Clubbetreiber Constantin Wahl:Gut vernetztes Trüffelschwein

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Partys, Nachtklubs, Restaurants - so lautet die berufliche Evolution des Constantin Wahl, der nun das "Tegernseer Tal" im Tal eröffnet hat. (Foto: Stephan Rumpf)

Als er das Filmcasino in einen Club umbaute, gab es einen Eklat: Constantin Wahl ist an vielen Projekten in München beteiligt - einige davon sind umstritten. Nun eröffnet der Gastronom und Clubbetreiber ein neues Restaurant.

Von Philipp Crone

Er wirkt gar nicht wie ein Wirt, im ersten Moment. Constantin Wahl sitzt in seinem Wirtshaus "Tegernseer Tal" und spricht mit sehr leiser Stimme, was die Großmeister der hiesigen Gastronomie schon einmal nicht tun. Und von der Erscheinung her würde man den 45-Jährigen in keinem vollbayerischen Restaurant verorten, eher in einer Kanzlei.

Das ein wenig an Franz Josef Strauß erinnernde Gesicht, mit einem leichten Lächeln, eher nur ein beständiges Schmunzeln, dazu ein unauffälliges blaues Hemd und Jeans. Constantin Wahl wirkt weder einladend noch ausladend, verschränkt die Arme meist, und doch ist er nun der Betreiber eines riesigen Lokals im Tal. Immerhin, er ist ein Münchner, von daher als bayerischer Wirt geeignet.

Er selbst sieht sich eher als Unternehmer, oder auch als Trüffelschwein, als eine Sau, die vor Jahren durch München getrieben wurde als Kinokiller, natürlich zu Unrecht, und auch als stolzes Mitglied der CSU und des FC Bayern. Es ist nicht ganz einfach, zu erfassen, was und wer dieser Mann eigentlich wirklich ist.

Wahl sitzt Anfang Mai, eine Woche vor der Eröffnung seines Restaurants, an einem der hellen Holztische und wird mit seiner Stimme nur dann ein wenig lauter und weniger "äh"-ig, wenn er vom neuen Lokal schwärmen darf. Seine Vorgeschichte trägt er leise vor, oft mit einem "Am Ende des Tages" versehen, der Füllfloskel schlechthin, in Rekordzahl verwendet zum Beispiel von Karl-Heinz Rummenigge. Eigentlich gibt es aber gar keinen Grund, die Lebensgeschichte von Wahl künstlich mit Phrasen aufzufüllen, denn sie ist durchaus spannend und mit den Brüchen gesegnet, die eine gute Story braucht.

Er sei ein "wilder Jugendlicher" gewesen, hat als Schüler mehrere Male die Schule gewechselt und mit seinem ersten Studienversuch den Vater unglücklich gemacht. "Der hatte eine große Rechtsanwalts-, Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzlei in München", und das Bundesverdienstkreuz erhalten. Eine Autorität in der Familie. Dass der Sohn dann lieber was mit Kunst machte und kein Jurastudium begann, stattdessen sogar noch anfing, Partys zu organisieren, das kam nicht gut an.

Anerkennung und Bestätigung

Der jüngere Bruder machte schon eher Eindruck beim Familienpatron, der ist heute "eine Koryphäe auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit, war Professor an der Universität Dundee in Schottland", sagt Wahl. Der Ältere hingegen musste hart arbeiten für die Anerkennung des Vaters.

Während sein Bruder eine hochgeistige Karriere einschlug, wählte Constantin Wahl eine hochprozentige. Abitur 1987, dann ein paar Semester Kunstgeschichte, anschließend Jura, doch die Partys liefen einfach schon zu gut. Ein Freund hatte ihn irgendwann auf die Idee gebracht, "die erste Feier war am Wochenende des 11. Dezember 1987".

Zahlen sind seine Sache, die beherrscht der Mann, in dieser Hinsicht ist Wahl als Wirt dann wiederum durchaus geeignet. "5000 Leute kamen an dem Wochenende damals." Also wurde von dem Moment an fleißig veranstaltet neben dem Studium. Anerkennung und Bestätigung, so etwas fühlt man ganz intensiv, wenn einen Tausende zum Feiern besuchen.

1992 wechselte Wahl in die Gastronomie, übernahm mit Partnern das Parkcafé. "Ich wollte nicht mehr jede einzelne Veranstaltung bewerben müssen." Und er wollte schon damals im Team arbeiten. Um das Risiko nicht alleine zu tragen? Er sieht sich als Teamplayer, seine Spezialität in der Mannschaft: "Ich kann Visionen entwickeln." Die sind natürlich besonders wichtig, am Ende des Tages.

1997 startete Wahl mit dem nächsten Team, im Kunstpark Ost eröffnete er die "Wiesnworld", und traf dabei auf Matthias Scheffel, einen Big Player des Münchner Nachtlebens. Auch hier kommen die Zahlen ohne Zögern: "Wir haben pro Jahr 1300 Hektoliter Bier verkauft, bei nur 32 Tischen." Wahls Vision und Vorahnung vom aufkommenden Trachtentrend und Wiesnboom, sie war eine richtige. 2001 wechselte Wahl das Team wieder.

Mit dem Gastronom Michi Kern betrieb er bald das Pacha, war 2002 an der neuen Bar München beteiligt, es folgten das Max & Moritz und Jack Rabbit am Maximilianplatz. Wahl sagt: "Ich suche zuerst nach Locations und entwickle dann das Konzept dafür." Er nennt sich deshalb eben selbst ein Trüffelschwein, das exquisite Orte findet.

Wo schnüffelt Wahl, woher kommt das Netzwerk? "Er hat sehr gute Freunde, die ihm beistehen", sagt Hermann Zimmerer, Wirt vom Gasthof "Zum Straubinger" geheimnisvoll. Jahrzehnte im Nachtleben, in der Gastronomie, und außerdem mache er beruflich noch andere Sachen, sagt Wahl. Darüber will aber nichts in der Zeitung lesen. Was er hingegen gerne lesen möchte, ist: "Ich bin CSU-Mitglied, das können Sie schreiben." Das ist ja auch ein Netzwerk.

Bei diesem Satz schaut der zweifache Vater aufmerksam auf seinen Gesprächspartner. Wahl und die Medien. Er fühlt sich ungerecht behandelt von ihnen, seit es vor zwei Jahren Aufregung um eines seiner jüngsten Projekte gab. Es ging um das Filmcasino am Odeonsplatz, das er mit Scheffel übernahm und das trotz Zusage kein Filmcasino blieb, sondern zu einem Klub wurde. Es sei von Anfang an so geplant gewesen, behaupten manche. Was war passiert?

Wahl möchte nichts mehr dazu sagen, und auch der damalige Kinoleiter Reinhard Straßer sagt am Telefon nur: "Kein Kommentar", die Sache möge ruhen. Scheffel hingegen, mit dem Wahl schon im Kunstpark zusammenarbeitete, hat die Geschichte einmal geschildert. Während es bei der öffentlichen Empörung darum gegangen sei, die Gastronomen und ihren Plan zu überführen, aus dem Kino ohnehin von vornherein eine Event-Location machen zu wollen, erklärte Scheffel: Eigentlich hätte man das Kino erhalten wollen, und mit einer größeren Gastronomie finanzieren. Die beantragte Freischankfläche sei aber von der Stadt nicht genehmigt worden.

Und dann ist Wahl stellvertretend für die nach neuen Räumen gierenden Nachtklubbetreiber durch das Dorf München getrieben worden, so sieht er das. Da argumentiert er gekonnt wie einst Strauß: Schuld sind da meist die anderen. Am Ende des Jahres 2012 war der Ablauf ähnlich. Zusammen mit Scheffel übernahm Wahl das angeschlagene Atlantis-Kino in der Schwanthalerstraße, man wollte das Lichtspielhaus als Edelkino weiterführen. Der Plan scheiterte, wieder sei es nicht anders gegangen, hieß es, und nun gibt es dort eben das Jack Rabbit.

"Es geht auch immer um die Opinion Leader"

Beim Tegernseer im Tal sind die Voraussetzungen anders. Dort war schon immer ein Restaurant beheimatet. In bester touristischer Lage, macht man mit lokaler Küche und gehobenen Preisen bestes touristisches Angebot, und auch für den Einheimischen ist etwas dabei. Wirt Wahl bietet nur regionale Speisen und Getränke an, alles kommt vom Tegernsee. Er sagt laut: "Mein Bruder hat gesagt, da kann ich jederzeit einen Öko-Food-Print-Siegel anmelden."

Sein Wissen aus dem Nachtleben hat Wahl auch im neuen Lokal angewandt. Etwa bei der schallisolierten Decke, die verhindern soll, dass es hier so laut wird wie manchen anderen alten Gasthäusern. Und wie überall in dem Gewerbe braucht es Gimmicks, also kleine Spielereien. Die Speisekarte ist in verschiedene Bücher gedruckt. Ein "Shaun das Schaf"-Bilderbuch oder einen Renoir-Bildband, da hilft das Kunst-Studium dann doch einmal.

Ob nun Touristen ins Restaurant im Tal kommen oder Münchner, die Erfahrung aus 25 Jahren Nachtleben lautet bei Wahl: "Es geht auch immer um die Opinion Leader, ob das die Medien sind oder der Freundes- und Bekanntenkreis. Da entscheidet sich maßgeblich, ob ein Konzept funktioniert."

Ein Konzept, das auf hochwertigen Bayern-Look setzt, minimalistische Einrichtung, moderne Tradition. Und bei so einem Lokal macht es dann auch nicht so viel, dass Wahl eher wie ein Banker als ein Barkeeper erscheint. Unscheinbar, ein wenig im Hintergrund. Heute ist es eben manchmal so: Auch wer nicht so wirkt, ist Wirt.

© SZ vom 14.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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