Manche Menschen können einfach nicht anders, sie werden magisch angezogen von den vier Löwen in der Residenzstraße. Einfach nur vorbeigehen, ohne die Schnauze am unteren Ende des mächtigen Schilds zu berühren - das geht nicht. Seit dem frühen 17. Jahrhundert, als Herzog Maximilian I. sein Stadtschloss um den Kaiser- und Kapellenhof erweitern ließ, bewachen die Bronzefiguren den westlichen Eingang zur Residenz.
Für abergläubische Passanten nun der Schreck: Ein Löwenpaar ist weg. Die jeweils rund eine halbe Tonne schweren Bronzefiguren müssen gereinigt und restauriert werden. Schon Anfang der Achtzigerjahre waren die Löwen nacheinander oberflächlich restauriert worden. Von ihnen werden jetzt Abgüsse gemacht. In vier Monaten will der Restaurator die ersten zwei Kopien wieder aufstellen und dann die beiden anderen Löwen abtransportieren. Auch von ihnen gibt es dann nur noch Abgüsse - und nur diese dürfen berührt werden.
Man solle es positiv sehen, heißt es in der Schlösserverwaltung. Bei den Originalen sei irgendwann das ganze Glück weggestreichelt. Jetzt könne immerhin noch ein Rest bewahrt werden. Diese Originale sollen künftig überhaupt nicht mehr den Umweltbelastungen ausgesetzt werden. Sie kommen zusammen mit anderen großen Bronzestatuen in neue Ausstellungsräume in der Residenz. Diese werden dort entstehen, wo bisher das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst untergebracht war.
Was aber hat es mit den geheimnisvollen Schnauzen auf sich? Ein Grund dafür, dass die Löwenmäuler vom vielen Anfassen immer so schön glänzen, könnte die Schmähschrift eines jungen Münchners aus dem Jahre 1848 gewesen sein. Die Geschichte ist interessant genug, um bei Stadtführungen in allen Sprachen erzählt zu werden: Der Student hatte zuvor eine Schmähschrift über die Geliebte von König Ludwig I., die Tänzerin Lola Montez, an der Residenz angebracht - was den Monarchen veranlasste, mit einem öffentlichen Aufruf nach dem dreisten Täter zu suchen und eine Belohnung in Aussicht zu stellen.
Der Student heftete daraufhin ein Bekennerschreiben an das Schloss, wurde dabei ertappt und vor den König geführt. Doch der begnadigte den Verfasser nicht nur - er übergab ihm der Legende zufolge sogar das ausgeschriebene Kopfgeld. Der Student konnte sein Glück zunächst kaum glauben. Erst als er unversehrt wieder auf der Straße stand, fiel die Spannung von ihm ab.
Die Knie wurden ihm weich, und um nicht zu stürzen, hielt er sich an der Löwenschnauze eines der Standbilder neben dem Eingang fest. Lange stand er da: vom König überraschend begnadigt, mit einem Sack voll Geld und vor den Augen der erstaunten Passanten. Die reimten sich das Übrige zusammen. Dem Löwen am Schild an die Nase zu fassen, hieß es, verspreche Glück und Wohlstand.