Abschied von der tristen Welt:Countdown für die Wunderkerzenrakete

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Im Bauch des Papiertheaters: Rasso Kaut zeigt, wie sich die Figuren an einem Gestänge bewegen können. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das Indersdorfer Papiertheater "Theatrum Augustinum" macht aus der Operette "Frau Luna" eine fantasievolle "Mondromanze"

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Der Traum vom Fliegen faszinierte seit jeher die Menschen. In der griechischen Mythologie gibt es die Geschichte von Dädalus und Ikarus, die sich mit selbstgebastelten Flügeln in die Lüfte schwangen. Die Brüder Montgolfier erfanden im Juni 1783 den Heißluftballon, kurz darauf stieg der erste bemannte Ballon bei Paris in den Himmel. Mehr als hundert Jahre später bastelt auch der Mechaniker Fritz Steppke an einem Heißluftballon, mit dem er eine Fahrt zum Mond unternimmt. Mit in der Gondel sitzen seine besten Freunde Lemmermeier und Pannecke, die wie Steppke der Berliner Tristesse Ende des 19. Jahrhunderts entfliehen wollen. Der Mond entpuppt sich als amouröser Vergnügungspark. Steppke bandelt mit Frau Luna an, Pannecke mit Frau Venus und Lemmermeier mit Stella. Am Ende reisen die drei Erdbewohner mit der Erkenntnis zurück, dass es auf dem Mond auch nicht anders zugeht als in der heimischen Mansardenwohnung. Steppke findet zu seiner Verlobten Marie zurück, und das Fliegen wird zu seinem Beruf: Er erhält eine Stelle beim Luftschiffkapitän Graf Zeppelin.

Ziemlich fantastisch und burlesk, diese Handlung der "Mondromanze", die das Indersdorfer Papiertheater "Theatrum Augustinum" frei nach der Operette "Frau Luna"von Paul Lincke bearbeitet hat. Die Operette wurde 1899 in Berlin uraufgeführt. Das deutsche Kaiserreich hatte in jenen Jahren seine Blütezeit. Berlin erlebte einen Wirtschaftsboom, die Reparationszahlungen nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich spülten viel Geld in die Kasse der Hauptstadt. Durch die Industrialisierung wurden viele Familien reich. Doch es gab auch eine andere Seite in Berlin: Die Arbeitssuchenden, die massenhaft in die Großstadt strömten, lebten in dunklen Hinterhöfen. Zukunftsangst machte sich bei ihnen breit. Das gilt auch für die drei Helden der fantastischen Operette. Sie wollen raus aus ihrer tristen Welt und richtige Abenteuer erleben. Was böte sich dafür besser an als eine Reise zum Mond, wo sie auf Frau Luna, Frau Venus oder Prinz Sternschnuppe stoßen. Die amourösen Verwicklungen nehmen ihren Lauf.

Komponist Paul Lincke und der Librettist Heinrich Bolten-Baeckers konnten sich schon zu ihrer Zeit eine Fahrt zum Mond vorstellen. Aber wie kann man das mit einem kleinen Gasbrenner schaffen? Und wie funktioniert die Navigation? Wibke von Beust und Susanne Weis, die als Conférenciers die Akte des Stückes verbinden, erklären das mit dem Berliner Organisationstalent. Der Berliner Flughafen oder die Staatsoper unter den Linden sind zwar kein gutes Beispiel dafür. Aber im Organisieren seien die Berliner Steppkes auch nicht schlechter als die Indersdorfer. Das könne man bei der Umgehungsstraße und dem Marktplatz sehen, sagt eine der beiden Damen augenzwinkernd.

Die "Mondromanze" ist bereits das siebte Stück, das das Indersdorfer Papiertheater zur Aufführung bringt. Es gehe darin um die großen Themen des Lebens wie Liebe, Glück oder Enttäuschung, sagt Regisseur Rasso Kaut. Solche Gefühle kämen in der nostalgischen Darstellung des Papiertheaters sehr gut rüber. Dieses große Theater in kleinem Format war seit jeher auch Bildungstheater. In der Biedermeierzeit wurden auf diese Weise die großen Dramen im Wohnzimmer aufgeführt. Kaut sieht das Papiertheater als Gegenpol zu den modernen Medien, bei denen es nur noch um Effekthascherei und Sensationen gehe. Der Regisseur sieht das "Theatrum Augustinum" als Indersdorfer Gesamtkunstwerk, weil daran viele Bewohner des Ortes und aus der Umgebung beteiligt sind. Der Indersdorfer Hans-Jürgen Schulmayr hat beispielsweise den Ballon und eine Rakete gebastelt, mit denen die Figuren zum Mond fliegen. Aus der Rakete kommt sogar Feuer. Ihr Antrieb ist eine Wunderkerze.

Premiere im Augustiner Chorherren Museum ist am Freitag, 13. April, 19 Uhr. Weitere Vorstellungen am Samstag, 14. April, 19 Uhr und Sonntag, 15. April, 16 Uhr. Der Eintritt kostet 10 Euro. Kartenvorverkauf VHS Indersdorf, Telefon 08136/938835.

© SZ vom 04.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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