Abbruch der MD-Papierfabrik:40 Sattelzüge täglich auf Dachaus Straßen

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Elf Jahre nach der Stilllegung beginnt im Januar 2019 der Abbruch der Gebäude auf der 17 Hektar großen MD-Industriebrache, auch kontaminierter Boden wird abgetragen. Der Eigentümer des Areals geht finanziell in Vorleistung, die Stadt will jetzt rasch Baurecht schaffen

Von Petra Schafflik, Dachau

Die Gebäude an der Ostenstraße werden in der ersten Bauphase von Januar 2019 an abgerissen. (Foto: Toni Heigl)

Jetzt tut sich endlich etwas auf dem MD-Gelände. Schon im Januar werden Bagger und Abbruchgeräte auffahren, um Stück für Stück die alten Industrieanlagen auf dem Areal der 2007 stillgelegten Papierfabrik niederzureißen und belasteten Boden abzutragen. So sieht es ein Konzept vor, das im Bauausschuss des Stadtrats und bei einer Pressekonferenz im Rathaus vorgestellt wurde. Ziel ist, dass erste Flächen Anfang 2021 saniert sind und die gesamte 17 Hektar große Industriebrache bis 2022 vollständig von Altlasten frei ist. Bis dahin werden 300 000 Tonnen Bodenabraum weggefahren, 700 000 Kubikmeter Gebäude abgebrochen, 40 Sattelzüge täglich das alte Werksgelände über die Ostenstraße verlassen und durch die ohnehin vom Verkehr stark belastete Stadt fahren.

Die gute Nachricht: Die Belastung mit schädlichen Stoffen wie Lösungsmitteln, Maschinenöl oder Schlacke ist deutlich geringer, als es nach einer erste Studie zu befürchten stand. Über den Startschuss für die Abbrucharbeiten zeigte sich Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) hocherfreut. "Das ist ein gewaltiger Schritt nach vorne." Ganz entscheidend: Die Isaria Dachau Entwicklungsgesellschaft als Grundeigentümerin geht mit dem Abbruch in Vorleistung, ohne dass auf dem Areal bereits Baurecht besteht. Das vom Stadtrat stets gefürchtete Szenario, dass unproblematische Filetgrundstücke verkauft werden und belastete Flächen in eine Insolvenz münden, ist damit "de facto ausgeschlossen", so Bauamtsleiter Michael Simon. "Bis Baurecht entsteht, sind die Altlasten schon weg", betont der OB. Die Entscheidung von Isaria nennt Hartmann deshalb "einen Meilenstein".

Viel ist um die Entwicklung der 17 Hektar großen Industriebrache mitten in der Stadt diskutiert worden, seit im Juni 2007 die Arbeiter nach ihrer letzten Schicht das Gelände verlassen hatten. Im Fokus stand das richtige Verhältnis von Wohnen und Arbeiten, der Erhalt des Mühlbachs, die schwierige Verkehrserschließung, die Idee eines Museumsforums. Offen blieb bislang die für die Zukunft des Areals ganz wesentliche, wenn nicht entscheidende Frage. Nämlich die nach dem Umfang der Altlasten und einem Konzept für ihre umweltgerechte Entsorgung. Konkrete Antworten gibt nun eine Untersuchung des vom Eigentümer Isaria beauftragten Münchner Ingenieurbüros Campus. Die auf Altlastensanierung spezialisierten Experten haben einen detaillierten Arbeits- und Zeitplan entwickelt. Der sieht vor, von Januar an zeitversetzt Gebäude abzubrechen und kontaminiertes Erdreich abzufahren. Das gesamte Areal soll bis heran an die zu erhaltenden denkmalgeschützten Gebäude vollständig von etwaigen Schadstoffen befreit und für eine Bebauung freigemacht werden. Parallel wird die Stadt ebenfalls vom kommenden Jahr an das Bebauungsplanverfahren durchführen, sobald der Stadtrat als Nachfolger für die bisher verantwortlichen Darmstädter Architekten Trojan und Trojan ein neues Planungsbüro bestimmt hat. Wenn alles planmäßig läuft, werden erste MD-Flächen saniert und für eine Bebauung bereit sein, wenn zeitgleich der Stadtrat mit einem Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan auch das Baurecht schafft. Die Entscheidung von Isaria, anders als der Voreigentümer mit dem Abbruch zu starten, bevor Baurecht besteht, zeige deutlich die Bereitschaft des Unternehmens, "flexibel im Sinne der Interessen der Stadt und ihrer Bürger zu agieren", sagte Isaria-Vorstand Henrik Stratz beim Pressegespräch. Vor allem beendet das Unternehmen so den langen Stillstand und verkürzt den Entwicklungszeitraum. Und tatsächlich geht Isaria finanziell in großem Umfang in Vorleistung. Den Abbruch eines Industrieareals ohne Baurecht "finanziert keine Bank", so Stratz. Die Kosten, ein zweistelliger Millionenbetrag, trage das Unternehmen daher aus seinem Eigenkapital.

Da ist es natürlich besonders erfreulich, dass nach den aktuellen Untersuchungen deutlich weniger Altlasten zu entsorgen sind, als das eine erste Grobuntersuchung 2014 noch geschätzt hatte. Damals dachte man, dass über das gesamte Areal der Boden bis in sechs Meter Tiefe abgegraben werden muss. Jetzt stellt sich die Situation deutlich unproblematischer dar. "Wir haben viele kleine Teilflächen gebildet", erläutert Andreas Hanke vom Büro Campus. Mit dem Ergebnis, dass auf einigen Arealen tatsächlich das Erdreich bis in die bisher vermuteten sechs Meter Tiefe kontaminiert ist. Andere Flächen dagegen haben sich als kaum belastet erwiesen. "Im Mittel müssen wir den Boden nur bis zu einer Tiefe von 2,50 Meter abtragen", erklärt Hanke. Positiv ist auch das Ergebnis einer "Bodenluftuntersuchung", die ergab, dass leichte Kohlenwasserstoffe in Verdachtsflächen nicht in signifikanten Werten gefunden wurden. Ein Grundwasser-Monitoring überwacht weiter die Belastung, Hanke gibt "vorsichtige Entwarnung." Insgesamt also gute Voraussetzung für die Sanierung, die bereits im kommenden Januar starten wird. Zunächst werden auf dem zentralen Betriebsgelände Gebäude wie ehemalige Bleiche, Zellstofflager, alte Werkstatt und Betriebsratsgebäude abgebrochen. Fallen wird auch bereits die Materialbrücke, die bisher vom Holzplatz die Ostenstraße überquert hat. Die spezielle Belastung des werkseigenen Heizkraftwerks wird noch untersucht, der Abbruch des markanten Gebäudes ist für 2020 geplant. Über die gesamte Abbruchphase hinweg werden stets an einer Stelle Abbrucharbeiten durchgeführt, an anderer Stelle Boden abgegraben. Dadurch wird ein kontinuierlicher Materialfluss erreicht, es stehen immer Flächen für die Lagerung von Abbruchmaterial bereit. Die Arbeiten umfassen das Zentralgelände, den Holzlagerplatz und die sogenannten Mayr-Terrassen mit der stillgelegten Kläranlage.

Die Lastwagen fahren wie früher die Papierspeditionen über die Ostenstraße stadteinwärts. Die naheliegende Option, den Bahnanschluss des Betriebsgeländes zu nutzen, funktioniere nicht, erklärte Hanke. Denn Abbruch- und Abraummaterial müssten je nach Kontamination zu ganz unterschiedlichen Deponien gebracht werden. Allerdings gebe es für die Lkw-Transporte ein Verkehrskonzept. Auch wenn es ohne eine gewisse Belastung für die Bürger nicht gehen wird: Ohne Altlastensanierung keine Entwicklung auf dem MD-Gelände, sagt Hartmann, der sich "freut auf den ersten Lkw, der wegfährt".

© SZ vom 23.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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