74. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz:Rechter Aufmarsch beim Holocaust-Gedenken

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Die Dachauer Delegation, die nach Oświęcim gereist war, ist entsetzt und sucht das Gespräch mit polnischen Politikern

Von Thomas Radlmaier, Oświęcim/Dachau

Der Auftritt einer nationalistischen und antisemitischen Gruppe hat die Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des internationalen Holocaust-Gedenktages am Sonntag in der polnischen Stadt Oświęcim überschattet. 74 Jahre nachdem Soldaten der Roten Armee die Überlebenden des KZ Auschwitz befreiten, protestierten etwa 50 Personen vor der Gedenkstätte gegen in ihren Augen falsche Erinnerungskultur. Laut der Tageszeitung Die Welt, ist der Anführer der Gruppe Piotr Rybak, ein vorbestrafter Nationalist und offener Antisemit, der 2015 in Wrocław eine Puppe verbrannte, die einem orthodoxen Juden nachempfunden war. Ein Plakat der Gruppe zeigte das Tor von Auschwitz in den Farben der deutschen Flagge, darüber: "Made in Germany, Auschwitz-Birkenau".

Zudem störte eine Gruppe von etwa 50 schwarz gekleideten Menschen zuvor eine Gedenkveranstaltung auf dem Platz am Denkmal des unbekannten Soldaten, bei der auch eine Delegation aus Dachau um Landrat Stefan Löwl (CSU) einen Kranz niederlegte. "Wir waren alle schockiert", sagte Löwl. "Ein solcher Aufmarsch an den Gedenkorten von Hass, Gewalt, Antisemitismus und Nationalismus ist beschämend und furchtbar."

"Das war sehr befremdlich"

Dachaus zweiter Bürgermeister Kai Kühnel (Bündnis) sprach von einem "martialischen Auftreten" der Gruppe. Deren Mitglieder hätten paramilitärische Uniformen samt Armbinden getragen und seien forsch auf den Zentralplatz marschiert. "Das war sehr befremdlich." Auf Fotos ist zu sehen, dass auf den Armbinden die Falanga prangt, das Symbol der rechtsextremen polnischen Partei ONR aus den dreißiger Jahren. Löwl erzählt, dass sich die Dachauer Delegation bewusst weggedreht habe, als die Gruppe vorbeimarschierte.

Unter dem Eindruck der Gedenkveranstaltungen kamen Löwl, die Partnerschaftsbeauftragte Marese Hoffmann (Grüne) sowie die Kreisräte Eva Rehm (CSU) und Michael Reindl (FW) zu einer Arbeitssitzung mit polnischen Politikern zusammen, darunter der neue Landrat von Oświęcim, Marcin Niedziela. Außerdem traf man den deutschen Generalkonsul Michael Groß. Auch die polnischen Politiker sowie der Konsul seien überrascht gewesen, sagte Löwl. Einen solchen Aufmarsch von Nationalisten habe es zuvor noch nie gegeben.

Landrat Stefan Löwl postet auf Facebook einen "Aufschrei"

Gleichwohl betonte er: "Dieser provokante Auftritt bestärkt uns jedoch im gemeinsamen Einsatz für ein liberales, offenes und friedliches Europa und unsere Partnerschaft." Man wolle die Partnerschaft weiterentwickeln und werde sich gemeinsam gegen Antisemitismus und Nationalismus stellen und "für die Idee und die Werte Europas im Vorfeld zur Europawahl" werben. Auch Konsul Groß forderte, gerade in diesen Zeiten die Kontakte auf kommunaler Ebene engagiert zu pflegen.

Auf Facebook postete Löwl vor dem Hintergrund der Gedenkfeiern einen Kommentar, den er als "Aufschrei" verstanden haben will. Er zitiert darin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Worten, "dass wir auch Verantwortung dafür tragen, dass wir null Toleranz gegen Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit, Hass und Rassenwahn zeigen". Er sei "erschüttert, aber bereit".

© SZ vom 29.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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