Bürgerbeteiligung:Konzepte sind nun gefragt

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Eventuelle Video-Konferenzen oder andere digitale Formate erreichen nicht alle Münchner, um sie nach dem geplatzten Versuch wieder bei ihren Bürgerversammlungen zu Wort kommen zu lassen

Von Thomas Kronewiter

Da haben die Ehrenamtlichen vom Projekt "Stuhldisteln" wohl Glück gehabt, und ein Super-Timing: Drei Tage später hätte die Stadt wohl nicht mehr erlaubt, Stühle ins Tal zu stellen, um dort ein Bürgerbeteiligungsprojekt ins Laufen zu bringen - mit unklarer Situation, was die Zahl der Spontan-Zuhörer beziehungsweise -Mitdiskutanten angeht. Der Versuch, die Münchner wieder in großem Stil bei ihren Bürgerversammlungen zu Wort kommen zu lassen, ist jedenfalls erst einmal geplatzt, drei Tage vor dem Start. Der Circus Krone bleibt am Donnerstagabend (für die Haderner) ebenso geschlossen wie die Turnhalle des Heinrich-Heine-Gymnasiums (für die Truderinger und Riemer). Und auch die Bürger aus Sendling-Westpark und Ramersdorf-Perlach werden Ende des Monats nicht zusammenkommen zu dem Versammlungstermin, den die Bayerische Gemeindeordnung eigentlich fest vorschreibt.

Was die Regierung von Oberbayern als das "Recht der Gemeindebürger auf demokratische Teilhabe" eigentlich unverzichtbar nennt, fällt erneut dem akuten Corona-Alarm zum Opfer. Der Stab für außergewöhnliche Ereignisse unter der Leitung von OB Dieter Reiter (SPD) hat diese Entscheidung nach dem Insistieren der Aufsichtsbehörde vor einigen Wochen sicher nicht leichtfertig getroffen. Die Absage der Versammlungen bis zunächst 22. Oktober ist sachlich gerechtfertigt, wohlerwogen und angemessen. Doch wird es Zeit, sich zum Thema weiterführende Gedanken zu machen. Die Verantwortlichen im Direktorium sind sicher nicht zu beneiden ob der Nöte, in die sie dieses Auf-Sicht-Fahren der Stadt nun bringt. Werden die am 27. Oktober vorgesehenen Versammlungen für die Maxvorstadt und für Bogenhausen nun stattfinden, oder muss in Kürze auch dafür die Reißleine gezogen werden? Wie steht es überhaupt mit den neun noch 2020 angesetzten Bürgerversammlungen? Wie geht es 2021 weiter? Und was ist mit den ungezählten Workshops, Erörterungsterminen und den Diskussionsabenden, die schon länger und nun auch weiter nicht stattfinden können?

Dass mit Hilfe technischer Lösungen wie Videokonferenzen oder Stream-Angeboten ein Teil des Problems gut aufzufangen ist, hat vor wenigen Tagen erst die Debatte um die stadtplanerische Zukunft der Herzog-Wilhelm-Straße gezeigt. Dass diese Formate nicht alle Münchner erreichen, zum Beispiel die technisch weniger Affinen, zwingt dazu, sich auch für diese ein Konzept auszudenken. Damit sollte die Stadt nicht warten, bis sie die Corona-Lage in zwei, vier oder sechs Monate ohnehin zwingt.

© SZ vom 13.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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