Ein "Herri" gegen Kopfschmerzen
Ich bekomme von Hellem immer Kopfschmerzen. Und das liegt nicht unbedingt an der Masse. Deshalb sagt mir eher Pils zu. Möglichst herb, aber auch einen Hauch süßlich - und möglichst aus meiner Heimatstadt Hannover. Dort gibt es zwei lokale Biermarken, die den Sprung auf den Weltmarkt noch nie geschafft haben, und das wohl auch nicht werden: Das "Lindener" und das "Herri". Das Lindener ist (zumindest im Hannoveraner Umland) das bekanntere, es schmeckt aber bei weitem nicht so gut wie das "Herrenhäuser". Beim "Herri" mag ich auch die Größe, gezapft bekommt man es meist in einer Bierkugel und auch in der bauchigen Flasche sind es immer 0,33 Liter. Für diese Flaschenform mag man auch das "Astra" aus der Nachbarstadt Hamburg loben; das Bier aus St. Pauli ist einfach nur Kult, schmeckt aber irgendwie scheiße. Doch immerhin noch besser als ein Helles aus München. Zudem gibt es ein Helles fast nur im halben Liter, es ist damit eher als Pferdetränke geeignet als für einen netten, geschmackvollen Abend an der Theke. Auch das zeugt davon, dass der Hannoveraner an sich ein viel feinerer Kerl ist als der gemeine Bayer.
Süffiges ohne Kohlensäure
Das beste Bier der Welt ist nicht das Helle, sondern der Zoigl. Kennen Sie nicht? Macht nichts, der Zoigl ist einem exklusiven Zirkel von Menschen vorbehalten - den Bewohnern einer wirtschaftlich eher schwachen, mehr ländlich als urban geprägten Region: der nördlichen Oberpfalz. Wenn wir sonst schon nichts haben, dann wenigstens den Stolz aufs beste Bier. Die untergärige Spezialität wird traditionell ausschließlich in sogenannten Kommunbrauhäusern in genau fünf Orten gebraut: Windischeschenbach, Neuhaus, Falkenberg, Mitterteich und Eslarn (auch diese Orte müssen Sie nicht kennen). Das süffige Zoiglbier wurde früher einfach in der Stube, also quasi im Wohnzimmer oder der Küche des jeweiligen Brauers ausgeschenkt. Und wer es brauen will, braucht auch heute noch den passenden Eintrag im Grundbuch, weil das Braurecht fest mit Haus und Grundstück verbunden ist. Der Zoigl unterscheidet sich vom herkömmlichen Bier der Brauereien durch seinen geringen Kohlensäureanteil, was das Trinken deutlich erleichtert. Man nimmt dieses trübe, weil ungefilterte Oberpfälzer Original am besten mit einer deftigen Brotzeit zu sich. Die gemütlichen Zoiglstuben, die sich aus den Wohnzimmern der Brauer entwickelt haben, sind genau dafür vorgesehen. Man erkennt sie am Stern an der Fassade, der ein wenig aussieht wie der jüdische Davidstern. Die sechs Zacken stehen für die am Brauen beteiligten Elemente Feuer, Wasser und Luft sowie die Bierzutaten Wasser, Malz und Hopfen. Wenn man Glück hat, kostet die "Halbe" Zoiglbier nur 1,60 Euro, die Schlachtschüssel gibt es für etwa drei Euro dazu. Ja, in mancher Hinsicht ist in der nördlichen Oberpfalz die Welt noch in Ordnung.
Selbstbewusste Frauen trinken Weißbier
Erst Weißbier verleiht dem Sprichwort "Sieben Bier sind auch ein Schnitzel" seine Glaubwürdigkeit. Selbst wenn sieben für einen Einheimischen wie mich vielleicht arg ambitioniert ist: Weißbier war schon gehaltvoll, bevor irgendeinem Marketingmenschen das mit den Isotonen eingefallen ist. Weißbier ist im Bierkeller, was unter den Heißgetränken Schokolade mit Sahne und Streuseln ist: reiner Genuss. Und so wie viele mit heißer Schokolade Erinnerungen verbinden, hat so ein köstlich kühles Weizen für mich auch eine ideelle Ebene. Als Jugendliche, als alle verzweifelt nach Alleinstellungsmerkmalen suchten, fühlte es sich großartig an, als einziges Mädchen Weißbier zu trinken. Weißbiertrinken ist für mich ein verquer feministisches Statement. Alle (lustigen, selbstbewussten, tollen) Frauen in meiner Familie trinken Weißbier. Meine Schwester hat ein Weißbierglas, in das "Weißbierkönigin" graviert ist, ich eines, auf dem "Welcome back" zu lesen ist (ein Geschenk nach einem längeren Auslandsaufenthalt). Wir alle sind Weißbier, irgendwie. Was übrigens nicht heißt, dass ich Helles verachte. Man kann ja nicht immer nur Schnitzel essen.
Das Gin Tonic unter den Bieren
"Wie krank", fragt der Kollege, "muss man sein, um gerne Jever zu trinken?" Das höre ich häufiger. Jever-Trinker müssen sich rechtfertigen, weil Jever längst nicht jedem schmeckt. Das besonders herbe, manche sagen: bittere Pils aus dem hohen Norden ist ein Bier für Fortgeschrittene. Der Geschmack ist charakteristisch und unverwechselbar, was man - Achtung, rein subjektiver Eindruck - von bayerischen Bieren längst nicht behaupten kann. Die sind labbrig, wie der Norddeutsche sagt, und vor allem bei sommerlichen Temperaturen zu genießen. Also dann, wenn es gut und richtig ist, große Mengen Flüssigkeit in sich hineinzuschütten, ohne die Geschmacksnerven zu behelligen. Jever kitzelt am Gaumen, Jever erfrischt, Jever macht wach, Jever ist das Gin Tonic unter den Bieren. Jever-Trinker nicken einander verschwörerisch zu, wenn sie einander begegnen. Die Fans labbriger Biere können das nicht verstehen. Zwar spricht nicht gleich jeder von einer "Krankheit", aber doch von einer Geschmacksverirrung. Folgenden Dialog habe ich unzählige Male erlebt: Gastgeber: "Ich hätte auch ein Jever ..." Gast: "Dann nehme ich das." Gastgeber: "Wirklich? Du kannst echt auch ein anderes haben." Gast: "Jever ist super. " Gastgeber: "Toll, das freut mich. Hab immer Angst, dass mir der Kasten verkommt. Viele mögen das ja nicht." Gast: "Die haben keine Ahnung. Prost!"
Kinderbier aus der Dose
Es ist süßer als Red Bull, erfrischender als Bionade und macht schneller satt als jeder Mate-Tee: das Malzbier. Und trotzdem hat es das dunkle Gebräu noch nicht auf die Liste der Hip-Getränke geschafft. Vielleicht liegt das daran, dass Vitamalz und sein Konkurrent Karamalz seit jeher als Kinderbier vermarktet werden. Es findet sich leider nur auf wenigen Getränkekarten in Bars und Restaurants. So muss man abends meist doch auf die alkoholischen Brüder und Schwestern ausweichen. Aber wo auch immer ich ein Malzbier entdecke, es wird umgehend gekauft. Und wenn es nur an der Tankstelle der Autobahnraststätte ist. Dort gibt es das Malzbier manchmal sogar noch in der Dosenbiervariante. Und die ist nun wirklich hip.
Das perfekte Sommerbier
Das Pale Ale trat recht spät in mein Leben. Zu einer Zeit, als ich mich für die neuesten Biertrends eigentlich nicht mehr interessieren wollte: Beim Tannenzäpfle hatte ich noch mitgemacht, Augustiner schon eher aus der Ferne wahrgenommen, der Craft-Beer-Hype war mir dann viel zu sehr eben das, ein Hype. Aber dann kam dieser sehr warme Spätsommerabend auf der Terrasse der Goldenen Bar. Die Kollegin holte uns Biere, welches, das war mir egal. Und dann das: Diese fruchtige Frische! Fast ein bisschen wie ein Radler, aber ohne dessen Klebrigkeit. Ein bisschen wie ein Hefeweizen, aber ohne dessen ja doch immer leicht muffiges Bouquet. Das perfekte Sommerbier. Das perfekte Bier im Winter, wenn man sich fragt, ob der Sommer jemals wiederkommt. Nach diesem Spätsommerabend musste ich die Besonderheit dieses Bieres immer umständlich beschreiben, seinen Namen hatte ich nirgends lesen können, auf dem Glas stand nichts und geholt hatte es ja die Kollegin. Erst Monate später erlöste mich eine kluge Freundin, indem sie mir die notwendigen Vokabeln zum Bestellen dieses Super-Bieres nannte: "obergärig" und "hoher Hopfenanteil". Der Kellner, dem ich diese Worte kurz darauf sagte, wusste gleich Bescheid: Pale Ale. Das ist es.
Konditionierung durch Lokalkolorit
Pils. Das bedeutet auch immer ein Stück Heimat. Egal in welche Region oder in welches Land es einen verschlägt: Kein Bier der Welt kann es mit dem jahrelangen Konditionierungprozess durch ein heimisches Pils aufnehmen. In Ostwestfalen glänzt dieser Lokalkolorit im satten Grün der Privat-Brauerei Ernst Barre. Diese erlangte ihren unrühmlichen Höhepunkt im vergangenen Jahr, als sie versuchte, mit den großen deutschen Brauereien mitzuspielen und sich am Bier-Kartell beteiligte. Wie das leicht bekömmliche Pils genau schmeckt, haben meine Geschmacksknospen längst vergessen. Dafür hat sich ein Bild in meine Netzhaut für immer eingebrannt: ein rechteckiger grüner Pappkarton in Form eines Kofferradios. Dieses Behältnis - auch "Conti" gennant - bot Platz für zehn 0,33-Liter-Flaschen Pils und wartete in den 90ern in jedem Supermarkt und jeder Tankstelle darauf, von einer Gruppe Jugendlicher abgeholt zu werden. In freundlichen Lettern war das Versprechen auf die Pappe gedruckt: "Barre Bräu - Dein Herz erfreu!". Auch wenn die Brauerei mittlerweile versucht, mit Alkopops, Weizenbier und vielleicht demnächst auch mit Hellem neue Klientel zu erschließen, bleibt da immer noch ihr Pils - und ein Stück Heimat.
Edles, pechschwarzes Gebräu
Ein noch leicht blutiges Steak auf dem Holzkohlegrill, gleich neben selbst eingelegten Rostbräteln und ein paar Original Thüringer Rostbratwürsten (fränkische tun's auch). Was passt zum Grillabend in der Reihenhaussiedlung eines Münchner Vorortes besser als ein "Aecht Schlenkerla Rauchbier" aus Bamberg? Zum Genießen - oder zum Löschen des Grillguts? Eben: nichts weiter. Mittlerweile hat es die Spezialität auch in den Süden des Freistaats geschafft, weil unzählige Oberfranken in Altbayern nicht auf ein Stück deftige Heimat verzichten wollen. Während sich manche an die Einsätze mit der Jugendfeuerwehr erinnert fühlen, lässt sich der Kenner von dem Rauch in der Nase, im Mund und im Abgang nicht verzagen. Aber Vorsicht: Das erste Schlenkerla im Leben ist für jeden eine Wucht, von der es sich erst einmal zu erholen gilt - bis man dann genüsslich wieder und wieder zu diesem edlen, pechschwarzen Gebräu greift. Wohl bekomms!