Brauereien in München:Von den Tricksereien der Bierbrauer

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Aus dem Untergrund der Stadt gibt es viele interessante Geschichten zu erzählen - die Autoren Astrid Assél und Christian Huber haben sie in einem Buch zusammengetragen.

Von Andreas Schubert

Fast hätten es die Wirte in der Au geschafft, etwas zu verhindern, was heute zu den wichtigsten Aushängeschildern der Stadt München gehört. Im Jahr 1773 beschwerten sie sich darüber, dass die Brauereien von ihren Lagerkellern aus direkt Bier in kleinen Mengen an die Bevölkerung verkauften. Prompt untersagte die Obrigkeit dieses Vorgehen und erlaubte nur den Verkauf in Fässern. Den Brauern dagegen war das Verbot herzlich egal, sie schenkten einfach weiter aus.

Aus heutiger Sicht kann man die Brauer nur loben: Denn ihrer Dreistigkeit ist die Entstehung der Biergärten zu verdanken. Trotz des Verbots stellten sie Bänke und Tische auf und ließen Musikanten in den Gärten auftreten: Die Biergartenkultur war geboren. Vier Jahrzehnte lang drohten den Brauern, die quasi illegale Schänken betrieben, hohe Geldstrafen. Weil diese allerdings nicht fruchteten und die Behörden irgendwann einsehen mussten, dass sie eh machtlos waren, erhielten die Brauer am 4. Januar 1812 offiziell die Genehmigung für ihr Tun. Um den alteingesessenen Wirten immerhin ein bisschen entgegenzukommen, wurde in der Biergartenverordnung allerdings festgelegt, dass in den sogenannten Märzenkellern außer Bier und Brot sonst nichts anderes serviert werden durfte. So entstand auch der Brauch, dass die Münchner bis heute ihre Speisen selber mit in den Biergarten bringen.

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Die Entstehung der Biergärten ist eines von vielen lesenswerten Kapiteln der Buches "Münchens vergessene Kellerstadt" (Verlag Friedrich Pustet, 12,95 Euro). Die Autoren Astrid Assél und Christian Huber haben sich diesmal den Münchner Untergrund genauer angeschaut und recherchiert, wo früher überall Bierkeller in der Stadt waren. Das klingt zunächst recht unterirdisch. Doch die Autoren haben rund um diese Keller viele interessante Geschichten ausgegraben, die sich mit der Bierstadt München beschäftigen. So lernt der Leser einiges über frühere Brau- und Lagermethoden der verderblichen Ware Bier in Zeiten, als es noch keine künstliche Kühlung gab.

Man erfährt zum Beispiel, welche heute längst verschwundenen Bierkeller und -gärten es früher am Isarhochufer gab, welche geologischen Besonderheiten der Gasteig sowie die Gegend zwischen der Theresienhöhe und dem heutigen Stiglmaierplatz aufweisen und wie ausgeklügelt die Belüftungssysteme der Lagerkeller waren. Historische Aufnahmen und Grafiken illustrieren das Ganze.

Spannend sind auch die Geschichten um die Brauer selbst: etwa, wie geschickte Bierbarone wie Joseph Pschorr, Gabiel Sedlmayr (Spaten) oder Georg Brey (Löwenbräu) ihre Betriebe binnen kurzer Zeit zu Großbrauereien ausbauten. Auch hier ging nicht alles mit rechten Dingen zu. So zeigte sich Georg Brey besonders trickreich. Weil in seiner Brauerei an der Löwengrube nur eine Sudpfanne Platz hatte, erreichte er nach zähem Ringen mit dem Magistrat 1827 die Genehmigung auch an der Nymphenburger Straße eine Braustätte zu errichten. Dazu muss man wissen: Zu dieser Zeit war das Brauwesen streng reguliert, mehr als zwei Sudpfannen durfte kein Brauer betreiben. Trotzdem stellte Brey an der Nymphenburger Straße eine weitere, also die insgesamt dritte Pfanne auf und ignorierte Anzeigen wie Verbote einfach. Der Löwenbräukeller mit dem stattlichen Turm erinnert noch heute an die frühe Marktmacht des Bräus.

Unter der Erde liegt so manche Überraschung

Astrid Assél und Christian Huber bieten auch Führungen zu den früheren Kellern und Brauereien an, sowohl im Westen als auch im Osten der Stadt. Recht viel mehr als Geschichten ist nicht mehr übrig geblieben von den einstigen Lagerstätten. Ein schönes Bild kann man sich wenigsten noch im Augustinerkeller an der Arnulfstraße machen, dessen tiefes Gewölbe heute ein Gastraum ist. Am Hofbräukeller am Wiener Platz ist im Untergeschoss dagegen eine Kochschule untergebracht.

Dass im Untergrund noch so manche Überraschung lauert, musste im Übrigen Anfang 2014 ein Passant auf der Inneren Wiener Straße in Haidhausen erleben. Dem Mann brach auf dem Trottoir buchstäblich der Boden unter den Füßen weg und beinahe wäre er in ein sechs Meter tiefes Loch gestürzt. Dieses war ein vergessener Lüftungsschacht für einen längst vergessenen Bierkeller, wie sie den Gasteig einst in großer Zahl unterminierten.

Etwa 60 sollen es gewesen sein, heute erinnert noch die Kellerstraße daran. Dass sich irgendwann ein neues Loch auftut, ist nicht auszuschließen. Und wenn der zweite S-Bahn-Tunnel unter Haidhausen hindurch gebaut wird, fürchten manche Anwohner bereits, dass noch vorhandene Hohlräume und damit ganze Häuser einbrechen könnten. Wer im Sommer im Hofbräukeller bei einer Mass Bier sitzt, dürfte wohl eher nicht an solche Szenarien denken.

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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