Billard:Mit Papa im Wohnzimmer

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"Die deutsche Liga ist die stärkste in Europa", sagt Christos Christodoulidis. Er ist Spieler und Vorsitzender des Tabellenführers BC München. (Foto: privat)

Als Aufsteiger führt der BC München die Dreiband-Bundesliga an, auch weil er dank einer Reform Weltklassespieler an die Isar locken konnte.

Von Nino Duit, München

Was wird im Fußball nicht immer diskutiert, welche europäische Liga denn nun die beste ist. Die englische Premier League mit ihren finanziellen Mitteln? Die spanische Primera Division mit dem FC Barcelona und Real Madrid? Oder doch die deutsche Weltmeisterliga? Im Dreiband-Billard gibt es eine klare Antwort: "Die deutsche Liga ist die stärkste in Europa", sagt Christos Christodoulidis stolz. Christodoulidis ist Vorsitzender des BC München, Aufsteiger und aktueller Tabellenführer der ersten Bundesliga.

Im Sommer gab es im Dreiband eine einschneidende Reform. Seit dieser Saison dürfen in der Bundesliga erstmals zwei ausländische Spieler pro Verein antreten. Die Konsequenz: Innerhalb weniger Wochen wurde eine ganze Ansammlung an internationalen Topspielern nach Deutschland gelockt. Es herrscht Goldgräberstimmung in der Szene, Weltmeister und Europameister tummeln sich in den Kadern der Erstligisten. "Alle haben sehr stark aufgerüstet", sagt Christodoulidis. Am stärksten sein Verein.

Es scheint, als hätte der BC München im Sommer den idealen Zeitpunkt für den erstmaligen Bundesliga-Aufstieg erwischt. Durch die neue Ausländer-Regelung und die weichen Standortfaktoren Münchens konnten Spieler von Weltklasseniveau verpflichtet werden. Der Spanier Daniel Sanchez etwa. Christodoulidis nennt ihn nicht nur "einen Traumgriff", sondern vor allem "mit seinen aktuellen Leistungen den besten Spieler der Welt". Nach München lotste ihn sein Freund Marco Zanetti. Den zweimaligen Weltmeister aus Italien verpflichtete der BC München nur wenige Wochen zuvor. Zanetti ist im Klub bereits voll integriert. "Mit ihm sind wir sehr zufrieden", sagt Christodoulidis, "der Verein ist schon jetzt sein zweites Wohnzimmer, er ist eine Art Vaterfigur für uns alle." In Javier Palazon kam zudem ein mehrfacher Juniorenweltmeister an die Isar. Der Spanier ist Ersatz für Zanetti und Sanchez. Finanziert wurden die Verpflichtungen von privaten Sponsoren; ein wirtschaftliches Risiko stellen sie für den Verein demnach nicht dar.

Zanetti und Sanchez dürfen sich Vollprofis nennen. Bei den deutschen Spielern im Kader des BC München sieht dies etwas anders aus. "Die müssen nebenbei schon ein bisschen was tun", sagt Christodoulidis und schließt sich da selbst mit ein. Auch der Vorsitzende spielt in der Bundesliga-Mannschaft - und absolviert nebenbei Schichten am Münchner Flughafen. "Ich muss alles unter einen Hut bringen", sagt er, "einen sehr, sehr, sehr großen Hut". Neben Christodoulidis, Zanetti und Sanchez stand zuletzt Johann Schirmbrand im Team des BC.

Ein Dreiband-Bundesligaspiel besteht aus vier Partien, für einen Sieg benötigt der Spieler 40 Punkte. Gespielt wird auf einem Tisch ohne Löcher mit drei Kugeln, einen Punkt gibt es für eine vollendete Karambolage. Die gespielte Kugel muss dabei mit einem Stoß nicht nur die beiden anderen berühren, sondern dazwischen auch drei Banden. Bei einer gelungenen Karambolage bleibt der Spieler am Tisch und kann weiter punkten. "Es ist die schwierigste Disziplin des Billards", sagt Christodoulidis, "die Königsdisziplin."

Die Spieler einer Mannschaft sind nach ihrer Stärke gesetzt und treffen jeweils auf die Pendants des Gegners. Für eine gewonnene Partie gibt es zwei Punkte, für ein Remis einen. Die Punkte aus den vier einzelnen Partien werden dann zu einem Gesamtergebnis addiert. In vier Bundesligaspielen gelangen dem BC München in dieser Saison bereits drei glatte 8:0-Erfolge und ein 4:4 gegen Magdeburg. Entscheidend ist laut Christodoulidis vor allem die Spielstärke der beiden schwächeren Spieler, zumeist der beiden Deutschen in der Mannschaft. In diesem Bereich fällt das Niveau bei einigen Vereinen extrem ab, nicht aber bei den Münchnern. "Dort sind wir wohl die beste Mannschaft in Deutschland", sagt Christodoulidis, "und dort wird auch die Meisterschaft entschieden." Als Zielvorgabe nennt der Vorstand des BC München nur einen Platz unter den ersten Drei. Der Titelfavorit heißt Bergisch Gladbach. Um die Plätze dahinter duellieren sich neben München wohl Magdeburg und Elversberg.

Der bisher letzte Meistertitel eines Münchner Klubs datiert aus dem Jahr 1994. Damals wurde der BSV München, der eigentliche Traditionsklub aus der Landeshauptstadt, Meister. Vor knapp elf Jahren führten Streitigkeiten im Verein aber zur Abspaltung des heutigen Erstligisten BC München. Der BSV entwickelte sich zur Fahrstuhlmannschaft und stieg vergangene Saison wieder einmal in Liga zwei ab.

Mittlerweile besteht zwischen den Klubs eine Freundschaft. BC-Vorstand Christodoulidis wünscht sich sogar den Aufstieg des Rivalen, der zurzeit Zweiter der zweiten Liga ist. Würde dem BSV die direkte Rückkehr gelingen, wäre München die einzige deutsche Stadt mit zwei Dreiband-Bundesligisten. Christodoulidis ist sich sicher: "Die Derbys würden dann für richtig Karacho sorgen."

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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