Bowling:Auf unterschiedlichen Bahnen zum Ziel

Lesezeit: 3 min

Bunte Bälle, silberne Bilanz: Tobias Börding (rechts mit Doppel-Partner Hans-Jürgen Glasl) will im Einzel seinen ersten Titel in Unterföhring holen. (Foto: Claus Schunk)

DM-Silber für Bowler Tobias Börding und Hans-Jürgen Glasl

Von Maria Kurth

Unterföhring "Die Probewürfe jetzt bitte einstellen." Die Ansage dröhnt aus den Lautsprechern und fegt wie ein Orkan über die 52 Bahnen. Zehn Minuten Einspielzeit sind vorbei, gleich beginnt im Dream Bowl Palace in Unterföhring das Halbfinale der deutschen Bowling-Meisterschaft im Doppel. Die Spieler entfernen sich noch einmal von der Bahn, um Freunde zu begrüßen. Nur Tobias Börding bleibt bei seinen Kugeln, die in der Szene Bälle genannt werden. Mit seiner rechten Hand stellt er die Pendelbewegung nach, auf die es gleich ankommen wird, testet, wie rutschig sine Schuhe sind. Er trägt ein blaues Trikot zur schwarzen Hose, seine braunen Wuschelhaare streicht er ab und zu hinter das Ohr. Mal schaut er konzentriert zu Boden, mal konzentriert in Richtung Bahn. Seine Vorbereitung spricht für größere Ambitionen, aber auch für weniger Lockerheit. Nur aus Spaß spielt Börding schon lange nicht mehr. Wie auch? Immerhin gilt der 23-Jährige als großes Versprechen im deutschen Bowlingsport.

Börding spielt für den BC Ratisbona Regensburg in der Bundesliga. 2014 wurde er zum Spieler des Jahres gekürt und misst sich bei internationalen Turnieren mit der Weltspitze. "Nur bei den deutschen Meisterschaften lief es bisher nicht so gut", sagt Börding. Warum, wisse er nicht. Auch in Unterföhring blieb ihm bisher ein Titel verwehrt. Im Mixed verlor er mit Sabrina Laub am Montag im Finale. "Im letzten Spiel wusste ich nicht, ob ich einen Strike brauche oder ein Spare reicht. Ich bin auf Risiko gegangen und dadurch haben wir verloren", sagt Börding. Auch im Doppel waren die Ambitionen groß. "Es war fast klar, dass wir um eine Medaille mitspielen", sagt sein Partner Hans-Jürgen Glasl.

Glasl klatscht noch einmal mit Börding ab, beide treten als Team für Bayern an, dann beginnt das Halbfinale. Ihre Gegner David Schmitz und Christoph Susen aus Nordrhein-Westfalen wirken motiviert. Die Zuschauer tummeln sich im Hintergrund, das zweite Semifinale auf der Nebenbahn lockt weniger Schaulustige an. Jeder will Börding und Glasl sehen. Die Favoriten dominierten die Vorrunde, ein Sieg wird auch jetzt erwartet. "Damit können wir umgehen, Druck ist nichts Neues für uns", sagt Glasl. Ein Strike (wenn also alle zehn Pins mit dem ersten Wurf fallen), der zweite, der nächste, dann ein Spare (wenn der Spieler mit dem zweiten Wurf abräumt) - Börding zeigt gleich mal, warum er zu Deutschlands besten Bowlingspielern zählt. Glasl gelingen in den ersten fünf Durchgängen zwei Strikes. Nicht so gut wie Börding, aber besser als der Gegner.

Glasl, 27, ist kleiner als Börding. Er lacht gern und viel, er wirkt entspannt. Er ist nicht minder talentiert als sein Doppelpartner, und "auch ich bin sehr ehrgeizig", sagt er. Doch so wichtig wie Börding war ihm der Sport nie. "Für mich ist das ein Hobby, ich wollte nie Profi werden. In unserem Familienbetrieb ist viel zu tun, das ist wichtiger", sagt Glasl. Er kennt Börding seit fast zehn Jahren, beide haben beim BC Bayerland München angefangen. Mittlerweile sehen sie sich nur noch selten. "Tobias investiert so viel in diesen Sport. Dass er mal so stark wird, war fast klar", sagt Glasl.

Er selbst gewann im März die südbayerischen Meisterschaften, landete bei den bayerischen Meisterschaften hinter Börding auf Platz zwei. Glasl ist in Bayern weit vorn, in etwa so weit wie Börding deutschlandweit.

Börding wohnt in Puchheim und studiert in München Luft- und Raumfahrttechnik. Geld verdient er mit Bowling in Deutschland nicht. Auf der europäischen Tour gebe es ganz gute Preisgelder, auf der World Tour sowieso. Die machte im vergangenen Jahr auch einen Stop im polnischen Breslau. Dort erlebte der gebürtige Münchner sein Karriere-Highlight: "Ich habe in der ersten Runde fast Weltrekord gespielt", erzählt Börding. Der Einzug ins Finale kam einer Sensation gleich, mit dem Duell gegen den Amerikaner Chris Barnes erfüllte er sich einen Traum: "Ich war so nervös, weil er einer meiner Vorbilder war." Barnes ist ein Weltstar und längst Millionär. Börding verlor 0:2, "aber das war nicht schlimm, weil ich gut gespielt habe", sagt er. Mittlerweile trainiere er sinnvoller, werte seine Würfe auf Video aus.

Vom Halbfinale in Unterföhring wird es kein Video geben. Dafür wäre auch keine Zeit gewesen. Börding und Glasl gewinnen 2:0. Die Goldmedaille winkt, doch wieder jubeln am Ende die Gegner. Zwei Spiele muss ein Team gewinnen, um die gesamte Partie für sich zu entscheiden. Die Münchner verlieren im Endspiel gegen ein hessisches Duo 1:2. Die Enttäuschung muss Börding schnell abschütteln, am Samstag steht das Einzel-Finale an. Auch Glasl tritt an, "aber ich habe keine Erwartungen, ich mache das aus Spaß", sagt er: "Bowling ist ein Kopfsport und jede Bahn ist anders. Mir gefällt es, dass es unterschiedliche Wege zum Ziel gibt." Das gilt auch für ihn und Tobias Börding.

© SZ vom 03.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: