Boazn-Gschichten:Der Kuss des Bieres

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Foto: Imago (Foto: gt)

Eine Boazn ist kein Ort zum Flirten? Von wegen. Es kommt nur darauf an, von wem man sich bezirzen lassen will

Von Christoph Hollender

Die Boazn ist wahrlich kein Ort zum Flirten. Das liegt daran, dass es dort wenige Frauen gibt - abgesehen von den Bardamen. Falls doch mal eine da ist, scheitere ich jedes Mal. So wie neulich: Ich frage sie: Fandst du den letzten Stijl Design Markt auf der Praterinsel auch so inspirierend? Ihre Antwort: "Ich gehe am Wochenende lieber zum Fußball, FC-Bayern." Sie spiele seit ihrer Kindheit selbst. Einen Prosecco? frage ich. Sie zieht die Augenbrauen nach oben. Lieber eine Halbe, meint sie. Ich bestelle zwei Bier. Dann das Kompliment: Du hast tolle Augen, sage ich. Kommt immer gut an. Sie: "Ich bin total übermüdet und habe Augenringe", sagt sie. Ein letzter Versuch: "Bestimmt studierst du Sport, so sportlich wie du aussiehst?" Sie: "Ich studiere Fahrzeugtechnik, Schwerpunkt Elektromobilität." Ob Elektromobilität in Deutschland eine Zukunft habe, will sie von mir wissen. Ich blicke sie verwirrt an und stottere: "Ja, ja, also, ich denke schon, irgendwann."

Die Bardame fragt: Noch zwei Bier? Wir nicken. Von Flirten kann keine Rede sein. Das einzige Kribbeln in meinem Bauch habe ich beim ersten Schluck des frisch gezapften Bieres. Also trinken wir ein Bier nach dem anderen - und schweigen. Vielleicht ist das Flirten in der Boazn einfach anders. Ohne große Worte und Gesten. Jeder für sich, jeder mit seinem Bier. Also lächle ich mein goldleuchtendes Glas an, blinzle freundlich. Immer näher und näher komme ich dem Glas. Ich schließe meine Augen und spüre den Kuss des Bieres. Es kribbelt in meinem Bauch. Die Boazn ist doch ein Ort zum Flirten.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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