Brauchtum:Seelennahrung

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In der salzigen Variante gibt es die Allgäuer Seele das ganz Jahr über in vielen Bäckereien zu kaufen. (Foto: Oberschwaben Tourismus)

Ob Backwerk mit Salz und Kümmel oder süßer Hefezopf - Gebäck spielt eine große Rolle am 2. November

Von Günther Knoll, München

Seelen zu kaufen? Ja, die gibt es - schon unter zwei Euro das Stück und zwar täglich frisch. Keine Angst, es geht nicht um Teufelszeug. In diesem Fall handelt es sich um ein Backwerk, ein längliches Teil meist mit Salz und Kümmel bestreut, das auch viele Münchner Bäcker im Angebot haben. Ursprünglich war die Allgäuer Seele eine Art Brot, die speziell zum Allerseelentag, dem 2. November, gebacken wurde. Im oberbayerischen Raum gibt es stattdessen einen süßen Hefezopf, den Seelenstriezel. Viele essen ihn heute mit Genuss, ohne sich die auch nur die geringsten Gedanken über Herkunft, Sinn und Zweck dieses Brauchs zu machen.

Einer Überlieferung zufolge soll ein Bäcker in Ravensburg zu Zeiten des Dreißigjährigen Krieges das Gelübde abgelegt haben, jedem Bettler jedes Jahr zu Allerseelen ein Brot zu schenken, wenn die Pest die Stadt verschonen würde. Im heidnischen Volksglauben war die Vorstellung verankert, die Verstorbenen sollten ebenso wie die Lebenden Nahrung erhalten, die ihnen zu gewissen Zeiten geopfert werden müsse. Und noch lange glaubte man, die Seelen der Verstorbenen kämen in der Nacht von Allerheiligen auf Allerseelen auf die Erde, weshalb man ihnen Nahrung auf die Gräber legte. Die geflochtene Form des Seelenstriezels wird auf eine uralte Sitte zurückgeführt, nach der Frauen ihren Haarzopf auf des Grab des verstorbenen Mannes legten.

All diese Allerseelenopfer wurden später in Gaben an Arme und auch an Kinder umgewandelt. So sollen Kinder und Bettler früher am 1. November von Haus zu Hause gezogen sein und um Seelenwecken gebeten haben, die dafür eigens gebacken wurden, freilich nicht in der süßen Weizenvariante, sondern aus Roggenmehl. Dass dieser Brauch so deutliche Parallelen zu Halloween aufweist, ist kein Zufall.

In vielen Regionen war Allerheiligen früher der "Godntag", der Tag, an dem Pate oder Patin das Patenkind besuchten. Als Geschenk brachten sie den Allerheiligenstriezel aus süßem Weißbrot mit. Ein geschäftstüchtiger Bäcker in Geretsried erinnert gerade auf seinem Wochenspeiseplan die Paten unter seinen Kunden an diesen alten Brauch. In anderen Gegenden galt der Zopf auch als Liebesgabe unter jungen Leuten. Und im österreichischen Weinviertel ist es noch heute Sitte, dass um den Striezel im Wirtshaus gepascht, also gewürfelt, wird.

Doch auch das religiöse Brauchtum des Allerseelenstriezels wird noch gepflegt. In der Pfarrei Mariahilf in der Au kommen an diesem Mittwoch wieder Jugendliche in der Küche der Armen Schulschwestern zusammen, um dort stundenlang Seelenzöpfe zu backen. Gut hundert sollen es werden, heißt es aus dem Pfarrbüro. Diese werden dann an Allerheiligen nach dem Gottesdienst für einen guten Zweck verkauft. Und in der Pfarrei Sankt Margaret in Markt Schwaben finanzieren die Ministranten mit dem Verkauf ihrer Seelenzöpfe ihren alljährlichen Ausflug. Dass das Striezelbacken in den Ferienprogrammen, die der Bezirk Oberbayern in seinen Volkskundemuseen anbietet, nicht fehlen darf, versteht sich. Dass dann die Kinder das süße Brot ihren Eltern mitbringen, geschenkt!

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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