklusive.

Die Stimmung im Saal steigt. "Die Gamserl schwarz und braun" animieren die eine oder andere Zuhörerin zu begeisterten Juchzern, die jeder Musikantin Ehre gemacht hätten. Was der Bauer so im Garten treibt, ist zwar auf den Textblättern schamhaft mit Sternchen markiert, wird aber in der Wirtshausrealität in voller Länge ausgesungen. Wann hat man schließlich schon mal Gelegenheit, derbste Sprüche zu klopfen - in diesem Fall zu singen - ohne ein pikiertes Augenbrauenheben der Tischnachbarn befürchten zu müssen.

Die Frage, was das Poetische an einem so lustigen Herbstabend sein soll, beantwortet sich damit von selbst: Die Kapelle Kaiserschmarrn und ihr Publikum pflegen ein Stück Volkskultur, bei dem es weder auf geschliffenes Versmaß noch auf ausgefeilte Tonfolgen ankommt, sondern auf ein fröhlich-friedliches Miteinander. Das ist wohl die beste Zutat zu der stimmig und sinnig-sinnlich arrangierten musikalisch-literarisch-kuliniarischen Menüfolge des Poetischen Herbstes 2018.

© SZ vom 30.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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