Bildung:Schulen im Umbruch

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Mit Laptop und Büchern: Andreas Stürzer und Annette Werner vom Cornelsen-Verlag im neuen Informationszentrum in München. (Foto: Florian Peljak)

Der Cornelsen-Verlag hat sein Informationszentrum für Lehrer modernisiert. Die Digitalisierung hält behutsam Einzug

Von Jakob Wetzel

Um den Unterricht der Zukunft zu demonstrieren, bräuchte Andreas Stürzer eigentlich kein Bücherregal mehr. Ein PC oder ein Tablet würde reichen: Darauf könnte der Leiter des Münchner Cornelsen-Informationszentrums dann das "M-Book" herzeigen, ein digitales Schulbuch mit Film- und Tonbeiträgen, mit interaktiven Übungen und Simulationen. Es gibt bereits erste Versionen dieses Schulbuchs, derzeit werden sie in Pilotprojekten erprobt, der Zulassungsprozess läuft. Doch in Stürzers eben erst eingerichtetem Zentrum reihen sich trotzdem noch Regal an Regal, Bücher an Bücher und Lernspiele an Poster. 4000 verschiedene Print-Titel habe er im Angebot, sagt er. Denn bis die komplett digitale Zukunft an den Schulen Wirklichkeit ist, wird es noch dauern.

Der Schulbuchverlag Cornelsen eröffnet in München derzeit ein neues Informationszentrum. Solche Zentren gibt es von verschiedenen Verlagen in mehreren Städten; das in München steht allen Interessierten offen, besonders aber Lehrerinnen und Lehrern, die sich neue Lehrmittel ansehen wollen. Es sei jetzt eines der Vorzeige-Zentren, heißt es vom Verlag. Cornelsen will hier seine digitalen Angebote in den Vordergrund rücken und sich so für die Schule von morgen rüsten. Bisher stellte er sein Sortiment in München an der Sonnenstraße vor; jetzt ist er an die Neuhauser Straße gezogen. Der alte Mietvertrag sei ausgelaufen, heißt es vom Verlag. Da habe er die Gelegenheit ergriffen, um sich an die neuen Bedingungen anzupassen.

Denn die Schulen in Bayern sind im Umbruch. Der Unterricht soll digitaler werden, ein größerer Schwerpunkt soll auf der Medienbildung liegen, wünscht sich die Politik. Schon seit 2014 werden Jahrgangsstufe für Jahrgangsstufe neue Lehrpläne eingeführt. Aktuell reichen diese "Lehrpläne plus" bis einschließlich zur sechsten Klasse an Mittelschule, Realschule und Gymnasium, im kommenden Schuljahr sind die siebten Klassen an der Reihe. Die Schulen müssen jetzt nach und nach neue Schulbücher anschaffen. Und Verlage wie Cornelsen können neue Bücher verkaufen.

Im neuen Münchner Zentrum hält die Digitalisierung freilich nur behutsam Einzug. Kein Lehrer soll überrollt werden; man müsse die Schulen dort abholen, wo sie sind, sagt Annette Werner, die Chefin aller Informationszentren von Cornelsen. So gibt es jetzt etwa jedes neue Buch auch als E-Book. Zu den Arbeitsheften gibt es Online-Übungen. Auf USB-Sticks finden Lehrer Begleitmaterial wie zum Beispiel veränderbare Kopiervorlagen und multimediale Angebote. Und für Schüler gibt es Apps für das Vokabeltraining und andere, die sie an die Hausaufgaben erinnern.

Wie der Unterricht in Zukunft aussehen kann, daran würden Lehrer, Schulen und Verlage gemeinsam arbeiten, sagt Annette Werner: "Jeder zieht jeden ein bisschen mit." Der Verlag sucht deshalb das Gespräch, auch in München. "Vorher hatte unser Informationszentrum mehr den Charakter einer Bibliothek", sagt Werner. An der Sonnenstraße habe es fast ausschließlich Bücher gegeben, doppelt so viele Titel wie jetzt, dafür gab es nur einen PC für die Lehrer. Das neue Zentrum ist kleiner, statt 600 Quadratmetern kommt es auf 300. In Bayern selten nachgefragte Bücher wie etwa Russisch-Lehrwerke fielen weg, dafür gibt es einen weiteren PC und Lesenischen mit Tablets. Außerdem hat Cornelsen eine Couch-Ecke eingerichtet, in der sich Lehrer bei einem Kaffee mit Verlagsmitarbeitern oder anderen Lehrern austauschen können. Und es gibt einen Raum für Schulungen. Dort soll es zum Beispiel Fortbildungen zur digitalen Leseförderung geben. Der Verlag will dort neue Produkte vorstellen. Und es sind Kurse wie "Lehrer-Yoga" geplant, mit Entspannungsübungen für Lehrkräfte, die sie alleine, aber auch mit den Schülern machen können.

Vor allem aber will der Verlag anhand von Beispielen zeigen, wie digitaler Unterricht funktionieren kann, wenn die Lehrer es möchten - und wenn sie mit der Ausstattung an ihrer Schule dazu in der Lage sind. Für das "M-Book" etwa seien viele Schulen noch nicht gerüstet, sagt Stefan Holler, Cornelsen-Vertriebsleiter für Bayern und Hessen. Das digitale Schulbuch sei für Tablet-Klassen gedacht; das käme technisch derzeit vielleicht an fünf Prozent der Schulen in Bayern infrage. Lehrpläne und Schulen sind bislang nur langsam digitaler geworden - doch Holler ist optimistisch: Mit dem Digitalpakt des Bundes und den Milliarden aus dem Bundesbildungsministerium gehe es hoffentlich schneller, sagt er: "Bisher ist nicht viel passiert. Aber jetzt ist Bewegung da."

© SZ vom 09.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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