200 Tage im Amt:Vertrauen gewonnen

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Seit dem Frühjahr ist Markus Hertlein Bürgermeister von Hilgertshausen-Tandern. Der Bauingenieur und gebürtige Schwabe überzeugt mit seiner zugewandten Art und seinem Talent für gute Planung die Bürger beider Gemeindeteile

Von Benjamin Emonts, Hilgertshausen-Tandern

Markus Hertlein, der amtierende Bürgermeister der Ortschaften Hilgertshausen und Tandern, hat ein kleines Glöckchen, mit dem er für Ruhe im Gemeinderat sorgt. Manche mögen das zu lehrerhaft finden. Die Gemeinderäte aber stören sich offenbar nicht an der Glocke. Im Gegenteil: Über ihren Bürgermeister Markus Hertlein, der inzwischen fast 200 Tage in Amt und Würden ist, sagen sie bislang nur Gutes. "Man merkt, dass ihm der Job richtig Spaß macht. Wir sind zufrieden mit ihm", lobt etwa Hans Glas von der Bürgerliste Tandern, der die Hilgertshausener Bürgermeister immer sehr kritisch beäugt. Und der SPD-Landtagsabgeordnete und Gemeinderat Martin Güll findet: "Markus Hertlein ist ein echter Gewinn für die Gemeinde."

Hertlein, gebürtiger Schwabe, übernahm am 1. Mai die Nachfolge von Hans Kornprobst (CSU), der aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig ausschied. Die Liebe hatte Hertlein vor mehr als zwölf Jahren in den Landkreis Dachau geführt. Seine Frau Gabriele, mit der er zwei Töchter hat, stammt aus einer im Dorf tief verwurzelten Familie. Die Bürgermeisterwahl entschied der 45-Jährige als Kandidat der Freien Wählergemeinschaft Hilgertshausen (WGHT) mit 64,4 Prozent der Wählerstimmen deutlich für sich gegen seinen Herausforderer, den Schreinermeister Norbert Schneider (CSU). Und doch wussten viele in der Gemeinde anfangs nicht so recht, was sie von Hertlein als Bürgermeister erwarten durften.

Zehn Schläge, um das Fass anzustechen

Das problemlose Anzapfen von Bierfässern, das von einem bayerischen Bürgermeisters erwartet wird, lief zunächst gehörig schief. Im Juli, ausgerechnet beim 90. Geburtstag des örtlichen Sportvereins, benötigte Hertlein nicht weniger als zehn Schläge, um das erste Fass Festbier anzustechen - ein geradezu astronomisch hoher Wert für bayerische Verhältnisse. In der Ortschaft ergossen sich Hohn und Spott über den neuen Bürgermeister. "Aber ich habe es psychisch überstanden", sagt er.

Typisch Bayern: Dass Hilgertshausen-Tandern nun einen schwäbischen Bürgermeister hat, scheint der Gemeinde gut zu bekommen. Ein Baulandmodell und der Glasfaseranschluss für alle Ortsteile sind auf den Weg gebracht. Die Einwohner sind zufrieden mit ihrer Wahl. (Foto: Niels P. Joergensen)

Hertlein weiß auf anderen Gebieten zu überzeugen. Noch am ersten Tag seiner Amtszeit wurde ihm ein Wasserschaden im Tanderner Kindergarten gemeldet. Der Bauingenieur und Projektleiter Hertlein packte die Sache sofort an. Im Eiltempo ließ er eine außerplanmäßige Investition genehmigen und den Schaden reparieren. Mit seinem entschlossenen Vorgehen sammelte er gleich ein paar Punkte Anerkennung bei seinen Kollegen.

"Manchmal ist ein reinigendes Gewitter notwendig"

Seine Führungsposition untermauerte er vor wenigen Wochen beim Projekt Tanderner Feuerwehrhaus, das neu errichtet werden soll. Kurz vor Baubeginn standen immer noch nicht die Kosten für den Neubau fest. Hertlein erwirkte deshalb kurzerhand einen Projekt-Stopp und berief eine Krisensitzung ein. Aus seiner langjährigen Erfahrung als Projektleiter und Bauingenieur habe er gelernt: "Man darf nicht einfach mal anfangen und dann schauen, was das Projekt am Ende kostet." Hertlein besteht auf exakt formulierten Zielen, einem verbindlichen Kostenvoranschlag und einem möglichst genauen Terminplan für die Projekte im Ort. "Manchmal ist ein reinigendes Gewitter notwendig", sagt er. Danach hätten sich alle intensiv mit dem Projekt beschäftigt. "Jetzt läuft es wieder in die richtige Richtung."

Noch bevor Hertlein ins Rathaus einzog, hatte er sich intensiv über die Zukunft der Hilgertshausener Kläranlage Gedanken gemacht. Sie ist inzwischen mehr als 40 Jahre alt und in die Jahre gekommen. Das Wasserwirtschaftsamt erteilt seine Genehmigung für die alte Kläranlage nur noch unter dem Vorbehalt, dass die Gemeinde bald eine zukunftsfähige Lösung findet. Hertlein war zunächst der Meinung, ein Anschluss an die Kläranlage in Reichertshausen sei die beste Lösung. Ein Gutachten habe ihn mittlerweile zum Umdenken bewegt. Demnach wäre der Anschluss an Reichertshausen nicht wirtschaftlich, weil Kanalbauten und eine Kläranlagenerweiterung erforderlich wären. Nun ist der neue Bürgermeister damit beschäftigt, einen Neubau in Hilgertshausen zu planen und die entstehenden Kosten abzuschätzen. Sie werden wohl in die Millionen gehen.

Nach fast 200 Tagen im Amt hört man nur Positives über Markus Hertlein. Sein nächstes Projekt: endlich ein Kinderbetreuungskonzept verabschieden. (Foto: Toni Heigl)

Als erste Erfolge wertet Hertlein, dass die Gemeinde nun "fraktionsübergreifend" ein europarechtskonformes Baulandmodell verabschiedet habe, das seit 1. Oktober gilt. Außerdem stehe der Breitbandausbau mit Glasfaser auf den Außengehöften der Gemeinde kurz vor der Umsetzung. Die zwei Hauptorte sollen über das sogenannte Vectoring schnelleres Internet bekommen. Der Bebauungsplan für das Gebiet westlich der Münchner Straße sei nun fertig. In ungefähr einem Jahr sollen hier die Bauarbeiten beginnen und 26 Wohneinheiten in Ein- und Mehrfamilienhäusern entstehen.

Die wahre "Nagelprobe" aber steht für den neuen Bürgermeister noch aus, glaubt Martin Güll und meint damit das dringend benötigte Kinderbetreuungskonzept, über das sich die Gemeinde seit Jahren den Kopf zerbricht. "Zu diesem Thema hat sich Hertlein noch nicht dezidiert geäußert", sagt Güll. Und der Tanderner Hans Glas fügt an: "Man muss abwarten, ob Hertlein in dieser Sache neutral und unparteiisch zwischen den Ortschaften sein wird. Daran messen wir ihn." Hertlein selbst hat die finale Lösung offenbar noch nicht parat. Er verweist auf die Steuerungsgruppe für das Projekt, die in ständigem Dialog stehe - und kündigt an: "Es werden demnächst erste Entscheidungen fallen."

Am Freitag, 24. November, stellt sich Hertlein im Gasthaus Häuserer, Beginn 19.30 Uhr, den Fragen der versammelten Bürger. Von ihnen hört man bislang nur, dass Hertlein auf Feiern auch mal länger sitzen bleibe und den Eindruck erwecke, sich für die Leute zu interessieren. Sein Stellvertreter, der zweite Bürgermeister Adi Doldi aus der Tanderner CSU, spricht ausschließlich positiv über ihn, obwohl das Verhältnis zwischen Tandern und Hilgertshausen nach der Zwangszusammenlegung 1978 - gelinde gesagt - nicht immer ganz einfach war. Hertlein aber trauen offenbar beide Seiten zu, in der Gemeinde etwas zu bewegen.

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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