Altomünster nennt sich gerne Kulturmetropole des Landkreises. Am Samstagabend zeigte sich beim Auftaktkonzert des 14. Europäischen Musikworkshops Altomünster (EUMWA) im vollbesetzten Evangelischen Gemeindezentrum, dass in Sachen Kammermusik dieser Titel seine Berechtigung hat. Hatten sich doch vier herausragende langjährige EUMWA-Teilnehmer und dessen künstlerischer Leiter Markus Kreul (Klavier) zu einem harmonischen, hochkarätigen Ensemble zusammengefunden. Susanne Müller (Sopran), Lisa Riepl (Klarinette), Tassilo Probst (Violine) Luca De Falco (Violoncello) zeigten unter Kreuls Leitung, warum sie mit Preisen geradezu überhäuft sind und mittlerweile in der ersten Liga junger Musiker spielen, respektive singen. Ihr sorgsam ausgewähltes Programm demonstrierte aufs Schönste die ganze Breite ihres Könnens. Zudem hatten sie eine zutiefst berührende Zugabe vorbereitet. Mit einer eigens für dieses Konzert und ihre Instrumente geschaffenen Bearbeitung des bekannten israelischen Lieds "Hava Nagila - Lasst uns glücklich sein" erinnerte das Quintett an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 75 Jahren. Das war ein würdiger Schluss- und Höhepunkt eines denkwürdigen Abends.
Eröffnet wurde die Reihe musikalischer Preziosen mit einer Reverenz an den "Jubilar des Jahres", Ludwig van Beethoven, dessen 250. Geburtstag heuer den gebürtigen Bonner allgegenwärtig macht. Susanne Müller sang eine Auswahl aus Beethovens schottischen und irischen Liedern so ausdrucksstark, dass es das Publikum förmlich von den Stühlen riss - zum ersten, aber nicht zum einzigen Mal an diesem Abend. Beethoven selbst hatte sich seinerzeit geweigert, dem Wunsch seines Auftraggebers, dem Volksliedersammler George Thomson, nach möglichst simplen Bearbeitungen der Volkslieder nachzukommen. Das sei unter seinem Niveau, schrieb er sinngemäß 1819 an Thomson. Cellist Luca De Falco hatte sich für seinen Soloauftritt Johann Sebastian Bachs Suite für Violoncello C-Dur ausgesucht. Er spielte diese "Quintessenz der Cello-Literatur", wie er sagte, mit viel Verve und so gar nicht lieblich, wie sie ansonsten häufig zu hören ist. Gut vorstellbar, dass die weitverzweigte Bach-Sippschaft bei ihren jährlichen Familientreffen diese Tänze genauso musikantisch gespielt hat wie De Falco.
Klarinettistin Lisa Riepl verband mit ihrer "Hommage an Bach für Klarinette solo" des Ungarn Béla Kovacs Barock und Gegenwart. Kovacs habe dieses Gustostückerl komponiert, weil es zu Bachs Zeiten noch keine Klarinette gegeben habe, erzählte sie - und spielte die Hommage so quicklebendig, dass der Thomaskantor seine Freude daran gehabt hätte. Einen ganz besonderen Klang schenkte Geiger Tassilo Probst seinem faszinierten Publikum. Er spielte Fritz Kreislers Recitativo und Scherzo-Caprice op. 6 für Violine solo und später noch Vittorio Montis Czardas auf einer Geige von Giovanni Grancino, die dieser 1690 gebaut hatte. Sie ist eine Leihgabe der Deutschen Musikstiftung - und ein solches Instrument vertraut die Stiftung nur jemandem an, der musikalische Grenzen scheinbar mühelos sprengt. Der gerade mal 19-Jährige kann das, wie er mit diesen beiden Gustostückerln beeindruckend zeigte.
Was wäre ein Konzert mit Schumann-Botschafter Kreul ohne ein Werk Robert Schumanns? In dessen drei Fantasiestücken op. 73 verschmolzen Flügel und Cello (De Luca) zu einer wundersamen, träumerisch-schönen Einheit. Ähnliches gelang Probst und De Luca mit der Passacaglia von Johan Halvorsen. Diese wunderbare Musik beamt den Zuhörer in die unendlichen Weiten der schönen Töne.
Schöne Töne der anderen Art gab es mit "The Dandelion" von Arthur Bliss. Susanne Müller und Klarinettistin Riepl ließen den Löwenzahn am staubigen Wegesrand erblühen und schickten Pusteblumen rund um die Welt. Dort trafen sie womöglich auf "Five Hebrew Love Songs" von Eric Whitacre. Die hebräischen Liebeslieder seien im Freundeskreis Whitacres mit der Vorgabe entstanden, jeder Text müsse auf eine Postkarte passen, wie Susanne Müller erzählte. Begleitet von Geiger Probst und Pianist Kreul zauberte die Sopranistin fröhliche, romantische, glückliche Bilder ins Hirn - und eine kleine Sehnsucht nach einer heileren Welt. Gar nicht heil war die Welt für Franz Schubert, als er 1828 "Der Hirt auf dem Felsen" komponierte. Da war er schon dem Tode nahe. Susanne Müller, Markus Kreul und Lisa Riepl machten aus dieser szenischen Miniatur große Oper mit kleiner Besetzung. Da wurde bei aller Schicksalsergebenheit in Schuberts Worten und Tönen "Der Frühling will kommen" zu einem hellen Stern am Musikfirmament.